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Ein wichtiger Baustein im Kampf um den Schutz von Meinungs-, Versammlungs- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland

Erste Überlegungen nach der Demonstration »Zusammen für Gaza«

 

Am 27. September 2025 fand in Berlin die bundesweite Demonstration »Zusammen für Gaza« statt. Im Aufruf zur Demonstration standen folgende Forderungen:

  • Stopp des Völkermordes

  • Verurteilung aller Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, unabhängig davon, ob sie von israelischen oder palästinensischen Akteuren begangen werden

  • Stopp aller Waffenexporte und jeglicher militärischer Kooperation mit Israel

  • Sofortiger Zugang zu humanitärer Hilfe für alle Menschen in Gaza

  • Schutz von Meinungs-, Versammlungs- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland

Die Demonstration und die Abschlusskundgebung »All Eyes on Gaza — Stoppt den Genozid!« waren von 50 Verbänden, so von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland, eye4palestine, Amnesty International Deutschland, medico international und Persönlichkeiten wie Amal Hamad (Vorsitzende Deutsch-Palästinensischer Frauenverein), Özlem Demirel (MdEP, Die Linke Düsseldorf), Ines Schwerdtner (Parteivorsitzende, Die Linke), Nimrod Flaschenberg (Israelis für Frieden), Ahmed Abed (Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied in der Vereinigung Demokratischer Jurist*innen) und Michael Barenboim (Musiker) initiiert.

An der Demonstration vom Neptunbrunnen/Alexanderplatz zum Großen Stern/Tiergarten nahmen nach Polizeiangaben 60.000 und nach Angaben der Veranstalter 100.000 Menschen teil. Wir – Ellen Brombacher und Thomas Hecker – sind im Block der Linken vom Alexanderplatz (Treffpunkt 14:30 Uhr) bis zum Großen Stern mitdemonstriert und sind ab 18:30 Uhr von dort zurückgelaufen; da war der Demo-Zug noch nicht abgeschlossen. An der Abschlusskundgebung mit Konzert bis gegen 22:00 Uhr nahmen wir nicht mehr teil. Laut ARD-Nachrichten um 21:45 Uhr verlief die Gesamtmanifestation ohne nennenswerte Zwischenfälle. Die junge Welt schrieb, die Demonstration sei bis nach 16:00 Uhr von der Polizei daran gehindert worden, aufzubrechen. Die Begründung hierfür soll gewesen sein, dass Auflagen nicht auch in arabischer Sprache verlesen worden seien.

Die Demonstration verlief diszipliniert und trotz des grausamen Anlasses besonnen. Es herrschte eine solidarische, beinahe als freundlich zu bezeichnende Stimmung und zugleich wurden die politischen Forderungen unüberhörbar artikuliert. Eine Handvoll Gegendemonstranten, die am Lustgarten versammelt waren, wurden – zumindest dort, wo wir uns befanden – ignoriert. Unsere Einschätzung, dass 80 bis 90 Prozent der Demo-Teilnehmer junge Menschen waren (bis etwa Mitte 30) ist nicht übertrieben.

Die Breite des Bündnisses zeigte sich nicht zuletzt an den Fahnen. Die Linke war auffällig stark vertreten und es ist von unschätzbarem Wert für die Glaubwürdigkeit unserer Partei, dass sie sich ohne Wenn und Aber zu dieser Demonstration bekannt und zu ihr mobilisiert hat. Die Linken-Fahnen beschränkten sich nicht auf den Block der Partei, sondern waren im gesamten Zug zu sehen. Logischerweise gab es ein Meer von palästinensischen Flaggen. Gut vertreten waren ['solid], SDS, DKP und SDAJ, aber auch Fahnen der MLPD, der KPD oder der SAV waren zu sehen, vereinzelte der Grünen Jugend. Diese Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Viele Demo-Teilnehmer trugen Plakate, häufig selbst angefertigte. Die meisten bewegten sich im Rahmen der Inhalte des Demoaufrufes. Wir haben nur ein komplett inakzeptables Plakat gesehen, auf dem auch stand »Gaza = Auschwitz«, getragen von einem älteren Mann. Nicht nur wir sprachen ihn daraufhin an, ebenso eine Gruppe junger Demo-Teilnehmer, mit den Worten, er denunziere so das Anliegen der Demonstration. Den Worten des Mannes zufolge hoffte er wohl, abgeführt zu werden. Einige mitgetragene Losungen waren ambivalent. So »Only one Palestine. 48« und ähnliche Ansätze. Verlauf und Ausgestaltung der Gesamtdemonstration wurden davon nicht beeinträchtigt.

Wir zweifeln nicht daran, dass in den Seitenstraßen starke Polizeikräfte in Bereitschaft standen. Die Demo selbst fand faktisch ohne die sonst nicht nur bei palästinasolidarischen Demonstrationen übliche Polizeibegleitung statt. Das war ein wesentlicher Grund dafür, dass während des Aufzuges eine im Wesentlichen entspannte Atmosphäre herrschte. Wir kennen aus den Erfahrungen der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration beides: Sowohl die gestrige Polizeitaktik als auch die der unmittelbaren Begleitung, möglichst mit aufgesetzten Helmen und leicht rennend. Das schafft automatisch eine gespannte Situation. Darüber, warum sich die Polizei auf der Demonstration am 27. September 2025 wie beschrieben verhielt, kann man nur spekulieren. Wir wollen es ausnahmsweise tun.

  • Bereits in Vorbereitung der Demonstration soll es auch seitens der Polizei Kooperationsbereitschaft gegeben haben. Das kann etwas bedeuten, muss aber nicht.

  • Die BRD-Regierung steht durch ihre Politik im Kontext mit dem verbrecherischen Gaza-Krieg international zunehmend isoliert da. Das hat in jüngster Vergangenheit zu einigen verbalen Zugeständnissen geführt. Mehr aber auch nicht. Es hat aber vermutlich ein politisches Interesse daran gegeben, nicht noch die Demonstration anzugreifen. Hinzu kommt, dass in Berlin 2026 Wahlen stattfinden. In Anbetracht der bekannten Stimmungen unter großen Teilen der Bevölkerung zum Krieg in Gaza und nicht mehr »nur« dort, dürfte auch der Berliner Senat ein großes Interesse am friedlichen Verlauf der Demonstration gehabt haben. Das dürften entscheidende Faktoren für das Verhalten der Polizei gewesen sein.

  • Hinzu kommt der disziplinierte Verlauf der Demonstration. Allerdings: Wir wissen aus mittlerweile jahrzehntelanger Erfahrung nicht zuletzt aus den LL-Demos, dass die Polizei, wenn sie eingreifen will, auch Gründe findet. Gerade deshalb ist es extrem wichtig, keine Steilvorlagen zu liefern. Auf der Demonstration am 27. September 2025 ist nach unserer Kenntnis weder Pyrotechnik gezündet worden, noch gab es Seitentransparente, noch wurden Losungen gerufen, die im Regelfall zu Polizeieinsätzen führen. Das hat der klaren politischen Aussage der Demonstration keinen Abbruch getan. Und noch etwas: Strukturen, die von vornherein darauf aus sind, dass es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, hat es am 27. September 2025 nach unserer Beobachtung nicht gegeben. Das macht es Einflussagenten, z.B. des Verfassungsschutzes, schwerer, Provokationen zu initiieren.

Die Demonstration am 27. September 2025 war ein großer Erfolg und hat bewiesen, dass mit richtigen Inhalten, längerfristiger Mobilisierung und unter relativ günstigen Umständen (siehe 2. Kommandostrich) eine Massendemonstration möglich ist. In jedem Fall war diese Demonstration ein wichtiger Baustein im Kampf um den Schutz von Meinungs-, Versammlungs- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland – nicht »nur« in puncto Palästinasolidarität.

Ellen Brombacher, Thomas Hecker, 28. September 2025