Kommunistische Plattform der Partei Die Linke
Manche meinen, wir seien stehengeblieben, weil sie nicht merken, dass sie rückwärtsgehen
Erklärung der Kommunistischen Plattform zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen
Der Anschlag von Solingen geschah wenige Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Ihm folgte ein Überbietungswettbewerb in Sachen Rassismus. Mit Ausnahme der Linken überboten sich alle anderen um Parlamentssitze und Ministerposten ringenden Parteien mit Vorschlägen, die die deutsche sowie die EU-Flüchtlings- und Asylpolitik betreffen und die gesellschaftliche Atmosphäre rapide weiter vergifteten.
Dieser Überbietungswettbewerb verbreitete und verbreitet genau jenes widerliche und beängstigende Klima, das der AfD zu ihren enormen Wahlerfolgen in beiden Bundesländern verhalf. Die vielgepriesene Brandmauer ist Propaganda. Die Realität ist, dass die bürgerlichen Parteien mit jenen Forderungen und Maßnahmen Wahlkampf machten, die sie – mehr oder weniger, früher oder später – von der AfD und deren Protagonisten, allen voran der Faschist Höcke, übernommen hatten.
Die Zeit für Koalitionen mit einer faschistoiden Partei ist noch nicht gekommen. Doch eine Politik, die im Interesse des Kapitals und der Kriegsvorbereitungen zu einem stetig sinkenden Lebensstandard für immer mehr Menschen in diesem Land führt, muss über kurz oder lang Faschisten die Möglichkeit einräumen, auch noch die Reste bürgerlicher Demokratie zu schleifen. Und der ideologische Weg dorthin ist die Erzeugung des Hasses auf Menschen mit Migrationshintergrund. Der Kampfbegriff »illegale Migration« ist die von allen bürgerlichen Parteien exzessiv benutzte Pseudoerklärung für die zunehmende Misere des deutschen Alltags. So funktioniert Sündenbockpolitik. Die gab es schon einmal. Womit sie endete, ist bekannt. Auch, wenn es Die Linke Stimmen gekostet hat, so bleibt es für unsere Partei unabdingbar, strikt antirassistisch zu agieren. Dafür stehen auch die ihr angehörenden Kommunistinnen und Kommunisten.
Gleichermaßen wichtig ist es für Die Linke, uneingeschränkt als Friedenspartei wahrgenommen zu werden. Bereits unsere Ergebnisse im Rahmen der Wahlen zum Europäischen Parlament verdeutlichten, dass unser diesbezüglicher Ruf beschädigt ist. Unsere Glaubwürdigkeit hat vor allem durch den mangelnden Willen des Parteivorstandes gelitten, sich mit jener Minderheit in der Linken auseinanderzusetzen, die programmwidrige Positionen verbreitetet, indem sie sich für Waffenlieferungen in die Ukraine einsetzt, statt um den Weg der Diplomatie zu kämpfen. Diese – gelinde ausgedrückt – Inkonsequenz der Parteiführung war auch nicht dadurch zu verschleiern, dass sie entschied, das Friedensthema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Die soziale Frage wurde losgelöst von der zunehmenden »Kanonen-statt-Butter-Politik« behandelt, als seien unsere potenziellen Wählerinnen und Wähler intellektuell minderbemittelt.
Auch nach den Wahlen zum EU-Parlament wurde dieser Kurs nicht korrigiert. Nicht zuletzt die jüngsten Wahlergebnisse haben erneut bezeugt, dass von unserer Partei klare friedenspolitische Positionen erwartet werden. Demzufolge hat uns der schlingernde Kurs – besonders in puncto Waffenlieferungen in die Ukraine, aber auch nach Israel – massiv geschadet, weil wir auf diese Weise unsere eigene Glaubwürdigkeit untergraben haben. Dabei ist im Kontext mit verschiedenen jüngsten Äußerungen führender Politikerinnen und Politiker der Linken deutlich geworden, dass sie sich der Bedeutung politischer Glaubwürdigkeit durchaus bewusst sind. Und doch möchten einige von ihnen unsere friedenspolitischen programmatischen Prinzipien entsorgen, so unsere Ablehnung der NATO, die Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder die Ablehnung jeglicher Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete.
Die Position der Kommunistischen Plattform in diesen Fragen ist seit Jahrzehnten unverändert. Manche meinen, wir seien stehengeblieben, weil sie nicht merken, dass sie rückwärtsgehen. Unsere Sofort-Schlussfolgerungen aus den jüngsten Landtagswahlen lauten:
- Wir begrüßen es, dass unsere Partei mit dem Beschluss des Parteivorstandes vom 1. September 2024 zur Friedensdemonstration am 3. Oktober 2024 nach Berlin aufruft und mobilisiert. Für diesen Beschluss hat die Kommunistische Plattform gemeinsam mit den Mitgliedern des Parteivorstands Christine Buchholz, Margit Glasow und Jan Richter aktiv gekämpft. Wir bitten alle Kommunistinnen und Kommunisten in unserer Partei, sich mit aller Kraft in die Demonstrationsvorbereitungen einzubringen. Wir sollten vor allem um das Mitführen von Transparenten kämpfen, die sich gegen die Stationierung von US-amerikanischen Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden, gegen Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete und gegen die mittlerweile fast alle gesellschaftlichen Bereiche umfassende Militarisierung richten – gegen den Wahn, Kriegstüchtigkeit wiederzuerlangen, als habe es zwei von deutschem Boden ausgehende mörderische Weltkriege nie gegeben.
- Wir wollen, dass im abschließenden Teil des Leitantrages an den Hallenser Parteitag »Auf dem Weg zur Bundestagswahl: Fokussieren«, der sich mit den Schwerpunkten des zukünftigen Bundestagswahlprogramms und -wahlkampfes befasst, der Schwerpunkt »Kampf um den Frieden, gegen die Militarisierung Deutschlands und vor allem gegen die US-Raketenstationierung auf deutschem Boden« aufgenommen wird. Es ist unfassbar, dass dieser Schwerpunkt in diesem entscheidenden Teil des Leitantrages fehlt. Unfassbar, weil die Kriegsvorbereitungen unser aller Überleben infrage stellen, unfassbar aber auch, weil sich der Eindruck verfestigt, dass manche Protagonisten der Linken absolut lernunwillig sind. Wir sollten uns nicht scheuen, Änderungsanträge auch taktisch zu stellen: Nicht überall, wo es denkbar ist, sie zu stellen, sondern dort, wo Änderungsanträge dringend geboten sind. Es wäre hilfreich, wenn es eine Vielzahl von Änderungsanträgen gäbe, die darauf ausgerichtet sind, den Schwerpunkt Friedenskampf im Leitantrag-Abschnitt »Auf dem Weg zur Bundestagswahl: Fokussieren« unumgänglich werden zu lassen.
Wir erwarten, dass der von drei bundesweiten Zusammenschlüssen, zwei Berliner Bezirksorganisationen, fünf regionalen Strukturen sowie 202 Genossinnen und Genossen, darunter 24 Delegierte, gestellte Antimilitarismusantrag »Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik!«[1] auf dem Parteitag in Halle im Plenum behandelt wird und nicht – wie wir es bei ähnlich gelagerten Anträgen immer wieder erlebt haben – an den Parteivorstand oder den Bundesausschuss überwiesen wird. Von deutschem Boden sind zweimal verheerende Kriege ausgegangen. Für einen Antrag gegen das Wiedererstarken dieses deutschen Militarismus, gegen eine »Kanonen-statt-Butter-Politik« muss Zeit auf dem Parteitag sein!