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Kommunistische Plattform der Partei Die Linke

Kein »Linkes« Einwanderungsgesetz

Offener Brief des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform

Liebe Katja, lieber Bernd, liebe Genossinnen und Genossen,

seit dem 29. Januar 2017 existiert eine Konzeption einer linken Flüchtlings- und Einwan­derungsgesetzgebung [1]. Diese Konzeption ist ein Vorschlag der Projektgruppe Einwanderung [2], ausgearbeitet im Auftrag der Linksfraktionen der Landtage Berlin, Brandenburg, Mecklen­burg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Aus offensichtlich gutem Grund wurde das Papier im Wahlkampf de facto unter Verschluss gehalten. Das war gut so und noch besser wäre es, das würde so bleiben. Wir möchten einige Gründe hierfür aufführen.

1. Ein Einwanderungsgesetz hat einen grundlegenden Sinn: Festzulegen, wer kommen und bleiben darf, und wer wieder gehen muss. So heißt es im Papier: »Ein*e Migrant*in ist verpflichtet auszureisen, wenn keine Aufenthaltserlaubnis und keine Niederlassungserlaubnis (mehr) besteht, Rechtsmittel gegen ablehnende Entscheidungen bestandskräftig abgelehnt wurden und kein Abschiebehindernis vorliegt.« [3]

Dem folgt die vor Realismus strotzende Festlegung: »Eine zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht ist zulässig, wenn die Voraussetzungen VIII.2. vorliegen und der Zielstaat eine konkret-individuelle und nachvollziehbare Zusicherung abgegeben hat, dass er den*die Migrant*in aufnimmt und dem* der Migrant*in bei einer Rückkehr eine menschenwürdige Existenz gewährleistet ist«.

Wer in der Welt unserer Tage so etwas formuliert, neigt zur Weltfremdheit oder zu einer äußerst merkwürdigen Art schwarzen Humors.

Natürlich können wir uns der Debatte über die sogenannte Asyl- und Flüchtlingsfrage nicht entziehen. Eine linke sozialistische Partei sollte jedoch nicht den Ehrgeiz haben, sich konzeptionell an der Ausarbeitung eines im übrigen programmwidrigen Regelwerkes zu beteiligen, in dem – wie bereits erwähnt – geregelt wird, wer kommen und wer bleiben darf. Das sollten wir den etablierten Parteien überlassen und zu deren Vorstellungen das aus unserer Sicht Erforderliche sagen. Etwas anderes wird von uns auch kaum erwartet; es sei denn, wir strebten eine Regierungsbeteiligung im Bund an.

2. Einen Gesetzentwurf von 32 Seiten – natürlich in Juristendeutsch formuliert – werden nur wenige lesen, und von denen werden viele so manches nicht verstehen. Das bietet den bürgerlichen Medien eine vorzügliche Möglichkeit, die Interpretationshoheit zu erlangen. Nicht wir werden durchdringen mit unseren Erklärungen über reale oder vermeintliche Vorzüge des Papiers. Vielmehr werden BILD und andere Fragen stellen, die uns nur in eine missliche Lage bringen können. Die werden behaupten, der Gesetzentwurf erlaube annähernd jedem die Einwanderung, der kommen will. Und was werden wir dann sagen? Ja, das ist im Prinzip so; aber nur für ein Jahr. Oder: Nein, da müsst ihr mal die Einzelheiten anschauen. Oder: Das ist doch nur ein Rahmen, dessen Ausgestaltung, zum Beispiel die Einreisemodalitäten betreffend, erst noch erfolgen muss. Weitere Fragen ließen sich hinzufügen.

Wir werden uns mit dieser Konzeption eine unsägliche Debatte auf den Hals holen. Ohne Not! Lest das Papier bitte selbst und bildet Euch ein Urteil, ob unsere Bedenken berechtigt sind oder nicht.

3. Das Asylrecht soll einige Verbesserungen erfahren. Die Dublin-III-Verordnung [4]  allerdings soll bleiben. Zugleich soll das Asylgrundrecht wiederhergestellt werden. [5] Geht das zusammen, oder erweisen sich positive Ansätze in der Konzeption bei näherem Hinschauen als blankes Wunschdenken?

4. Außen vor im Papier bleiben die Probleme der innereuropäischen Migration. Schon merkwürdig.

Liebe Genossinnen und Genossen, haben die fünf Ost-Landtagsfraktionen (Hamburg, Bremen, Hessen und das Saarland sind nicht dabei), die das Papier in Auftrag gaben, Euch vorher gefragt, ob ihr – der gewählte Vorstand der Partei – ein solches auch wollt? […]

Mit solidarischen Grüßen

Bundessprecherrat

Verteiler: Mitglieder des Parteivorstands der LINKEN, Fraktionsvorstand der Bundestagsfraktion der LINKEN, Linksfraktionen der Landtage Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie Bremen, Hamburg, Hessen und Saarland.

Anmerkungen:

[1]  Konzeption einer linken Flüchtlings- und Einwanderungsgesetzgebung. Vorschlag der »Projektgruppe Einwanderung« im Auftrag der Linksfraktionen der Landtage Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.  www.die-linke-thl.de/fileadmin/lv/dokumente/Themendokumente/Einwanderungsgesetz/PGEinwanderung.pdf.

[2]  Jan Becker, RA, Berlin, Sabine Berninger, MdL Thüringen, Dr. Thomas Falkner, Referent Linksfraktion Brandenburg, Andrea Johlige, MdL Brandenburg, Dr. Ibrahim Kanalan, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen, Dr. Lena Kreck, Dr. Matthias Lehnert, RA, Berlin, Henriette Quade, MdL Sachsen-Anhalt, Christian Schaft, MdL Thüringen, Mitglied im PV DIE LINKE, Jörg Schindler, RA, stv. Landesvorsitzender DIE LINKE, Sachsen-Anhalt, Tobias Schulze, MdA Berlin.

[3]  Säule 2: Einwanderungsgesetz, VIII. Ausreise.

[4]  Säule 1: Asylgesetz, A. Grundprämissen.

[5]  Säule 1: Asylrecht, Entscheidungen und ihre Maßstäbe, 1. Änderung des Grundgesetzes.