Zum Hauptinhalt springen

Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE

Er kann nicht anders

Kommentar von Ellen Brombacher

Seit dem 17. Februar 2012, jenem Tag, an dem Wulff seinen Rücktritt erklärte, bewegt mich die Frage, ob Kanzlerin Merkel eventuell heimlich unserer Partei zugeneigt sein könnte. Natürlich: Sie hat DIE LINKE bei der von BILD gesteuerten Präsidentenfindung ausgegrenzt; politisch korrekt ist das nicht. Aber – was hat sie uns mit dieser Ausgrenzung nicht alles erspart. Jedenfalls kann man ihr nicht vorwerfen, sie habe DIE LINKE spalten wollen. Sie hat es uns ungemein leicht gemacht, Herrn Gauck abzulehnen und unseren eigenen Vorschlag zu unterbreiten.

Frau Merkel hätte auch die FDP ausgrenzen sollen. Da wäre ihr eine dreiste Erpressung erspart geblieben. Vor allem, so BILD am 20. Februar, sei die Entscheidung für Joachim Gauck der "Standhaftigkeit der FDP und ihres Vorsitzenden Philipp Rösler zu verdanken, die an dieser Frage die Koalition hätten platzen lassen". BILD berichtet in selbiger Ausgabe, Merkel habe im Rahmen einer Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums fünf Minuten gegen Gauck argumentiert und abgefragt, ob irgendjemand für ihn sei. Niemand habe etwas gesagt. Die Medien vermeldeten, Merkel sei bis fünf Minuten vor Toresschluss gegen Gauck gewesen. Der vermutete Grund: Eine Befürwortung seiner Präsidentschaft käme dem Eingeständnis gleich, die Wulff-Wahl vor anderthalb Jahren sei eine Fehlentscheidung gewesen. Sicherlich ist diese Überlegung nicht von der Hand zu weisen. Doch da dürften noch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben. Gauck wird als Bundespräsident weitgehend machen, also äußern, was er will - in Übereinstimmung mit jenen, die in diesem Land tatsächlich das Sagen haben. Merkel hat das nur sehr bedingt, wie wir es gerade wieder erlebt haben. Überhaupt wird der Bundespräsident in spe noch so manchem Politiker - sozusagen parteiübergreifend - durchaus Freude bereiten. Nicht zuletzt via BILD.

Gauck selbst werden die Medienkonzerne eher nicht behelligen. Seine Akten sind sauber – dessen konnte er sich bereits im Jahr 1990 vergewissern, als er als Bundestagsabgeordneter die Gelegenheit nutzte, in der ehemaligen MfS-Dienststelle Rostock mehrere Stunden lang unbeobachtet seine Akte einzusehen (1). Gauck ist ein fanatischer Antikommunist, vermutlich von Haus aus (2). Sein Vater war Offizier der faschistischen Kriegsmarine und wegen Spionagevorwürfen in der Sowjetunion inhaftiert. Wir werden erleben, wie Gaucks Negativempfindungen das Klima in diesem Land zusätzlich belasten werden - stark belasten. Vielleicht denkt mancher, wenn er denn erst Präsident sei, würde er zurückhaltender agieren: Mit Sympathieerklärungen für den sozialdarwinistischen Sarrazin, mit der Befürwortung des Krieges in Afghanistan, in dem Deutschland nichts zu suchen hat, mit faktisch geschichtsrevisionistischen Äußerungen, so zur Oder-Neiße-Grenze, zurückhaltender auch mit seinen unendlichen Denunziationen, die DDR betreffend. Ich würde wetten - und die Wette gern verlieren: Er wird sich keine Zurückhaltung auferlegen. Er kann nicht anders als so. Nachgesagt wird ihm, er könne einerseits sehr freundlich und andererseits gehässig und rücksichtslos sein. Ich will hinzufügen: Fragen, die ihm nicht in den Kram passen, ignoriert er einfach. Auf einer Veranstaltung im Jahre 1994 fragte ich ihn, wie er dazu stünde, dass mir durch das Bezirksamt Mitte als Küchenhilfskraft in einer Kindertagesstätte gekündigt worden war, weil ich FDJ- und SED-Funktionärin gewesen bin. Er ging mit keinem Wort auf meine Frage ein. Gauck wird alles verdrängen, was nicht in sein Weltbild passt und unentwegt predigen, was ihm verkündenswert erscheint. Nicht umsonst bezeichnete Jutta Ditfurth Herrn Gauck als "Prediger der verrohenden Mittelschicht". Und somit wird er nicht zusammenführen, sondern polarisieren. Das weiß auch Merkel. Die große Frage ist, ob ihr das und anderes behagt, womit beim zukünftigen Bundespräsidenten zu rechnen ist.

Im Übrigen könnte man in diesem Land viel Geld sparen. Wozu Wahlen finanzieren, wenn man die Bildzeitung hat? Und für die Dinge, die öffentlich nicht geregelt werden können, gibt es ja noch die geheimen Dienste. Meine Wünsche zum Schluss: Der Putschpartei FDP eine Kanzlerin, die nicht auch noch die andere Wange hinhält, ihr selbst viel Freude mit dem Bürgerrechtsbruder im Geiste, SPD und Grünen gute Argumente für die Zukunft, warum sie den "Präsidenten der kalten Herzen" derart protegiert haben und der LINKEN eine große Wählerschaft, die ihr Nein zu Gauck goutiert.

Anmerkungen

(1) Vgl. Jürgen Wolter: "MfS gewährte Gauck viele Vergünstigungen", Interview mit Oberst a. D. Artur Amthor, ehemals stellvertretender Chef der Rostocker Bezirksverwaltung des MfS, in junge Welt, 8. Juni 2010 (erneut veröffentlicht in junge Welt, 22. Februar 2012).
(2) Der für Joachim Gaucks politische Prägung wichtige "Onkel Gerhard" (Gerhard Schmitt) war als Wehrmachtsoberpfarrer für den gesamten Marineabschnitt Ostsee verantwortlich und trat schon als Student an der Hochschule der SA 1931 in die NSDAP ein, seine Mutter Olga im Jahr 1932, sein Vater Joachim im Jahr 1934. Vgl. Armin Fuhrer, Thomas Tumovec: "Das Geheimnis um den Onkel" in Focus Nr. 26/2010, 28. Juni 2010.