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Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE

Ein zweiter Brief zur Gedenktafel

Der Bundessprecherrat der KPF an den Parteivorstand und den Bundesausschuss der LINKEN

Liebe Katja, lieber Bernd, liebe Genossinnen und Genossen, vor knapp 10 Wochen, am 7. März 2013, hatten wir uns mit einem Vorschlag an Euch gewandt. Er betrifft eine vorgesehene Gedenktafel für die unter Stalin in der Sowjetunion verfolgten und inhaftierten deutschen Kommunistinnen und Kommunisten, Antifaschistinnen und Antifaschisten, eine Tafel des Gedenkens besonders an jene, die ermordet wurden. Unser Vorschlag lautete und lautet: »Der Parteivorstand der LINKEN sollte über eine Art Moratorium bis zum 22. September 2013 nachdenken, d.h. darüber, alle Aktivitäten im Kontext mit der Gedenktafel bis dahin ruhen zu lassen. Nach den Bundestagswahlen müssten in geeigneter Weise sowohl die Berliner Parteibasis als auch der Bundesvorstand der VVN-BdA befragt werden, wo die Gedenktafel angebracht werden sollte. Die Entscheidung über den Ort wäre danach gegebenenfalls neu zu treffen.«

Eine Antwort haben wir nicht erhalten. Nun soll, dem Geschäftsführenden Parteivorstand zufolge, nach dem Dresdner Parteitag die Gedenktafel am Karl-Liebknecht-Haus angebracht werden. Dieses Timing zu kommentieren erübrigt sich.

Wir bitten noch einmal darum, unseren Vorschlag zu prüfen. Wir wiederholen ebenfalls, dass wir die Ehrung der unter Stalin in der Sowjetunion verfolgten und umgekommenen Kommunistinnen und Kommunisten, Antifaschistinnen und Antifaschisten befürworten.

Warum aber halten wir es für ungerechtfertigt, eine entsprechende Gedenktafel am Karl-Liebknecht-Haus anzubringen? Seit mehr als 22 Jahren ertragen all diejenigen, denen die DDR eine durch sie mitgestaltete Heimat war, alltägliche Verleumdungen. Keine Periode in der deutschen Geschichte - nicht das den I. Weltkrieg maßgeblich verantwortende Kaiserreich und nicht das bestialische Hitlerregime - werden mit so viel Hass überschüttet wie die DDR. Das zeigt sich in diesen Tagen erneut. Am 15. Mai 2013 haben die Regierungsparteien dem Deutschen Bundestag einen Entschließungsantrag vorgelegt: »Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur«. Die DDR wird hier ausschließlich auf Verfolgung und Unterdrückung reduziert. Das ist eine Geschichtsklitterung sondergleichen und für Menschen, die in der DDR gelebt und gearbeitet haben, ohne sie grundsätzlich abzulehnen, eine Zumutung.

Bekanntlich haben wir eine Abneigung gegen die unentwegten Vergleiche der DDR mit dem Nazi-Regime. Denn hinter den permanenten Vergleichen verbirgt sich ein starkes Moment der Gleichsetzung. Doch hier und jetzt wollen auch wir einiges vergleichen: Niemals in seiner Geschichte hat der Deutsche Bundestag einen Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der NS-Diktatur behandelt. 1985 hatte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Zusammenhang mit dem 8. Mai 1945 in der BRD erstmals von Befreiung gesprochen. Mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende und ein halbes Jahrhundert nach Erscheinen des Braunbuchs in der DDR »erforschen« Ministerien, so das Auswärtige Amt, welche Rolle die Nazi-Eliten im Staatsapparat der alten Bundesrepublik spielten. Diese Kontinuität betrifft im Übrigen auch die im Umgang mit dem NSU so »glücklosen« BRD-Geheimdienste. Und noch 68 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz leben frühere KZ-Wächter straflos in der BRD. Vielleicht wird ihnen jetzt der Prozess gemacht. All das und vieles mehr ist eine logische Konsequenz aus dem Umgang mit den Nazi-Eliten in der alten BRD.

Für ehemals loyale DDR-Bürgerinnen und Bürger, und so wenige waren das nicht, ist es kaum zu ertragen, dass die veröffentlichte Meinung sie annähernd wie ein Stück Dreck behandelt. Jeder ehemalige Gestapo-Offizier oder Nazi-Blutrichter, der später im Verfassungsschutz oder in der bundesrepublikanischen Justiz seinen Dienst tat, wurde mit Respekt behandelt. Mit dem Amt war er Demokrat geworden. Und nun sollen - durch die Anbringung der Gedenktafel am Karl-Liebknecht-Haus - Genossinnen und Genossen, Sympathisantinnen und Sympathisanten der LINKEN auch noch symbolisch Verantwortung für die unter Stalin in der Sowjetunion begangenen Verbrechen übernehmen? Weder die KPD noch die SED hatten darauf einen Einfluss.

Hier wäre auch psychologisch ein Punkt erreicht, der nicht angestrebt werden sollte. Wir verweisen absichtlich nicht in erster Linie darauf, dass auch wahltaktische Erwägungen eine Rolle spielen sollten. Dass der Umgang mit der Geschichte auch diesbezüglich seinen Einfluss nicht verfehlt, wissen wir spätestens seit den Bundestagswahlen 2002, denen unter anderem ein »Entschuldigungssommer« vorausging.

Liebe Genossinnen und Genossen, bitte bedenkt das alles noch einmal.