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Kommunistische Plattform der Partei Die Linke

Die Züge anhalten!

Offener Brief des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform

Seit einiger Zeit mehren sich Anzeichen, dass Sahra Wagenknecht von einigen Protagonisten unserer Partei als Fraktionsvorsitzende nicht mehr erwünscht ist. Dafür sprechen besonders der Auftritt von Elke Breitenbach auf dem Leipziger Parteitag und Äußerungen von Thomas Nord, zu denen wir bereits Stellung bezogen haben.

Die Kommunistische Plattform hält diese Tendenzen für verhängnisvoll. Sie sind geeignet, DIE LINKE zu zerstören. Wir melden uns – zwei Tage vor der gemeinsamen Klausur am 30. November 2018 – zu Wort, um dazu beizutragen, dass die aufeinander zurasenden Züge noch zum Halten gebracht werden. Sollten unsere Befürchtungen übertrieben sein, so würden wir ein Dementi – und damit unseren Irrtum – mit Freude zur Kenntnis nehmen.

Auch wir, und das haben wir ihr gesagt, sind nicht mit allem einverstanden, was Sahra sagt und tut. Wir haben ein Problem mit der Entwicklung von Aufstehen, vor allem mit der Entwicklung von Parallelstrukturen – nicht ohne Sorge um die Zukunft der Partei. Und wir haben ein Problem damit, dass dieser Aufstehen-Prozess an den gewählten Gremien der Partei vorbei erfolgte und erfolgt. Dabei ziehen wir durchaus in Betracht, dass Auftritte wie der von Elke Breitenbach ein Aufeinanderzugehen nicht gerade erleichtern.

Auch fanden wir Sahras Bemerkungen im Vorfeld der Unteilbar-Demonstration nicht nur völlig deplatziert, sondern auch beunruhigend realitätsfern. Und natürlich haben wir ein Problem mit einer Reihe ihrer flüchtlingspolitischen Äußerungen, so, wie wir ein Problem damit haben, dass Bodo Ramelow bereit ist, darüber zu verhandeln, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten zu akzeptieren, oder damit, dass auch die Bundesländer, in denen unsere Partei mitregiert, wie selbstverständlich abschieben. Wir haben ein Problem mit doppelten Standards. Und wir haben auch ein Problem damit, dass – laut Sofortinfo des Geschäftsführenden Parteivorstands vom 26. November 2018 – bereits auf der bevorstehenden Klausurtagung ein gemeinsames migrationspolitisches Papier beschlossen werden soll. Dazu heißt es in unserem Schreiben vom 27. November 2018 an Katja, Bernd und Jörg: »Es soll … in wenigen Stunden ein Diskussionsprozess abgeschlossen werden, der seit erheblicher Zeit andauert. Dass so etwas nicht möglich ist, ohne dass eine der beiden Seiten total gedemütigt wird, sollte Euch … bewusst sein.«

Noch einmal: Wir haben kein unkritisches Verhältnis zu Sahra, aber wir sind auch nicht bereit, sie auf die aus unserer Sicht kritikwürdigen Punkte zu reduzieren. Sahra hat für unsere Partei außerordentlich viel geleistet. Sie verfügt über ein hohes Ansehen in der LINKEN und bei Millionen unserer Wählerinnen und Wähler. Sie gehört nicht ohne Grund zu den beliebtesten Persönlichkeiten, die unsere Partei je hatte. Das alles scheint für manche Genossinnen und Genossen keinerlei Rolle zu spielen. Und das ist uns – offen gestanden – nicht nur unbegreiflich, sondern auch suspekt.

Wir hatten besonders seit dem Leipziger Parteitag eine Vielzahl von Diskussionsveranstaltungen und Einzelgespräche im Westen wie im Osten. Es zeigte sich fast durchgängig: Ob Kritik an der Sammlungsbewegung oder nicht, ob Verständnis für bestimmte flüchtlingspolitische Äußerungen oder nicht – niemand war der Auffassung, dass die Partei auf Sahra verzichten kann; kaum jemand meinte, sie solle nicht weiter Fraktionsvorsitzende sein. Zugleich sei hier unmissverständlich gesagt: Die Auffassung, DIE LINKE dürfe nirgendwo durch Aufstehen Schaden nehmen oder gar durch Parallelstrukturen in Frage gestellt werden, war nicht weniger ausgeprägt.

Fazit: Entstünde der Eindruck, diejenigen setzten sich durch, die meinen, es täte der Partei gut, wenn Sahras politischer Einfluss eklatant beschnitten würde, so käme es zu einem substantiellen, möglicherweise selbstzerstörerischen Aderlass. Unvorstellbar in Anbetracht der Kämpfe, die wir zu führen haben: Für den Frieden, gegen Faschisierung, für soziale Gerechtigkeit und Solidarität mit allen unter der Macht des Kapitals Leidenden, wo auch immer ihr Geburtsort liegt.