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Die Linke ist Friedenspartei und muss es bleiben!

Bundessprecherrat der KPF zum Chemnitzer Parteitag der Linken

 

Der Chemnitzer Parteitag – 93,7 Prozent der gewählten Delegierten nahmen daran teil – verlief in kulturvoller, sachlicher Atmosphäre [1]. Die Abstimmung darüber, ob der Antrag »Antisemitismus, Repression und Zensur bekämpfen – Jerusalemer Erklärung umsetzen, tragfähiges Fundament schaffen!« an den Parteirat überwiesen wird oder – trotz fortgeschrittener Zeit – durch den Parteitag abgestimmt wird, machte deutlich, dass die Mehrheit der Delegierten nicht blind bestimmten Wünschen führender Genossen folgt, sondern eigenen Überzeugungen. Und auch die dann folgende Abstimmung über den Antrag selbst – er wurde mit 48 Prozent der Stimmen angenommen (40 Prozent Neinstimmen und 10 Prozent Enthaltungen) – bestätigte dies. Die Delegierten handelten mit großer Souveränität.

Der aus drei verschiedenen Anträgen zusammengeführte friedenspolitische Antrag »Ohne Wenn und Aber: Sage Nein zu Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit!«, der letztlich auch die Unterstützung des Parteivorstandes gefunden hatte, wurde in einer begrenzten Debatte diskutiert. In dieser Debatte fielen zwei Beiträge besonders auf, der von Brigitte Forßbohm aus Wiesbaden (Hessen) und von Martin Striegnitz aus Treptow-Köpenick (Berlin). Beide Delegierte sprachen in aggressivem Ton gegen den Antrag und unterstellten den Antragstellern politische Naivität. Sie beschworen die Gefahr eines russischen Angriffs auf NATO-Staaten und kritisierten harsch die den Antrag bestimmende Orientierung gegen Aufrüstung und Militarisierung. Sie benutzten den Begriff nicht; aber in der Sache plädierten sie für die Erlangung von Kriegstüchtigkeit. Der Beifall für diese Beiträge hielt sich in Grenzen und erfolgte lediglich punktuell, dort allerdings frenetisch. Letztlich, auch hier zeigte sich die Souveränität des Parteitages, wurde der friedenspolitische Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Uneingeschränkte Zustimmung erhielt auch der vom Parteivorstand eingereichte Leitantrag »Wir sind die Hoffnung!«. Im Vorfeld des Parteitages waren 217 Änderungsanträge gestellt worden, darunter vier von der KPF initiierte – unterstützt von der Sozialistischen Linken, der BAG Frieden und internationale Politik, der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik, dem OV Berlin Marzahn-NOW, der Landesarbeitsgemeinschaft »Auch wir sind die Linke – Treptow-Köpenick« sowie von 28 Parteitagsdelegierten. Alle vier Änderungsanträge wurden sinnwahrend teilübernommen.

Die Verhandlungen zu Teilübernahmen erfolgten während des laufenden Parteitages selbst, nachdem es auf entsprechenden Verhandlungen im Vorfeld des Parteitages seitens des Vorstandes so gut wie keine Kompromissbereitschaft gegeben hatte.

Es ist gut, dass unsere besonders auf die Bewahrung der programmatischen, friedenspolitischen Grundsätze zielenden Änderungsanträge zum Bestandteil des Leitantrages wurden. Aber wir dürfen uns keinen Illusionen hinsichtlich der bevorstehenden programmatischen Debatte hingeben. Einiges spricht dafür, dass der Umgang mit unseren Änderungsanträgen und auch mit den friedenspolitischen Anträgen auf durchaus taktischen Erwägungen der Vorstandsmehrheit beruhte. Es sollte wohl vermieden werden, dass die in der Linken nach wie vor existierenden essenziellen Differenzen in der Friedensfrage vor laufenden Kameras bezeugt werden. 

Die Mehrheiten wurden dennoch im Verlaufe des Parteitages stetig deutlich. Im Rahmen der auf nur 90 Minuten angesetzten Generaldebatte äußerten sich 25 Genossinnen und Genossen. Bei 12 von ihnen spielte das Friedensthema eine maßgebliche Rolle und mit einer Ausnahme (auch hier Brigitte Forßbohm aus Wiesbaden) sprachen alle im Sinne der in unserer Partei geltenden friedenspolitischen Prinzipien. Auch die Annahme des Antrages »Vertreibung und Hungersnot in Gaza stoppen – Völkerrecht verwirklichen!« oder des Antrages »Gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und anderer Zwangsdienste – für die Selbstbestimmung der Jugend!« zeugten von der Lebendigkeit dieser Prinzipien in der Linken. Wir müssen wohl auch künftig damit leben, dass einige – vor allem außerhalb der Partei – dies alles nicht zur Kenntnis nehmen und der Linken absprechen, Friedenspartei zu sein, weil manche führende Protagonisten in regelmäßigen Abständen gegen friedenspolitische Beschlusslagen verstoßen.

Um Missverständnisse an dieser Stelle zu vermeiden: Wir wissen, dass solche führenden Genossinnen und Genossen innerparteilich einflussreich sind und über entsprechende Mittel verfügen, ihren Einfluss zu bekräftigen. Und wir haben nicht nur einmal das Messen mit zweierlei Maß erlebt. Die einen dürfen gegen geltende Beschlüsse verstoßen; die anderen nicht. Wir sind uns dieser Tatsachen bewusst und gerade deshalb ist uns jeglicher nicht bilanzierter Optimismus fremd; aber ebenso wenig waren und sind wir bereit, positive Entwicklungen zu negieren.

Die bevorstehende programmatische Debatte

Die Auseinandersetzung um die Bewahrung der friedenspolitischen Grundsätze erfolgte in Vorbereitung des Parteitages und auch in Chemnitz selbst aus den angenommenen Gründen nur partiell öffentlich, und dennoch ist klar geworden, was uns in der kommenden programmatischen Debatte bevorsteht.

Es wird nicht zuletzt um folgende Fragen gehen:

  1. Ist der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine Ausdruck russischer Aggressivität, oder gäbe es diesen Krieg voraussichtlich nicht ohne die wortbrüchige NATO-Osterweiterung und die besonders daraus resultierende Missachtung russischer Sicherheitsinteressen? Traumatisieren die unermesslichen Opfer, die die Sowjetunion im Kampf gegen den deutsch-faschistischen Aggressor erbrachte, bis heute die Generationen, oder sind 27 Millionen Opfer, darunter besonders Russen und Belarussen, nach mehr als 80 Jahren nur noch eine abstrakte Erinnerung? Wissen Deutsche heutzutage noch etwas über den in der Sowjetunion von ihren Großvätern und Urgroßvätern geführten Vernichtungskrieg?
     
  2. Droht der Bundesrepublik Deutschland die Gefahr, angegriffen zu werden, oder dient das Heraufbeschwören einer solchen Gefahr der ideologischen Begründung für eine Aufrüstung und eine alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringende Militarisierung, wie es sie hierzulande seit 1945 nicht mehr gegeben hat?
     
  3. Bietet die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO und in den militärischen Strukturen der EU Schutz, oder gefährden NATO und hochgerüstete EU den Weltfrieden?

Die mehrheitlich auf diese Fragen gegebenen Antworten werden über den Charakter unserer Partei als Friedenspartei entscheiden. Die prinzipielle Haltung der KPF zu diesen Problemkreisen bleibt unverändert:

  • Wir lehnen das Heraufbeschwören eines von Russland gegen die NATO geführten Krieges als eine, die Russophobie gefährlich befördernde, antirussische Propaganda ab.
  • Unser Verhältnis zum deutschen Militarismus und daher zur laufenden Militarisierung bleibt absolut kompromisslos. Uns graut vor dem deutschen Bestreben, Führungsmacht im europäischen Teil der NATO und in der EU zu werden. Der deutsche Militarismus war und ist eine Plage und hat der Menschheit bereits zwei Weltkriege beschert.
  • Wir wollen keine deutsche Kriegstüchtigkeit, keine NATO und keine militarisierte EU. Wir wollen Friedenstüchtigkeit und sind daher gegen Aufrüstung, gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland, gegen Waffenlieferungen, Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Wehrpflicht und gegen alle anderen Bestandteile der Kriegsvorbereitung.

Wir bitten alle Genossinnen und Genossen, die mit uns in diesen Fragen übereinstimmen, um ihre Unterstützung überall in der Partei – in den Basisorganisationen, in den Kreis-, Bezirks- und Ortsverbänden und in den Ländern. Wir werden wie bisher die enge Zusammenarbeit mit allen sich den friedenspolitischen Grundsätzen verpflichtet fühlenden Zusammenschlüssen gestalten. Die Linke muss Friedenspartei bleiben!

 


[1] Alle Beschlüsse der 3. Tagung des 9. Parteitages vom 9. bis 10. Mai 2025 in Chemnitz sind (bzw. werden) veröffentlicht unter:
www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteitag/chemnitzer-parteitag/chemnitzer-parteitag-2025/.
Dort sind auch die Videoaufzeichnungen vom 9. und 10. Mai verfügbar, die Diskussion zu den friedenspolitischen Anträgen ist in der Aufzeichnung vom ersten Tag ab 4:29:15 zu finden.