Kommunistische Plattform der Partei Die Linke
Bericht des Sprecherrates an die 1. Tagung der 15. Bundeskonferenz
Berichterstatter Friedrich Rabe
Liebe Genossinnen und Genossen, seit dem 20. März 2010 liegt der Öffentlichkeit der Entwurf eines neuen Parteiprogramms der LINKEN vor. Keiner wird eine Woche später eine umfassende Analyse von uns erwarten. Wir gehören gemeinsam mit Genossen des Marxistischen Forums zu den Verfassern des Offenen Briefes "Fünf Fragen – Fünf Überlegungen". Dies ist unsere Antwort auf ein Schreiben, mit dem sich der Parteivorstand am 17. Oktober 2009 an die Parteibasis wandte. In unserem Papier sind auch die Grundansprüche an ein linkes Parteiprogramm formuliert. Bei nicht wenigen Übereinstimmungen mit dem vorliegenden Programmentwurf gibt es selbstverständlich auch Differenzen. Jetzt kommt es darauf an, daß Kommunistinnen und Kommunisten überall in der Partei aktiv an der Organisierung der Programmdebatte mitwirken und dabei ihren inhaltlichen Beitrag leisten. Eines läßt sich bereits heute klar sagen – davon zeugen auch die massiven Angriffe von FdS-Protagonisten, SPD- und Grünenpolitikern und der einschlägigen Medien auf den Programmentwurf: Er ist zu verteidigen. Das schließt Anträge nicht aus, sehr wohl aber jede linke Korrespondenz mit den Angriffen von rechts. Der Bundeskoordinierungsrat wird sich auf seiner Beratung am 8. Mai gründlich mit dem vorliegenden Entwurf befassen. Wir gehen davon aus, daß bis dahin den Landessprecherräten schon erste Einschätzungen über entsprechende Diskussionen an der Basis vorliegen werden, und daß der Bundeskoordinierungsrat in der Lage sein wird, eine fundierte Stellungnahme zu den aktuellen Aufgaben der KPF bei der Weiterführung der Programmdebatte abzugeben.
Liebe Genossinnen und Genossen, es ist ein Gebot der Stunde, daß der Programmentwurf ein eindeutiges Bekenntnis zu den geltenden friedenspolitischen Prinzipien der LINKEN enthält. Auf der Rosa Luxemburg Konferenz am 9. Januar 2010 sagte – per Videoübertragung aus Toronto zugeschaltet – Michel Chossudovsky, die Welt stehe am Vorabend eines "unbegrenzten Krieges", dem alles untergeordnet sei. Rüstungsaufwendungen, damit einhergehende Staatsverschuldung, Telekommunikationskonzerne, Medien.
Atomwaffen seien laut Beschluß des US-Senats nicht mehr "Waffen des letzten Zugriffs". Krieg würde Frieden genannt, Widerstand Terrorismus, Töten von Menschen humanitäre Aktion.
Der eine oder andere mag das für übertrieben halten. Viele Menschen werden dieser Einschätzung irgendwo zustimmen und sie achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Das Schulterzucken steht für Ohnmacht, für die Frage: Was kann man schon ausrichten gegen die Herren der Welt? Andere sind bereit, sich zu wehren. Die Vorstellungen darüber, was das heißt, sind so vielfältig, wie Linke und Humanisten in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichen Strukturen agieren. Allerdings kann das Betrübtsein über diese Zersplitterung auch noch die bescheidenen Kräfte absorbieren, die eigentlich für den Kampf gebraucht werden. Unsere gegenwärtige, diese Situation betreffende Antwort ist die Empfehlung, daß jeder – dort wo er organisiert ist oder auch als Einzelkämpfer – das Seine tut. Einen anderen Weg, Zersplitterung zu überwinden, gibt es zur Zeit wohl nicht.
Erfahrungen aus der politischen Aktion
In der politischen Aktion liegen Notwendigkeit und Möglichkeiten gemeinsamen Kämpfens in Bündnissen. Davon zeugte erneut die Ehrung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht anläßlich des 91. Jahrestages ihrer Ermordung durch die Freikorpssoldateska auf Befehl Noskes. Wohl die meisten der an der Organisation der Ehrung – und speziell der Demonstration – Beteiligten schliefen in den Nächten vor dem 10. Januar nicht gerade ruhig. Katastrophal schlechtes Wetter war angesagt und niemand wußte, wie der Sonntagvormittag in Berlin aussehen wird und wie viele es sein würden, denen die Anreise in die Hauptstadt aus wetterbedingten Gründen nicht gelingt. Tatsächlich nahmen an der Ehrung nur etwa halb so viele Genossinnen und Genossen teil, wie beispielsweise im vergangenen Jahr. Die Anzahl der alten und älteren Mitstreiter, die in Anbetracht teils spiegelglatter Straßen aus gutem Grund zu Hause blieben, muß in die Zehntausende gegangen sein. Natürlich fürchteten die für die Durchführung der LL-Demonstration Verantwortlichen, daß auch sehr viel weniger vom Frankfurter Tor bis zum Friedhof der Sozialisten marschieren würden. Um so mehr waren wir darüber erfreut, daß – je näher der Abmarschzeitzeitpunkt rückte – desto mehr Demonstranten aus dem U-Bahnhof strömten. Während der Demonstration gesellten sich stetig weitere Teilnehmer hinzu und wir kamen mit etwa 9000 Mitstreitern in der Gedenkstätte an, und das, obwohl eine Reihe von Bussen Berlin nicht erreicht hatte. Die Demonstration war auffallend jung, kämpferisch und diszipliniert. Vorkommnisse gab es nicht. Es blieb und bleibt dabei: Die Luxemburg-Liebknecht-Ehrung in ihrer Einheit von Stillem Gedenken, Demonstration und Kranzniederlegung am Landwehrkanal ist die größte linke Manifestation in Deutschland, mit zunehmender internationaler Beteiligung.
Daß in der politischen Aktion Notwendigkeit und Möglichkeiten gemeinsamen Kämpfens in Bündnissen liegt, davon zeugten auch die Ereignisse vom 13. Februar. Sicher sind nicht wenige von Euch vor sechs Wochen mit in Dresden gewesen. Zwölftausend Antifaschisten verhinderten, daß die Nazis ihren von den Gerichten gestatteten Aufmarsch durchführen konnten. Sie harrten in der Kälte sieben Stunden und länger an den fünf Blockadepunkten auf der Straße aus. Die Polizei hätte an diesen Stellen jeweils gegen Tausende mit brutaler Gewalt – Wasserwerfer und Tränengas eingeschlossen – vorgehen müssen, wäre der politische Wille der Einsatzverantwortlichen hierzu vorhanden gewesen. Diesen politischen Willen gab es offensichtlich in Anbetracht der beachtlichen antifaschistischen Mobilisierung nicht. Entscheidend war, daß die Antifaschisten ausharrten bis zum Schluß und daß Provokateuren, die bei solchen Gelegenheiten immer vor Ort sind, keine Chance gegeben wurde. Es gab nur einzelne Vorkommnisse. Wichtig war ebenso, daß die jungen Antifas nicht alleine gelassen wurden: Tausende ältere Gewerkschafter, Linksparteimitglieder, Sozialdemokraten und auch Grüne, Genossinnen und Genossen aus DKP, MLPD und KPD, Mitglieder der VVN/BdA und parteilose Antifaschisten reiferen Alters standen ihnen zur Seite. Auch das dürfte mit Sicherheit zum friedlichen Verlauf der Aktion beigetragen haben. Dort, wo Genossen des Bundessprecherrates mit anderen KPF-Genossinnen und Genossen standen, kam gut zwei Stunden vor Schluß ein Lautsprecherwagen, und es war so für notwendige Informationen und Musik gesorgt. Tanzen tat besonders gut bei der Kälte, die inzwischen allen in die Knochen gekrochen war. Die, die den Versuch machten, mit Polizisten zu sprechen, welche in der Kette den Zugang zum Neustädter Bahnhof absperrten, stellten fest, daß auch hier jede Pauschalisierung fehl am Platze ist. Von denen, sie stammten im konkreten Fall aus Nürnberg, wird so mancher nachdenklich nach Hause gefahren sein. Solche antifaschistischen Aktionen, wie die in Dresden, sind von großer Bedeutung. Wenn Nazis nicht an Grenzen stoßen, ist was sie anrichten irgendwann grenzenlos grauenhaft. Das ist keine der Vergangenheit angehörende Tatsache. Das gilt, solange es Nazis gibt. Und die werden gegenwärtig nicht weniger, sondern mehr. Und noch etwas: Natürlich werden wir als Kommunistinnen und Kommunisten nächste Woche bei den Ostermärschen dabei sein, ebenso wie bei den Demonstrationen und Kundgebungen am 1. Mai.
Versuchen wir das Unmögliche
Liebe Genossinnen und Genossen, zurück zu den Ausgangsüberlegungen, zu Michel Chossudovsky. Kommt nicht sofort die Frage auf, was es schon sei, einige tausend Linke unterschiedlichster Strömungen zu einer Demonstration oder – wie in Dresden – zu einer Blockade zusammenzuführen, in einer Situation, da die Welt möglicherweise am Vorabend eines "unbegrenzten Krieges" steht? Gegenfrage: Verzichtet nicht, wer so herangeht, auf das möglich zu Tuende? Nun kennen wir alle Che Guevaras Worte: Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche. Hinter seiner Aufforderung, daß Unmögliche zu versuchen, versteckt sich unseres Erachtens kein Wunschdenken. Vielmehr liegt dieser Äußerung wohl eine äußerst realistische Einschätzung des Imperialismus zugrunde. Che war sich dessen bewußt, was es bedeutet, sich der Brutalität und den Ressourcen des Kapitals entgegenzustellen. Und zugleich wußte er: Ohne den Profitmechanismus zu brechen, gibt es für die Zivilisation keine Chance. Er war mit diesen Worten bei Rosa Luxemburg: Sozialismus oder Barbarei. Und er äußerte dies in einer Zeit, als wir, zumindest die Älteren unter uns, noch der felsenfesten Überzeugung waren, das Rad der Geschichte ließe sich nie wieder zurückdrehen. Dort, wo der Sozialismus einmal zur Macht gekommen sei, würde diese nie mehr aus den Händen gegeben werden. Wir erfuhren bitter, daß wir irrten. Che Guevara war in diesem Punkt – in anderen eher nicht – der größere Realist. Wenn wir also Che nicht unterstellen, er habe dafür plädiert, auf Mögliches zu verzichten, sondern seine Worte als Appell verstehen, keinerlei Illusionen aufkommen zu lassen, über die ungeheure Schwierigkeit, den Kapitalismus zu überwinden, dann ist das zugleich die Selbstaufforderung, nicht zu resignieren. Konzentrieren wir uns auf das Mögliche, damit wir das uns momentan schier unmöglich Erscheinende nicht aufgeben müssen. Worin besteht das Wesen unseres Kampfes in der Partei die LINKE?
Wir wollen, daß die LINKE in diesem Land linke Politik macht. Dies zu realisieren ist alles andere als leichter geworden, nachdem Oskar Lafontaine am 23. Januar 2010 erklärte, daß er aus gesundheitlichen Gründen auf dem Rostocker Parteitag nicht wieder für den Parteivorsitz kandidieren werde und sein Bundestagsmandat zurückgab. Dennoch ändert das nichts an unseren Maßstäben: Wir wollen, daß unsere Partei an den bisherigen friedenspolitischen Prinzipien festhält und all jene Menschen nicht hinters Licht führt, die in ihr die einzige Partei sehen, die auch in den Parlamenten die Interessen all derer vertritt, die keine Lobby haben. Wir wollen eine Partei, die Widerstand leistet gegen die beängstigend zunehmenden Repressionen im Innern unter der Flagge der vermeintlichen Terrorbekämpfung. Wir wollen eine Partei, die im Kapitalismus nicht die letzte Antwort der Geschichte sieht, die den sozialistischen Gedanken wach hält und nicht zuletzt deshalb Respekt vor der eigenen Geschichte hat – im Westen wie im Osten. Wir wissen, daß es eine solche LINKE in Reinkultur nicht gab und gibt – auch unter Oskar Lafontaine war das nicht der Fall. Es gab und gibt starke andere Tendenzen – besonders jetzt – geboren vor allem aus dem Bestreben, beinahe um jeden Preis in Regierungen zu wollen. Welche faulen Kompromisse hieraus nicht selten erwachsen, ist hinlänglich bekannt. All unsere Bemühungen zielen darauf, gemeinsam mit vielen Genossinnen und Genossen an der Basis, mit anderen Zusammenschlüssen, die partiell ähnliches wollen wie wir, jene Tendenzen in der Partei zu stärken, die uns eine wahrnehmbare Opposition gegen die bestehenden Verhältnisse sein lassen, die, wie es auch im Programmentwurf steht, einen Systemwechsel wollen. Dafür zu kämpfen, ist das für uns gegenwärtig Mögliche im Rahmen dessen, das Unmögliche zu versuchen.
Liebe Genossinnen und Genossen, die richtigen Tendenzen zu stärken setzt allerdings eines voraus: daß die Partei existiert.
Eine Plattheit? Nehmen wir die Zeitspanne seit unserer letzten Bundeskonferenz, so muß die Frage verneint werden. Die innerparteilichen Zuspitzungen, die mit dem Bekanntwerden der Erkrankung Oskar Lafontaines Ende 2009 begannen und die mit seinem faktischen Amtsverzicht nicht beendet waren und sind, hatten und haben Beschädigungen der Partei nach sich gezogen, die zerstörerisch wirken können. Auf den Sitzungen des Bundeskoordinierungsrates am 9. Januar 2010 und am 6. Februar 2010 haben wir uns zur Lage und den daraus resultierenden Schlußfolgerungen verständigt. Unsere Kernüberlegungen waren nicht personeller, sondern inhaltlicher Art. Wir gingen und gehen von einer Situation aus, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sich die Herrschenden darauf vorbereiten, ihr System mit allen Mitteln zu verteidigen. Ob ein Flugzeuganschlag vermutlich vorgetäuscht wird, um sogenannten Körperscannern zum Durchbruch zu verhelfen und um ein weiteres arabisches Land zur Zielscheibe des Imperialismus zu machen, ob es der Putsch und der Terror in Honduras ist oder die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan – dies und unendlich vieles mehr soll der Befestigung der Kapitalherrschaft dienen. Begleitet wird das von einem immer militanteren Antikommunismus, nicht zuletzt in Osteuropa. Auch heute noch – beinahe zwanzig Jahre nach der staatlichen Auflösung der Sowjetunion – drückt sich in den meisten früheren Warschauer Vertragsstaaten Antikommunismus in Antisowjetismus aus. Und da der Antikommunismus in Osteuropa ohne Geschichtsrevisionismus nicht zu haben ist, feiern Faschisten dort, aber nicht minder in Italien, Spanien und anderen westeuropäischen Ländern, fröhliche Urständ. Und auch hierzulande werden Antikommunisten immer lauter und dreister. Der Antikommunismus ist nach wie vor die Hauptmethode, alle Kräfte zu bekämpfen, die sich gegen die reaktionäre Gesamtentwicklung zur Wehr setzen oder auch nur die Potenz in sich tragen, dies morgen zu tun.
Nicht zuletzt gegen die LINKE läuft ein massiver, auf Zerstörung ausgerichteter Angriff. Der Pappkamerad, der die Sicht darauf verstellen soll, worauf wirklich gezielt und geschossen wird, heißt Ost-West-Konflikt. Zu diesem Thema äußerten wir uns bereits im April 2008 auf einer Bundeskonferenz in aller Deutlichkeit: "Die Linken im Osten wie im Westen", so formulierten wir, "die diese Spaltungsideologie durchschauen, sollten gemeinsam alles dafür tun, damit diese nicht wirkt. Dazu bedarf es einer Voraussetzung: wir müssen aufeinander zugehen, müssen versuchen, uns zu verstehen – aus unserer unterschiedlichen gesellschaftspolitischen und sozialen Herkunft heraus. Einen einfacheren Weg gibt es nicht".
Opponieren oder Koalieren
Diese Schlußfolgerung ist nach wie vor aktuell. Auch deshalb haben wir uns sehr bewußt nicht an den unsäglichen jüngsten Personaldebatten beteiligt. Wir werden zu keinem Zeitpunkt an Auseinandersetzungen teilnehmen, die fast ausschließlich auf Gerüchten basieren. Einerseits ist es, wenn sich die Gerüchte häufen, kaum möglich, einzuschätzen, was da im einzelnen läuft und andererseits liegt auf der Hand, wohin das, was da läuft, führen kann. Das ist ein typisches Charakteristikum für Zersetzungsprozesse. Und da machen wir nicht mit. Inzwischen sind wenigstens die inhaltlichen Konfliktpunkte benannt: Es geht – grob verkürzt – um das in unserer Partei alte Thema: Opponieren oder Koalieren – auch auf Bundesebene? Wo die KPF in dieser Frage steht, ist hinlänglich bekannt und daher haben wir ein Problem damit, wenn Dietmar Bartsch sagt: "Klar und eindeutig: Ich befürworte Regierungsbeteiligungen der LINKEN auf klarem inhaltlichem Fundament, die unsere politischen Vorstellungen durchsetzen helfen". Die Begriffe klar und eindeutig stehen hier für Schwammigkeit. Gemeint war auch nicht NRW. Den Genossen dort wurden ja zunächst andere Ratschläge erteilt. Wir wünschen der LINKEN in NRW beste Wahlergebnisse am 9. Mai. Und wir grüßen alle Antifaschisten, die sich an diesem Wochenende im Ruhrgebiet den Nazis in den Weg stellen.
Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben auch ein Problem damit, wenn Lothar Bisky in aller Öffentlichkeit darüber nachdenkt, daß eine Vereinigung zwischen SPD und der LINKEN irgendwann vorstellbar sei. Wenn just zu diesem Zeitpunkt Gabriel und Bartsch miteinander frühstücken, dann ist das Ganze keine Kleinigkeit.
Am 11. Januar 2010 wandte sich Gregor Gysi gegen ein Klima der Denunziation in der Partei. Aber der Streit war und ist nicht beendet. Daher war die politische Außenwirkung der LINKEN in den ersten Wochen des Jahres beinahe paralysiert. Es gab kaum eine parteiöffentliche Reaktion auf Meldungen, die ein Schlaglicht auf die wachsende soziale Misere warfen. So darauf, daß die Zahl "normaler" Arbeitsverhältnisse mit unbefristetem Vertrag und einer Arbeitszeit von mindestens 30 Wochenstunden in der BRD seit 2001 drastisch zurückging und daß nur noch rund 60 Prozent aller Beschäftigten im Alter zwischen 26 und 64 Jahren über einen unbefristeten Vollzeitarbeitsplatz verfügen. Gegenüber 2001 bedeutet das einen Rückgang um 4,6 Prozentpunkte. Dagegen nahmen Teilzeitjobs und befristete Beschäftigungsverhältnisse deutlich zu. Untrennbar mit diesen Tatsachen verbunden gab es in Deutschland eine schwache Lohnentwicklung. Auch die Forschungsergebnisse des Sigmund Freud Instituts, vorgestellt von Prof. Rolf Haubl am 10. Januar 2010, nutzte die LINKE nicht offensiv: Ständige Beschleunigung im Arbeitsleben, so Haubl, sowie dauernde Veränderungen von Arbeitsinhalten zehrten an physischen und psychischen Kräften der Beschäftigten. Das Betriebsklima in Organisationen und Betrieben werde zunehmend schlechter. Angestellte fühlten sich mitunter schlechter behandelt als Maschinen. Vor allem junge Menschen litten darunter, daß nur noch kurzfristige Arbeitsverträge abgeschlossen würden, dadurch entstehe Neid gegenüber jenen Beschäftigten, die noch ein langfristiges Arbeitsverhältnis mit mehr Sicherheiten hätten eingehen können. Die Abteilung Controlling gewinne in Betrieben und Organisationen größere Macht. Zunehmender Konkurrenzdruck und Unkollegialität seien die Folgen. ... Im Gegensatz zum von Arbeitgebern häufig beklagten hohen Krankenstand in früheren Zeiten kämen in den vergangenen Jahren Menschen trotz Krankheit in den Betrieb, obgleich sie gar nicht arbeitsfähig seien. All das führe häufig zu Depressionen – wobei es sich um nach innen gewendete Aggressionen handele. Soweit Prof. Haubl. Nicht von Randerscheinungen ist die Rede, sondern von zunehmend bestimmenden Ausbeutungstendenzen in diesem Land und den Auswirkungen auf die Persönlichkeitsstrukturen ungezählter Menschen. Die einen werden krank, weil sie, in Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren, anormal viel arbeiten, und die anderen, weil sie keine Arbeit haben.
Den Entwurf des Parteiprogramms verteidigen
Liebe Genossinnen und Genossen, zurück zur Situation in der LINKEN. Nicht durch kräftige Oppositionsarbeit machte sie zu Jahresbeginn von sich reden, sondern durch einen scheinbar personellen Streit. Bartsch contra Lafontaine, so wurde es der Öffentlichkeit vermittelt. Die Kommunistische Plattform hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur einmal für den wesentlich von Lafontaine geprägten Kurs der LINKEN ausgesprochen, und sie wird diesen Kurs verteidigen, indem sie den vorliegenden Programmentwurf verteidigt. Wir bedauern es außerordentlich, daß die Gesundheit es Oskar Lafontaine nicht erlaubt, seine Arbeit an der Spitze der Partei fortzusetzen und wir wünschen ihm heute erneut nachhaltige Genesung. Der Bundessprecherrat hat am 23. Januar 2010 in einer Erklärung seine Position zu den von ihm angekündigten Entscheidungen öffentlich gemacht. Darin heißt es: "Oskar Lafontaine handelte gegen den zunehmenden Widerstand jener Kräfte in der Partei, die beinahe ausschließlich auf Regierungsbeteiligungen fixiert sind und daher kaum noch Bedingungen hierfür hinterfragen". Der KPF war seit geraumer Zeit bewußt, daß es sich nicht schlechterdings um einzelne Protagonisten in der LINKEN handelt, die sich dem Kurs Lafontaines widersetzten. Vielmehr konstatierten wir, daß es sich um die Vertreter einer Richtung handelt, denen dieser Kurs nicht paßt. Diese haben sich eine Struktur geschaffen: Das FdS. Der Unterschied zwischen der von Lafontaine vertretenen Richtung und der des FdS besteht nicht darin, daß Lafontaine gegen jegliche Regierungsbeteiligung ist und das FdS dafür. Der Unterschied besteht darin, daß Lafontaine klare Bedingungen formuliert, die bei einer Regierungsbeteiligung gegeben sein müssen, so wie im vorliegenden Programmentwurf fixiert, und dem FdS Regierungsbeteiligung offenkundig ein Wert an sich ist. Daraus ergibt sich, daß letztere zu Kompromissen bereit waren und sind, die die Identität der LINKEN konterkarieren. Erinnert sei nur an wesentliche Punkte des Brandenburger Koalitionsvertrages. Die KPF stimmte und stimmt mit Lafontaine natürlich nicht in allen Punkten überein, aber sie verstand zunehmend, daß die durch ihn verkörperte politische Linie die Partei wieder mehr nach links gerückt hat. Sie steht den vom FdS vertreten Positionen im Wesentlichen ablehnend gegenüber. Die Unterschiede zwischen dem marxistisch orientierten Flügel der Partei und jenem, der der Staatsraison nahe ist, werden sich in der Programmdebatte nicht weniger deutlich zeigen, als zum Beispiel im Kontext mit den Vorgängen um den von der Rosa-Luxemburg-Stiftung abgesagten Auftritt von Norman Finkelstein oder dem faktischen Verbot der Diskussion mit Hermann Dierkes in der Geschäftsstelle der LINKEN Berlin-Pankow. Wir teilen in diesem Zusammenhang die in der jW vom 25. März 2010 veröffentlichten Positionen in der von Harri Grünberg erarbeiteten Stellungnahme der "Sozialistischen Linken".
Liebe Genossinnen und Genossen, bei der vor dem 23. Januar 2010 geführten Personaldebatte sollte das Kräfteverhältnis in der LINKEN zunächst einmal scheinbar an Inhalten und – was mindestens ebenso wichtig ist – an der Basis vorbei geändert werden. Statt über Krieg und Frieden wurde über Bartsch oder Nicht-Bartsch diskutiert; statt über bedingungslose Regierungsbefürworter und entgegengesetzte Basisstimmungen wurde über Pseudo-Ost-West-Konflikte debattiert. Und zwar von den Regierungsbefürwortern ebenso, wie von einem Teil derer Kontrahenten. Auf der Strecke blieb ein Teil der Glaubwürdigkeit unserer Partei. Die uns wählten – und hier sei noch einmal an den sich stetig ausweitenden Niedriglohnsektor, die steigende Arbeitslosigkeit und den diese Entwicklungen begleitenden Zynismus nicht nur eines Westerwelle oder Sarrazin erinnert - erwarten anderes von uns als ätzende, weil für die Masse nicht nachvollziehbare innerparteiliche Personal-Auseinandersetzungen.
Noch einmal zum Umgang mit der Geschichte
Das Verhältnis der Partei zur Frage, ob das Primat ihrer Politik in der Opposition oder im Streben nach Regierungsbeteiligung liegt, bestimmt auch ihren Umgang mit inhaltlichen Grundpositionen. Das haben wir schon oft erklärt und werden nicht müde, es zu wiederholen. Vorgänge, die dies belegen, gibt es leider zur Genüge. Erinnert sei nur an die sogenannte Stasidebatte in Brandenburg. Nun gab es auch unter uns Genossen, die meinten, dort sei es um die Ehrlichkeit im Umgang mit der Partei gegangen. Schließlich gäbe es einen Beschluß, daß jeder, der für das MfS gearbeitet habe, dies offen legen müsse, wenn er sich um irgendein Amt bewerbe. Konfrontiert man Genossen, die diese Auffassung vertreten, mit dem Problem, daß eine solche Offenlegung zu nachhaltigen, zum Beispiel beruflichen Beschädigungen führen könne, so lautet nicht selten die Antwort: "Es muß ja keiner Landtagsabgeordneter werden. Wenn er es denn aber will, so muß er das Risiko in Kauf nehmen". Zunächst einmal: Diese Argumentation hat einen rationellen Kern. Natürlich muß keiner Abgeordneter werden. Nur: Wie viele Abgeordnete gibt es, die für andere, heute noch tätige Geheimdienste arbeiten, die niemand zur Rechenschaft auffordert? Und wie viele von diesen Abgeordneten sind 1989/90 umgedreht worden, vorher für das MfS oder vielleicht auch das KGB arbeitend, die niemand je zur Rechenschaft ziehen wird, weil die neuen Herren schon dafür sorgen, daß Enthüllungen ausbleiben? Und wenn Enthüllungen sich nicht vermeiden ließen oder lassen, so können die neuen Dienste zumindest dafür sorgen, daß diese für Überläufer nicht karriereschädigend sind. Der Standpunkt, es müsse keiner Abgeordneter werden, kann also zumindest durch die Frage ergänzt werden, warum ein ehemaliger IM, der dies nicht offen legte, schlechtere Chancen haben soll, als ein heutiger V-Mann des BND oder auch der CIA. Nun kann wiederum entgegnet werden: Im Gegensatz zu letzteren sind Sozialisten aber nicht von Karrierewünschen getrieben. Im Großen und Ganzen ist das nicht falsch – aber Karrierebestrebungen gehörten nicht in die SED und es gab sie dennoch und sie gehören nicht in die LINKE, und doch sind sie vorhanden. Das Leben ist nun einmal bunt. Dies zum einen. Zum anderen – und das ist das wesentliche: Es geht nur auf der persönlichen Ebene um Fragen der individuellen Entwicklung, die sich im Selbstverständnis mancher auf den Karrierewunsch reduziert. Auf der politischen Ebene geht es um weitaus mehr. Der MfS-Geheimdienstmann ist eine Unperson. Mitarbeiter der Gestapo, des SD oder der Abwehr Fremde Heere Ost in der BRD waren dies nie. Letztere bauten in der alten Bundesrepublik Geheimdienste und Polizei maßgeblich mit auf.1 Der V-Mann des BND oder auch der CIA ist per se ein Guter, denn er dient einem demokratischen System: Auch, wenn dieses System blutige Kriege führt, reaktionäre Putsche, wie unlängst in Honduras, unterstützt, auch wenn in Guantánamo oder andernorts hin und wieder gefoltert wird und weltweit ein Bespitzelungssystem aufgebaut wurde und wird, daß seinesgleichen sucht. Oder ist ein Nacktscanner keine Bespitzelungstechnologie? Ja – aber gegen die terroristische Gefahr muß man sich doch wappnen, mag nun einer sagen. Lassen wir mal alle Bemerkungen beiseite, die sich zum Thema Terrorismus und Terrorismusvorwand machen ließen. Nehmen wir entgegen besserem Wissen einmal an, wenn von Terrorismus geredet wird, sei nur Terrorismus gemeint. Bleibt dennoch die Frage: Hatte der Sozialismus denn keine Gegner? Es gab nicht nur Terrorakte in sozialistischen Ländern. Es gab zwei Kriege: Die Intervention von siebzehn imperialistischen Staaten gegen das junge Sowjetrußland und den grauenhaften Krieg der Faschisten gegen die Sowjetunion. Aber der Sozialismus durfte sich offenkundig nicht schützen. Es geht nicht um die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit eines IM. Es geht darum, dem Sozialismus a priori das Existenzrecht abzusprechen und damit auch das Recht auf Verteidigung jeglicher Art. Dahin zielt der Umgang mit dem Thema MfS in dieser Gesellschaft. Und das hat die PDS mit ihrem MfS-Beschluß legitimiert.Nun ist Beschluß Beschluß – und wenn er noch so mies ist. Daran kommen auch wir nicht vorbei. Bekanntermaßen bemühen sich der KPF zugehörig fühlende Genossinnen und Genossen nur selten um Mandate jenseits der kommunalen Ebene. Das Problem der persönlichen Beschlußtreue und bürgerlichen Redlichkeit ist für uns also in diesem Punkt im wesentlichen obsolet. Aber unsere Meinung zu Fragen des Umgangs mit der Geschichte werden wir immer sagen, mit oder ohne MfS-Beschluß.
Liebe Genossinnen und Genossen, wir werden alles dafür tun, daß der Umgang mit der Geschichte sachlicher wird. Dazu gehört auch, die Merkwürdigkeiten zu benennen, wie in diesem Land geschichtliche Vorgänge bewertet werden. Und das betrifft bei weitem nicht nur den Umgang mit früheren inoffiziellen Mitarbeitern des MfS. Von dpa war zu erfahren, Westdeutsche hätten sich 2009 mehr für die sogenannte Stasi-Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen interessiert als Ostdeutsche. Nur sechs Prozent der Besucher kamen aus den neuen Ländern. Unter allen Ländern sei Bayern mit 41 000 Besuchern oder einem Anteil von 13 Prozent Spitzenreiter. Platz zwei nimmt NRW mit 36 000 Besuchern (12 Prozent ein). Die Besucherzahlen sind seit der Stiftungsgründung 1994 jährlich gestiegen. 2009 kamen insgesamt 314 000 Menschen, 26 Prozent mehr als im Vorjahr. 19 Prozent mehr Jugendliche und 23 Prozent mehr Ausländer haben die ehemalige Haftanstalt besichtigt. Hier wird gepowert; Reisebüros und Schulklassen, die den Besuch von Hohenschönhausen in ihr Berlinprogramm mit aufnehmen, haben finanzielle Vorteile. Ganz anders verhält es sich mit der Gedenkstätte Plötzensee. In dieser Nazi-Mordstätte wurden von 1933 - 1945 2891 Menschen hingerichtet: Mit dem Handbeil, auf der Guillotine und erhängt an Fleischerhaken. Plötzensee erfreut sich eines weitaus geringeren Interesses. Dort gab es 2009 einen leichten Rückgang von 27 000 auf 26 000 Besucher. Unfaßbar eigentlich. Mehr als das zwölffache an Besuchern in Hohenschönhausen. Da geht es schon nicht mehr um die Gleichsetzung von Hitlerdeutschland und der DDR. Da geht es de facto schon darum, die DDR zum größten aller Übel zu machen. Aber vielleicht sind wir jetzt auch ungerecht. Die DDR muß dem deutschen Kapital auch am übelsten aufstoßen. Mit Hitler als willigem Vollstrecker deutscher Kapitalinteressen, die Superprofite aus der mörderischen Arbeitsklaverei in den deutschen KZs inbegriffen, ging es ihm ja ausgesprochen gut.
Auch solchen Fragen müssen wir uns in der Programmdiskussion mit klaren Positionen stellen, aktuell besonders im Zusammenhang mit dem fünfundsechzigsten Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Wir freuen uns außerordentlich, daß Genosse Professor Moritz Mebel, der als sowjetischer Offizier an der Befreiung Deutschlands teilnahm, heute zu diesem Ereignis und seinen Lehren sprechen wird. Und noch etwas in punkto Geschichtsdebatte: Am 4. Oktober 2009 begannen wir – bei besonderer Verantwortung von Thomas Hecker und der Landessprecherräte – mit dem Vertrieb unserer Geschichtsdokumentation "Klartexte". Per 25. März wurden, den Buchhandel nicht mit eingerechnet, 535 Exemplare verkauft. Wir bitten Euch, in dem Bemühen beim Vertrieb der "Klartexte" nicht nachzulassen. Und: Wir haben heute allen Delegierten das von Werner Wüste herausgegebene Buch "Michael Benjamin: Das Vermächtnis. Zeugnisse eines Sozialisten" für die politische Arbeit zur Verfügung gestellt. Am 7. August 2010 jährt sich zum zehnten Mal der Todestag von Mischa. Wir wenden uns heute daher mit einem Vorschlag an Euch, wie wir weiter mit dem Buch arbeiten sollten.
Nicht am grünen Tisch entscheiden
Liebe Genossinnen und Genossen, nur noch gut sechs Wochen sind es bis zum Rostocker Parteitag. Seit der Nacht zum 26. Januar 2010 schienen die Kandidaten für die künftigen Spitzenfunktionen bei der Linkspartei – zumindest mehr oder weniger - festzustehen. Wir alle erleben das noch nicht beendete, im wesentlichen durch das FdS initiierte Urabstimmungsgerangel – scheinbar um Satzungsfragen, real allerdings eher um das Personaltableau. Natürlich hat Gesine Lötzsch Recht, wenn sie sagt, es sei immer gut, wenn die Basis befragt würde. In diesem Falle hätte es ein Parteitagsvotum allerdings auch getan. Nun ist es, wie es ist, und wir sollten alles tun, damit es auf dem Rostocker Parteitag nicht zu einem Desaster kommt. Dem Personalvorschlag von Gregor Gysi zu folgen, fällt – besonders im Hinblick auf zwei Bundesgeschäftsführer – nicht nur leicht. Das sollte uns nicht dazu verführen, uns auf die vom FdS initiierten Spielchen einzulassen. Ansonsten gilt für uns, was der Sprecherrat der KPF bereits in seiner Erklärung vom 05.02.2010 festgestellt hat: "Die Kommunistische Plattform hat sich aus gutem Grund aus den innerparteilichen Auseinandersetzungen um Personen herausgehalten. Uns geht es um Inhalte. Daher werden wir auch nicht am grünen Tisch unser Verhältnis zu jenem Personaltableau bestimmen, welches sich auf dem Rostocker Parteitag zur Wahl stellen wird. Uns wird einzig und allein interessieren, welche Politik der designierte geschäftsführende Vorstand im Falle seiner Wahl machen wird. Setzt er die erfolgreiche Linie von Oskar Lafontaine fort, so gehört ihm unsere Unterstützung. Ändert er seinen Kurs, um Wege für die Regierungsbeteiligung 2013 zu ebnen, so werden wir uns gegen diesen Kurs stellen". In unserer Erklärung vom 5. Februar 2010 äußern wir uns natürlich auch kritisch zu dem Beschluß, daß sich Mitglieder des Vorstandes allen strömungspolitischen Engagements zu enthalten haben. Zunächst einmal sei in aller Deutlichkeit gesagt: Da die KPF durch ihre Inhalte und die Art und Weise, Politik zumachen, wahrgenommen wird, können wir mit dem Schwachsinn umgehen, der hinter dem eben erwähnten Beschluß steht. Ob sich nun jemand zu der Struktur, der er bzw. sie angehört, bekennen darf oder nicht: Entscheidend ist doch die Gesinnung. Wir können demzufolge damit leben, daß, so wie es in unserer Erklärung heißt, Sahra Wagenknecht ihr Mandat im Bundeskoordinierungsrat mit sofortiger Wirkung niederlegt(e) und ihre Mitgliedschaft in der KPF ruhen läßt, solange oben genannter Beschluß nicht aufgehoben wird und sich auch die anderen Strömungsvertreter im geschäftsführenden Vorstand entsprechender Aktivitäten enthalten. Wir wünschen Sahra für die Lösung der bevorstehenden Aufgaben viel Erfolg.
Liebe Genossinnen und Genossen, auf unserer Bundeskonferenz am 22. November 2009 haben wir in einem prinzipiellen Beschluß fixiert, welches die Schwerpunkte unserer Arbeit sind, und wir wollen heute diesen Beschluß bekräftigen. Im Dezemberheft 2009 der "Mitteilungen" finden sich die beschlossenen Materialien und im Heft 1/2010 die Wiedergabe der Podiumsdiskussion zu programmatischen Fragen. Besonders betonen wir auch heute, daß unsere Hauptanstrengungen darauf gerichtet sein müssen, die friedenspolitischen Prinzipien der Partei zu bewahren. Wir alle waren mehr als befriedigt darüber, wie kämpferisch sich unsere Bundestagsfraktion am 26. Februar 2010 im Zusammenhang mit der Abstimmung über den weiteren Bundeswehreinsatz in Afghanistan verhalten hat. Dafür möchten wir von unserer heutigen Konferenz aus herzlich danken. Illusionen sollten wir uns dennoch nicht machen. Diejenigen in der LINKEN, die 2013 in die Bundesregierung wollen, haben in der Partei großen Einfluß. Und die wollen – um es symbolisch zu sagen – die Revision des Münsteraner Parteitages. In der Programmdebatte wird um die friedenspolitischen Grundsätze unserer Partei die härteste Auseinandersetzung entbrennen. Am 16. März 2010 fand hierzu auf Initiative des Bezirksverbandes Tempelhof-Schöneberg eine Podiumsdiskussion mit Stefan Liebig und Ellen Brombacher statt, die einiges verdeutlichte und Ellen wird darüber in der Diskussion berichten. Eines sei vorweggenommen: All diejenigen, welche um die Bewahrung der friedenspolitischen Prinzipien in der LINKEN kämpfen, werden nur dann eine Chance haben, wenn es gelingt, die Parteibasis für dieses Problem zu sensibilisieren und dahingehend zu aktivieren, Basisstimmungen nachdrücklich Geltung zu verschaffen. Das gelingt nur bei entsprechender Öffentlichkeitsarbeit. Darauf zielt auch der Euch vorliegende Antrag des Bundessprecherrates.
Wir verfügen nur über eine sichere Gewähr, daß unsere Positionen und Aktionen zumindest ein begrenztes Maß an Öffentlichkeit erhalten: Das sind unsere Mitteilungen der Kommunistischen Plattform. Der KPF-Sprecherrat und die Redaktion haben sich am 10. März 2010 zu einer gemeinsamen Beratung getroffen und haben Schlußfolgerungen für die weitere Arbeit gezogen. Der Bundessprecherrat dankte der Redaktion herzlich für die stete und qualifizierte Arbeit. Es ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, seit zwanzig Jahren Monat für Monat eine Publikation herauszugeben, und dies mit stetig wachsender Qualität. Ein besonderes Dankeschön sei heute an Volkmar gesagt, der die Leitung der Redaktion im Februar 2008 übernahm. Im Mai wird sich der Bundeskoordinierungsrat turnusmäßig mit dem Stand der Arbeit mit den Mitteilungen befassen. Noch etwas zur Spendensituation, ausgehend von den Ergebnissen vom 24. März 2010: Auf unserem Spendenkonto befinden sich 4.112,60 Euro. Das ist, verglichen mit den Vorjahren, ein respektables Ergebnis. Zugleich müssen wir feststellen, daß wir von der Mehrzahl der Mitteilungs-Bezieher in diesem Jahr noch keine Spende erhalten haben. Das ist nach drei Monaten auch nichts Ungewöhnliches. Dennoch bitten wir von unserer Konferenz aus alle Leserinnen und Leser der "Mitteilungen", die dies finanziell können, zu spenden.
Bitte an Genossinnen und Genossen, die die Partei verlassen haben
Liebe Genossinnen und Genossen, über die Jahre haben nicht wenige Genossinnen und Genossen die Partei verlassen, weil sie die durch eine Vorstandsmehrheit geprägte politische Linie der Partei nicht länger ertragen wollten und konnten. Besondere Brüche gab es in den neunziger Jahren, vor allem nach der 1. Tagung des 4. PDS-Parteitages, auf dem Antikommunismus in der Partei als eine Art Kavaliersdelikt behandelt wurde. Viele gingen auch im Kontext mit dem so genannten MfS-Beschluß. Als im Vorfeld der rot-roten Berliner Landeskoalition durch Protagonisten der Parteivorstände und -fraktionen gleich mehrere Erklärungen abgegeben wurden, die dem Zeitgeist im Umgang mit der Geschichte entsprachen, kam es wiederum zu einer Austrittswelle. Es gab – nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Beteiligung an Landesregierungen – manche weitere Gründe, die Genossinnen und Genossen den Verbleib in der Partei, wie von André Brie gewünscht, unerträglich machten.
Gerade in den Jahren seit dem Fusionsprozeß und der Vereinigung von WASG und Linkspartei.PDS zur Partei DIE LINKE haben jene Tendenzen in der Partei neuen Aufwind erhalten, die aus der Notwendigkeit, die Systemfrage zu stellen, keinen Hehl machen und die für eine kompromißlose Friedenspolitik und klare Rahmenbedingungen für Regierungsbeteiligungen stehen. Diese Profilierung hat mit den Wahlergebnissen 2009 eine deutliche Bestätigung erfahren. Diese, wesentlich von Oskar Lafontaine mitgeprägte Linie stieß und stößt auf zunehmenden Widerstand durch Protagonisten des FdS. In den letzten Tagen ist das in Reaktionen auf den vorliegenden Programmentwurf erneut besonders deutlich geworden.
Nichts ist entschieden. Die Kommunistinnen und Kommunisten in der LINKEN werden zu all jenen gehören, die diesen Programmentwurf in seinen Wesenszügen verteidigen. Uns stehen harte Auseinandersetzungen bevor und es lohnt sich, daran teilzunehmen – ohne Illusionen, daß es immer nur vorwärts geht. Je mehr wir sind, desto größer die Chancen, daß unsere Partei einen antikapitalistischen Weg gehen wird, der einschließt, in den außerparlamentarischen Bewegungen ebenso zu wirken wie in den Parlamenten, einen Weg, auf dem die alltägliche Kleinarbeit für die Menschen und mit ihnen ein absolutes Muß ist.
Wir bitten Genossinnen und Genossen, welche die Partei verlassen haben, zu prüfen, ob sie zurückkommen wollen, um wieder aktiv an der sozialistischen Profilierung der LINKEN teilzunehmen beziehungsweise diesen Prozeß solidarisch zu begleiten.
Liebe Genossinnen und Genossen, abschließend einige Bemerkungen zur politisch-organisatorischen Entwicklung der KPF: Gegenwärtig sind in der KPF mehr als 1.100 Genossinnen und Genossen der Partei DIE LINKE organisiert, der Trend des kontinuierlichen Zuwachses von ca. 50 Mitgliedern im Halbjahr hält seit nunmehr zwei Jahren an. In Vorbereitung der heutigen Bundeskonferenz wurden in den Bundesländern Landeskonferenzen bzw. Aktivberatungen durchgeführt, auf denen die Delegierten zur Bundeskonferenz und in einigen Fällen auch die Landessprecherräte neu gewählt wurden. In Baden Württemberg konstituierte sich die Landes-KPF. Auf den Landeskonferenzen fand ein lebhafter Erfahrungsaustausch über die geleistete Arbeit und über die Lage in der Partei statt. Die Überlegungen der Genossinnen und Genossen haben in unserem Bericht ihren Niederschlag gefunden. Wir danken den Landessprecherräten für die geleistete Arbeit und wir wissen, daß in den bevorstehenden Kämpfen auf sie Verlaß sein wird.