Probleme und Aufgaben der Friedensbewegung
Lühr Henken, Berlin, Redebeitrag auf der 2. Tagung der 19. Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform
Die völkerrechtswidrigen Angriffe auf Syrien, die auf Russland zielen, und die Verschärfung von US-Sanktionen gegen russische Firmen machen in diesen Tagen deutlich, dass die Konfrontation gegen Russland, die mit dem Amtsantritt George W. Bushs begann, immer härter wird. Wie besorgniserregend sie ist, zeigt sich für mich in dem sehr bemerkenswerten Gastbeitrag in der FAZ vom 12. April, der, verfasst unter anderem von Edmund Stoiber, Horst Teltschik, Günter Verheugen und Antje Vollmer, unter der Überschrift »Dialog statt Eskalation« folgende gute Gedanken enthält: »Das Versprechen vom Ende des Kalten Krieges aus der Charta von Paris (1990) wurde nie eingelöst. Stattdessen wird mit dem Beschwören einer russischen Bedrohung eine neue Aufrüstungsoffensive in Gang gesetzt. Die Spirale aus Maßnahmen und Gegenmaßnahmen löst sich zunehmend von den realen Gründen und Anlässen«. Der Beitrag endet mit folgenden Empfehlungen: »Worauf es in erster Linie ankommt, ist die Überwindung der Sprachlosigkeit. Über alle Konfliktpunkte und Streitpunkte mit Russland muss offen geredet werden, ohne Vorbedingungen und Drohungen. Wir sollten eine Politik entwickeln, die sich ausschließlich am internationalen Recht und an der gemeinsamen Verantwortung für das Schicksal der gesamten Menschheit ausrichtet. Deutschland und die EU sollten dazu die Initiative ergreifen. Die Idee einer gesamteuropäischen Partnerschaft ist zwar nicht neu, aber wartet auf Verwirklichung. Das ist das richtige und große außenpolitische Thema dieser Legislaturperiode. Wer das nicht sehen will, ist blind für die Gefahr eines dritten und letzten Weltkrieges.« [1]
Damit ist der Rahmen abgesteckt. Ich will im Folgenden kurz die NATO-Aufrüstungspolitik gegen Russland beschreiben, die deutschen Aufrüstungsplanungen und die EU-Militarisierung darstellen, die Rüstungsexportpolitik und die Drohnenbeschaffung skizzieren sowie wichtige Aktivitäten der Friedensbewegung ansprechen.
Russland muss sich bedroht fühlen
Was uns Sorgen macht, ist die Aufrüstungspolitik der NATO. Ihr Beschluss vom September 2014, die Militärausgaben ihrer europäischen Mitglieder binnen 10 Jahren möglichst auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung anzuheben, ist gegen Russland gerichtet. Russlands Reaktion auf den Rechtsputsch in der Ukraine wertet die NATO als Aggression. Die europäischen NATO-Militärhaushalte würden 2024 um rund 90 Mrd. auf jährlich 340 Mrd. Dollar wachsen, [2] wenn die Planung umgesetzt würde. Zum Vergleich: der russische Militärhaushalt lag laut SIPRI 2016 bei 69 Mrd. Dollar.
Behauptet wird, die NATO-Aufrüstung solle Russland abschrecken, sei für die Stärkung der Landes- und Bündnisverteidigung. Es fragt sich, wozu angesichts der realen Kräfteverhältnisse zwischen NATO und Russland da noch abgeschreckt werden soll? Ein Vergleich der konventionellen Bewaffnung, den die Deutsche Welle im Februar veröffentlichte, macht die drückende NATO-Überlegenheit deutlich: Die NATO verfügt mit knapp 3,5 Mio. Soldaten über das 4,4-fache Russlands, die NATO hat 25 Prozent mehr Kampfpanzer, sie hat das 2,8-fache an Kampfhubschraubern, das Vierfache an Erdkampf- und Kampfflugzeugen, das 2,7-fache an Zerstörern, Fregatten und Korvetten, das 2,6-fache an U-Booten. Während die NATO-Staaten 27 Flugzeugträger nutzen, hat Russland nur einen. Bei den Militärausgaben ist die NATO-Übermacht am deutlichsten: mit 881 Mrd. US-Dollar gibt sie das 13-fache aus wie Russland. Nur in einem einzigen Rüstungsbereich hat Russland mehr als die NATO: Es hat 8 Prozent mehr Artilleriesysteme. [3] Russland muss sich angesichts dieser Übermacht bedroht fühlen und versucht diese konventionelle Unterlegenheit mit taktischen Atomwaffen auszugleichen, sagt Hans Kristensen von der Federation of the American Scientists. [4] Davon hat Russland etwa 2.000 in ihrem europäischen Teil gelagert. Darüber gibt es mit dem Westen kein Abkommen. Russland bangt um seine strategische nukleare Zweitschlagsfähigkeit, seit George W. Bush 2001 den Vertrag über die Begrenzung der Raketenabwehr gekündigt hat und die US-Regierungen an einem umfassenden Raketenabwehrsystem, das auch gegen Russland gerichtet ist, arbeiten. Hinzu kommt das US-Bestreben, bis 2020 eine »Full Spectrum Dominance«, also eine umfassende Überlegenheit an Land, unter und auf dem Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Cyberspace zu erlangen. Seit 2006 arbeiten die USA an der Fähigkeit des »Prompt Global Strike«, das meint, binnen einer Stunde jeden Ort der Welt mittels Interkontinentalraketen, Hyperschall-Flugzeugen, Marschflugkörpern und Kampfdrohnen angreifen zu können. Hinzu kommt das von Obama aufgelegte Modernisierungsprogramm für Atomwaffen und ihrer Trägersysteme, das in den kommenden 30 Jahren 1.000 Milliarden Dollar verschlingen soll. Es beinhaltet auch die Erhöhung der Treffgenauigkeit und die Variabilität der Sprengkraft, so dass diese Waffen über ihre Abschreckungsfunktion hinaus tatsächlich im Gefecht eingesetzt werden können. Diese Fähigkeiten sollen die 20 Wasserstoffbomben, die ab 2020 in Büchel stationiert werden sollen, haben. Verkleinerte Atomsprengköpfe wollen die USA auf U-Booten stationieren. Und die Abschussrampen der US-Raketenabwehrsysteme sind für atomare Mittelstreckenraketen verwendbar. All das zwingt die russische Seite zu militärischen Gegenmaßnahmen und löst ein Wettrüsten aus, dessen Worst-Case-Szenario – sprich Atomkrieg – hier in Europa stattfinden würde. Erschreckend ist nicht nur das Schweigen der Bundesregierung zum US- und NATO-Aufrüstungskurs und der Raketenabwehrplanung der USA, sondern ihre aktive Teilnahme.
»Es war die Bundesregierung, die im Nato-Rat mehrere Vorschläge machte, um die Mitglieder zu höheren Militärausgaben zu animieren,« [5] war dem SPIEGEL über die Beratungen im NATO-Rat 2014 zu entnehmen. Insbesondere die Unionsparteien machen sich stark für die Umsetzung des Zwei-Prozent-Ziels. Es würde 2024 bedeuten, dass die Ausgaben für die Bundeswehr auf bis zu 80 Mrd. Euro verdoppelt würden. Auf diese Zahl kommt man, wenn man die Wachstumsprognosen der alten Groko für das BIP bis 2021 von 3,25 Prozent jährlich bis 2024 fortschreibt. Das BIP betrüge dann 4.000 Mrd. Euro. Zwei Prozent davon sind 80 Milliarden Euro. Wofür soll das viele Geld verwendet werden? Dazu hat Ursula von der Leyen vor drei Jahren schon gesagt, dass sie bis 2030 allein 130 Mrd. Euro für neue Waffen und Ausrüstungen benötige. Konkreter wurde der Chef des Planungsstabs im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Erhard Bühler, vor einem Jahr. Man habe den Fokus bisher zu sehr auf Auslandseinsätze allein gelegt, angesichts der Gefahr durch Russland müsse die »Bündnisverteidigung« gleichwertig im künftigen Fähigkeitsprofil berücksichtigt werden, hieß es. Bühler spricht von einer fundamentalen Änderung des Maßstabes. Das bedeutet, bis 2031 soll die Bundeswehr so aufgerüstet werden, dass sie in weniger als drei Monaten fähig ist, an Land, zu Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Cyberraum einsatzbereit zu sein. Das bedeutet konkret für das Heer, zehn statt sieben voll ausgerüstete Brigaden, d.h. 27 Bataillone mehr. Für die deutsche Artillerie bedeutet das 14 statt 3 Bataillone. Es bedeutet fünfmal so viele Radpanzer für die Infanterie, mehr Kampfpanzer und mehr Schützenpanzer. Es sollen auch mehr Military Airbusse und – das ist völlig neu - 45 bis 60 schwere Transporthelikopter [6] angeschafft werden. Zudem soll Seekrieg aus der Luft wieder möglich gemacht werden.
»Außerdem«, so ist der Presse zu entnehmen, »ist Deutschland der NATO gegenüber Verpflichtungen eingegangen: Ab 2027 muss die Bundeswehr eine voll einsatzbereite Division für die Landes- und Bündnisverteidigung vorhalten, die aus drei Brigaden mit je 4.000 bis 5.000 Soldaten besteht. Ab 2032 hat Deutschland der NATO dann sogar drei voll einsatzbereite Divisionen zugesagt.« [7] Das heißt, hier sind gegenüber den NATO-Mitgliedern Zusagen gemacht worden, die während der nächsten 15 Jahre als bindende Vorgaben für die Bundeswehrausrüstung und –ausrichtung dienen.
EU gibt ihren zivilen Charakter auf
Diese Zusagen wurden parlamentarisch oder öffentlich nie diskutiert, sondern vor der Öffentlichkeit verborgen vorgenommen und werden argumentativ hervorgeholt, um ein groß dimensioniertes Bundeswehraufrüstungsprogramm zu begründen. Was hat das mit Demokratie zu tun?
Beunruhigend ist auch die Militarisierung der EU: Im Juni 2017 sagte dazu der Vizepräsident der EU-Kommission, der Finne Jyrki Katainen: »Wir sind in den letzten sechs Monaten viel weiter gekommen als in den sechzig Jahren zuvor.« [8] Dabei übertreibt Katainen nicht einmal. Was ist passiert? Seit der Brexit-Entscheidung im Juni 2016 wird die EU-Militarisierung von deutscher und französischer Seite beschleunigt. Das zeigt sich unter anderem an der Eingliederung anderer Armeen in Bundeswehrstrukturen. Je eine tschechische und eine rumänische Brigade ordnen sich deutschen Divisionskommandos zu, üben gemeinsam, um die Kampfkraft zu steigern. Mit den Niederländern ist das ohnehin schon der Fall, denn zwei Drittel der holländischen Heeresverbände sind den deutschen Kommandostrukturen unterstellt. Deutschland und Frankreich stellen zusammen eine Lufttransportstaffel auf. Eine Luftbetankungsflotte mit vier weiteren EU-Mitgliedern ist beabsichtigt. Ein EU-Hauptquartier wurde ins Leben gerufen, um den Armeeaufbau der fünf Länder der Sahel-Zone unter deutsch-französischer Führung in Angriff zu nehmen. All das dient der Vorbereitung auf eine Europäische Armee. Macron und Merkel vereinbarten, gemeinsam neue Generationen von Kampfpanzern, Kampfjets und Artilleriesystemen zu entwickeln.
Die EU gibt ihren zivilen Charakter komplett auf. Sie legt sich eine Kriegskasse, Verteidigungsfonds genannt, zu, aus der pro Jahr 1,5 Milliarden Euro für Forschung, Entwicklung und Beschaffung verwendet werden sollen. So soll grenzübergreifende Rüstungsproduktion und die Fusion von Rüstungsbetrieben gefördert werden. Die Subvention beträgt 20 Prozent der Projektkosten. Steuergeld.
Mitte Dezember wurde mit PESCO eine ständige militärische Zusammenarbeit zwischen 25 EU-Staaten vereinbart. Voraussetzung ist: Sie müssen an den Battlegroups und an der Europäischen Verteidigungsagentur teilnehmen. Die Einstimmigkeit der Beschlüsse, damit also das Veto-Recht, wird abgeschafft. In puncto Rüstungsausgaben, Rüstungsentwicklung und Beschaffung und dem Verlegen von Truppen ist dann Kooperation erlaubt. Hier wird ein militärisches Kerneuropa allmählich Wirklichkeit, weil die Großen, insbesondere Deutschland und Frankreich bestimmen, wo es lang geht.
Wer bestimmt? Deutschland oder Frankreich? Sicher ist, beide treiben die EU-Militarisierung voran, wer führt, hängt vom Budget ab. Der französische Präsident hat 2 Prozent als Ziel Frankreichs für 2025 vorgegeben. Das wären dann etwa 52 Mrd. Euro. Verglichen mit den deutschen 80 Mrd. Euro wird klar, wer in der EU die größte Militärmacht würde: Deutschland.
Waffenexporte verbieten – Konversion fördern
Deshalb kommt die bundesweite Kampagne der Friedensbewegung »Abrüsten statt Aufrüsten!« zur rechten Zeit. Darunter werden Unterschriften gesammelt. Bisher sind es über 35.000. Es müssen noch bedeutend mehr werden. Das ist der übergreifende Schwerpunkt der Friedensbewegung mit gewerkschaftlicher Unterstützung. Der Kampf um atomare Abrüstung muss eine sehr viel höhere Aufmerksamkeit bekommen. Die Aktionen am Stationierungsort in Büchel bedürfen mehr Unterstützung. Deutschland muss atomwaffenfrei werden, und die Bundesregierung muss sichtbar aufgefordert werden, den Atomwaffenverbotsvertrag der UN-Generalversammlung zu unterschreiben.
Nach Berechnungen von SIPRI belegte Deutschland 2016 bei der Ausfuhr schwerer Rüstungsgüter Platz 3 in der Welt und damit Platz 1 in der EU. 2017 ist es um einen Platz abgerutscht. Es musste Frankreich den Vortritt in dieser Hitparade des Todes lassen. Aber das ist kein Grund zur Entwarnung. Die Bundesregierung hat noch keine Zahlen über die tatsächliche Kriegswaffenausfuhr 2017 veröffentlicht, aber die bekanntgegebenen Genehmigungswerte für 2017, die erst später realisiert werden, sind nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Das gilt insbesondere für Drittländer – also solche außerhalb von NATO und EU. Sie betragen 60 Prozent aller Genehmigungen. Dabei wird vor Kriegs- und Krisengebieten kein Halt gemacht. Algerien ist auf Platz 1, gefolgt von Ägypten. Saudi-Arabien belegt Platz 6, Südkorea Platz 7, die Emirate auf Platz 8. Im 1. Quartal 2018 ist Saudi-Arabien sogar auf Platz 1 von allen Empfängerländern [9]. Dass mit deutschen Waffenausfuhren tatsächlich Krieg geführt wird, wurde spätestens ab dem 20. Januar klar, als die türkische Armee mit von der Bundeswehr gelieferten Leopard-2-Kampfpanzern völkerrechtswidrig in Nord-Syrien einfiel. Saudi-Arabien und andere arabische Staaten bombardieren mit US-Unterstützung Jemen und Saudi-Arabien blockiert dort Seehäfen. Deutschland lieferte u.a. Kampfflugzeugteile und sechs von insgesamt 100 Patrouillenbooten an Saudi-Arabien aus.
Die Richtlinien für Rüstungsexporte sehen Lieferungen in Drittländer nur in Ausnahmefällen vor, die Menschenrechtslage vor Ort muss in Ordnung sein und die Exporte sollen »restriktiv« gehandhabt werden. Nichts davon wird eingehalten. Die Genehmigungswerte für Gewehr- und Pistolenmunition haben 2016 jegliches Maß gesprengt. Es waren mehr als alle Kleinwaffenmunitionsexporte der fünf Jahre zuvor zusammen. Der Löwenanteil ging in die kriegführenden USA.
Der Bundesausschuss fordert das gesetzliche Verbot von Waffenexporten. Zuallererst müssen Lieferungen an kriegführende Parteien gestoppt werden. Das schließt die Türkei ein. Ein Exportverbot für Kleinwaffen samt Munition – nicht nur an Drittländer – und Waffenfabriken ist ein weiteres Zwischenziel auf dem Weg zu einem umfassenden Verbot.
Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen deutscher Rüstungskonzerne dürfen deutsche Exportrichtlinien nicht umgehen. Generell muss es strikte Endverbleibskontrollen, keine Hermesbürgschaften und die Abschaffung der Militärattachés an deutschen Botschaften geben.
Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produkte (Konversion) muss mit Steuergeldern gefördert werden. Der von der Friedensbewegung vom 21. Mai bis 2. Juni organisierte Staffellauf »Frieden geht!« gegen Rüstungsexporte von Oberndorf über Kassel nach Berlin bietet eine gute Gelegenheit, für eine friedliche Welt zu demonstrieren.
2019 will die Bundesregierung einen Vertrag mit den USA über vier Großdrohnen (TRITON/PEGASUS) zur elektronischen Kampfführung abschließen. Damit sollen weltweit ausländische Regierungen und ihre militärischen Kommandozentralen ausspioniert werden, um sie abzuschöpfen oder auszuschalten. Zudem beteiligt sich die Bundeswehr am Großdrohnenprojekt AGS der NATO zur Zielerfassung am Boden, will aber auch rein national genutzte Großdrohnen anschaffen. Beide Großdrohnentypen sollen in Jagel bei Schleswig stationiert werden.
Schon Mitte Mai könnte im Bundestag die Entscheidung anstehen, sieben bewaffnungsfähige Drohnen für die Bundeswehr in Israel zu leasen. Kostenpunkt 1 Milliarde Euro. Über ihre Bewaffnung selbst soll später entschieden werden. Darüber hinaus hat sich die Groko im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine europäische Kampfdrohne entwickeln zu lassen, die 2025 in Serie produziert werden soll. Sie soll auch im europäischen Luftraum fliegen dürfen. [10]
Die USA nutzen ihren Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz unbehelligt als Relaisstation für ihre weltweiten Drohnen-Tötungen, obwohl es genügend Anhaltspunkte für völkerrechtswidrige Einsätze gibt. Im US-Kommando AFRICOM in Stuttgart werden Kampfdrohneneinsätze in Afrika geplant.
Die Bundesregierung soll sich für die weltweite Ächtung von Kampfdrohnen einsetzen und auf die Anschaffung von Großdrohnen zur Zielerfassung und elektronischen Kriegführung verzichten. Die Bundesregierung muss ihrer Kontrollfunktion nachkommen und bei Verletzung der Rechtmäßigkeit die Genehmigung für die US-Stützpunkte und die Relaisstation entziehen. Kalkar/Uedem darf nicht zur Kampfdrohnenkommandozentrale der Bundeswehr, Jagel nicht zum Drohnen-Stationierungsort werden!
Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr!
Nun noch zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Durch die letzte Reform ist die Bundeswehr nunmehr fähig, zeitgleich und auf Dauer 11.000 Soldat*innen im Einsatz zu haben. Das Volumen schöpft sie nicht aus. Zurzeit sind es etwa 4.500, wobei die geostrategischen Interessen in Afghanistan, Mali, Litauen, Syrien/Irak und Libyen im Mittelpunkt stehen. Dort sind die höchsten Bundeswehrkontingente. Hier wird getreu der Interessendefinition gehandelt, die treffend Stefan Kornelius, Außenpolitikchef der Süddeutschen Zeitung, dem aktuellen Weißbuch der Bundeswehr entnahm. Er schrieb über die Reihenfolge der Interessen: »an dritter Stelle bereits stehen – Prosperität und ungehinderter Welthandel«. »Will heißen«, so Kornelius: »Die Freiheit der Meere und die Versorgung mit Rohstoffen stehen im Interessenkatalog ganz oben.« [11] Kornelius‘ Resümee: »Das neue Weißbuch ist – gemessen an seinen Vorgängern – von neuer Klarheit. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich das Land so deutlich zu seiner führenden Rolle in der Welt bekannt und daraus auch eine sicherheitspolitische Verpflichtung abgeleitet.« [12]
Zum Schluss: Wir stehen an der Schwelle zu einer starken Steigerung der deutschen Militärausgaben. Die EU-Militarisierung geschieht in nie dagewesener Rasanz. Die Aufrüstung ist gegen Russland gerichtet, treibt die Eskalation voran, und ermöglicht zugleich mehr deutsche Kriegseinsätze weltweit. Deutschland droht zur militärischen Führungsmacht der EU zu werden.
Dem setzen wir unseren Appell »Abrüsten statt Aufrüsten« entgegen, der eine Entspannungspolitik mit Russland fordert. Wir mobilisieren zu den vielen Orten hierzulande, an denen Krieg beginnt, seien es Militärstandorte oder Rüstungsbetriebe. Wir fordern das Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr und ein Exportstopp von Rüstungsgütern. Wir sind uns sicher, dass wir damit die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung vertreten. Denn erst im Januar hat das Institut Allensbach herausgefunden, dass, obwohl nur 22 Prozent der Bevölkerung die Bundeswehr für gut ausgestattet und einsatzfähig halten, nur 27 Prozent dafür sind, mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben. [13] Das heißt, die Mehrheit will keine Aufrüstung.
Der Autor ist einer der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (www.friedensratschlag.de).
Anmerkungen:
[1] FAZ, 12.2.2018, Helmut Schäfer (Staatsminister im Auswärtigen Amt 1987-1998), Edmund Stoiber (bayrischer Ministerpräsident (1993-2007), Horst Teltschik (Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz 1999-2008), Günter Verheugen (EU-Kommissar 1999-2010), Antje Vollmer(Vizepräsidentin des Bundestages 1994-2005), Dialog statt Eskalation.
[2] Die NATO schätzt die Militärausgaben ihrer europäischen Mitglieder 2017 auf rund 250 Mrd. Dollar, was 1,45 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts bedeutet. Für einen Anstieg auf 2 Prozent errechnet sich ein Wert von 340 Mrd. US-Dollar. Defence expenditure of NATO Countries (2010-2017), NATO Press Release 15.3.2018. 15 Seiten, www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/pdf_2018_03/20180315_180315-pr2018-16-en.pdf.
[3] Welt am Abgrund? Der Münchner Sicherheitsbericht, Deutsche Welle, 8.2.2018, www.dw.com/de/welt-am-abgrund-der-münchner-sicherheitsbericht/a-42482455.
[4] Streitkräfte und Strategien, Jerry Sommer, Russlands Nuklearstrategie – neue Rolle für taktische Atomwaffen, NDR-Info.de, 5.9.2015, S. 9 bis 13, S. 10. www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript546.pdf. Präzisere Aufstellung: bos.sagepub.com/content/early/2015/04/13/
0096340215581363.full.pdf+html, S. 2. Kristensen und Norris gehen von etwa 2.000 taktischen Nuklearwaffen aus. Ihre Funktionen sind vielfältig: »425 Sprengköpfe sind zum Beispiel vorgesehen, um Luft- und Raketenangriffe gegen Moskau abzuwehren. 140 Sprengköpfe sollen russischen Kurzstreckenraketen geringer Reichweite zugeordnet sein, 650 Sprengköpfe stünden für Kampfflugzeuge bereit und etwa 730 seien für U-Boote und Schiffe gedacht. Alle diese taktischen Atomwaffen befinden sich in Friedenszeiten in zentralen Depots – auch bei Militärübungen.« (a.a.O.)
[5] Vgl. DER SPIEGEL, 25.3.2017, S. 30.
[6] FAZ, 7.2.2018, Rheinmetall hofft auf Luftwaffe.
[7] n-tv.de, Neuer Bundeswehr-Panzer zu alt – »Puma«-Aufrüstung kostet 500 Millionen, 25.1.2018, www.n-tv.de/politik/Puma-Aufruestung-kostet-500-Millionen-article20251868.html.
[8] Neue Zürcher Zeitung, 10.6.2017.
[9] Wirtschaftswoche, 12.4.2018, www.wiwo.de/politik/deutschland/waffenlieferungen-bundesregierung-erteilt-deutlich-weniger-ruestungsexport-genehmigungen/21168748.html.
[10] Der Einsatz von Kampfdrohnen senkt die Schwelle zum Gewalteinsatz, entgrenzt den Krieg und fördert das Wettrüsten. Experten warnen davor, dass damit die Entwicklung zu Kampfrobotern vorangetrieben wird, die im autonomen Einsatz tödlicher Mittel endet.
[11] Zuerst stehen: (1) Schutz der Bürger und des Landes, (2) Schutz der Verbündeten.
[12] Süddeutsche Zeitung, 13.6.2016.
[13] Welt.de, 14.2.2018, www.welt.de/politik/deutschland/article173588914/Allensbach-Sicherheitsreport-2018-Ansehen-der-Bundeswehr-sinkt.html.