Zum Hauptinhalt springen

Unser Platz ist die Partei DIE LINKE

Ellen Brombacher, Bundessprecherin der KPF: Referat auf der 2. Tagung der 19. Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform

 

Liebe Genossinnen und Genossen, in einem halben Jahr begehen wir den 100. Jahrestag der Novemberrevolution. Aus dem Spartakusbund hervorgegangen, wurde auf dem 1. Parteitag vom 30. Dezember 1918 bis 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands gegründet. Nur wenige Wochen danach – am 15. Januar 1919 – wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von der Reaktion ermordet. An eben diesem Januartag erschien in der Roten Fahne »Trotz alledem!« – der letzte Artikel Karl Liebknechts. Er schrieb: »Wir sind nicht geflohen, wir sind nicht geschlagen. Und wenn sie uns in Bande werfen – wir sind da und wir bleiben da! Und der Sieg wird unser sein. Unter dem Dröhnen des heranrollenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs werden die noch schlafenden Scharen der Proletarier erwachen wie von den Posaunen des Jüngsten Gerichts, und die Leichen der hingemordeten Kämpfer werden auferstehen und Rechenschaft heischen von den Fluchbeladenen … Noch ist der Golgathaweg der deutschen Arbeiterklasse nicht beendet – aber der Tag der Erlösung naht.«

Doch das Dröhnen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs wurde begleitet von dem immer lauter werdenden Dröhnen der SA-Stiefel. Nicht die ungeeinte Arbeiterklasse entschied den Klassenkampf für sich. Das Kapital beförderte die zweite Konterrevolution, zunächst endend mit der Machtübergabe an den deutschen Faschismus. Wir wissen, was dem folgte: Ein weiterer Weltkrieg. Weitaus mörderischer als es der Erste ohnehin schon gewesen war. Mehr als 65 Millionen Tote, darunter 27 Millionen Sowjetbürger. Konzentrationslager mit 11 Millionen Ermordeten, darunter allein 6 Millionen Jüdinnen und Juden. Der erste sozialistische Staat, die Sowjetunion, trug die Hauptlast im Kampf mit der faschistischen Bestie. Die wurde besiegt, unter unsäglichen Opfern der europäischen und asiatischen Völker. In einem Drittel der Erde schienen sich die Worte Liebknechts zu bewahrheiten. Und wenn solche, wie viele hier im Saal, in der DDR an jedem zweiten Sonntag des Monats Januar in Friedrichsfelde Rosa und Karl ehrten, dann hatten wir die letzten Worte Liebknechts im Sinn: »… wir sind es gewohnt, vom Gipfel in die Tiefe geschleudert zu werden. Aber unser Schiff zieht seinen geraden Kurs fest und stolz dahin bis zum Ziel. Und ob wir dann noch leben werden, wenn es erreicht wird – leben wird unser Programm; es wird die Welt der erlösten Menschheit beherrschen. Trotz alledem.«

Doch wir mussten erfahren, dass wir noch lange nicht am Ziel waren – 70 Jahre nach Liebknechts »Trotz alledem«. Der erste sozialistische Versuch war seinem vor nichts zurückschreckenden Gegner letztlich nicht gewachsen. Die Analyse der inneren und äußeren Ursachen hierfür ist längst nicht abgeschlossen. Fest steht nur: Dieser sozialistische Versuch war historisch legitim und verdient unsere Solidarität, nicht aber die Denunziation. Wie auch immer: Wir wurden vom Gipfel in die Tiefe geschleudert. Und bei allem Respekt vor Rosa und Karl: Wir haben uns noch immer nicht daran gewöhnt – im Schatten der Gefahr atomarer Vernichtung.

Wir sind da und wir bleiben da

Wir haben das Ziel, den Profitmechanismus zu überwinden, nie aufgegeben. Doch die Realisierung dieses Ziels bedarf des Überlebens. Im Mittelpunkt unseres Kampfes steht daher heute das Ringen um den Frieden und gegen den Faschismus. Und dies in einer Situation tiefster Restauration des Kapitalismus, die so gern als Neoliberalismus bezeichnet wird, als könne man gegen den Neoliberalismus für einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz kämpfen, als ließe sich das Rad der Geschichte in progressiver Richtung zurückdrehen. Was für ein Betrug. Wir bleiben bei Rosa Luxemburg: Sozialismus oder Barbarei. Dabei wissen wir: Im Schatten der Atombombe und angesichts der dem Kapital zur Verfügung stehenden ungeahnten Manipulationsmöglichkeiten bleibt diese Losung nur relevant, wenn der große Krieg verhindert wird. Und mit dem Kampf gegen diesen können wir nicht warten, bis die subjektiven Faktoren für einen wie auch immer gearteten Übergang zum Sozialismus herangereift sind. Dieser Tatsache müssen wir uns bewusst sein.

Auch, wenn der Tag der Erlösung, von dem Liebknecht sprach, in diesem hundertsten Jahr der deutschen Revolution nicht in Sicht ist, sagen wir gerade jetzt: »Wir sind nicht geflohen, wir sind nicht geschlagen. Und wenn sie uns in Bande werfen – wir sind da und wir bleiben da!«

Es gibt kein linkes Lager

Unser Platz ist in der Partei DIE LINKE. In diesem Deutschland. Ausgangspunkt zweier verheerender Weltkriege und heute die zweitstärkste Macht im Aggressionspakt NATO und die Nummer Eins in der EU, die nur politisch Blinde als Friedensfaktor sehen können. Wir, Kommunistinnen und Kommunisten in der LINKEN, kämpfen nicht für oder gegen die EU, nicht für oder gegen Deutschland, sondern gegen imperialistische Politik und kapitalistische Ausbeutung. Und wir sind überzeugt, dass dies derzeit in einer Bundesregierung nicht machbar ist. Das Kräfteverhältnis ist dergestalt, dass unsere Partei sich nur verschleißen würde, ginge sie mit SPD und Grünen in eine Koalition. Denn es gibt kein linkes Lager. Die SPD macht keine linke Politik und die Grünen können das auch nicht von sich sagen. Daran ändern auch punktuelle Übereinstimmungen nichts. Sie ermöglichen gemeinsame Schritte in Bündnissen, nicht aber gemeinsames Regierungshandeln im Bund. Es gibt derzeit keine »Machtoption« für soziale Politik. Und schon gar keine für Friedenspolitik. Wer heute konsequent für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Antifaschismus eintreten will, muss das aus antikapitalistischer Opposition heraus machen.

Wenn der Chef der Staatskanzlei in Thüringen, Benjamin-Immanuel Hoff, und Alexander Fischer, Staatssekretär für Arbeit und Soziales in Berlin, im nd vom 19. März 2018 mitteilen, wer Rot-Rot-Grün heute für tot erkläre, »ohne auch nur eine Ahnung davon zu vermitteln, wie und mit wem die gesellschaftliche Mehrheit von Mitte-Rechts überwunden werden soll«, versündige sich, dann erhebt sich doch die Frage: Warum ist es eine Sünde, etwas für tot zu erklären, das nie gelebt hat? Sündhaft ist es, auf radikale Kapitalismuskritik zu verzichten und anstelle dessen nur Regierungen zu kritisieren. Weil das heißt, Menschen etwas vorzumachen. Denn es wird der Eindruck erweckt, es müsse nur die Regierung ausgewechselt werden und schon würde es besser werden können. Wer die Dinge so sieht, begreift nicht, in welchem System wir leben, oder betrügt wissentlich.

Das zeigte sich auch in den sich hinziehenden Sondierungen und Koalitionsverhandlungen zur jüngsten Regierungsbildung. Frau Nahles, die am Wahlabend verkündet hatte, von nun an bekämen die CDU/CSU in die Fresse, teilte den Parteitagsdelegierten vier Monate später mit, die Menschen würden der SPD einen Vogel zeigen, wenn sie keine Koalitionsverhandlungen aufnähme. 44 Prozent der Delegierten erwiesen sich als bekloppt, indem sie dagegen stimmten.

Am 7. Februar war es dann soweit. Der Koalitionsvertrag war ausgehandelt, die Ressorts verteilt. Nun gab es nur noch die Hürde des SPD-Mitgliederentscheids über den Vertrag. Doch war die Hürde wirklich so hoch? Man stelle sich vor, ein ausgehandelter Koalitionsvertrag liegt auf dem Tisch und die Parteimitgliedschaft entscheidet sich dagegen. Das bedeutete nicht nur Neuwahlen. Das bedeutete auch, dem Vorstand von Partei und Fraktion das absolute Misstrauen auszusprechen – und das in einer Situation, in der die SPD 17 bis 18 Prozent an Wählerstimmen erhalten würde. Die Partei wäre dann in einem völlig desolaten Zustand in die Neuwahlen gegangen. Möglicherweise eine Frage von Sein oder Kaum-noch-sein. In einer solchen Situation siegt im Regelfalle die Parteiräson über Stimmungen, und wenn sie noch so schlecht sind. Es war also nicht sicher, aber doch ziemlich wahrscheinlich, dass eine große Koalition zustande kommen würde. Und die haben wir jetzt.

Keine Märchen über linke »Machtoptionen«

Lag das endlose Geschacher um eine neue Bundesregierung – vom 24. Oktober bis 19. November 2017 hatten ja Schwarz, Gelb und Grün sondiert –, lag das an Personen, zum Beispiel an Merkel? Natürlich kann man politische Prozesse nicht von den Persönlichkeiten trennen, die in ihnen wirken. Aber – das eigentliche Problem liegt wesentlich tiefer. Im Wahlverhalten – das der Nichtwähler eingeschlossen – zeigt sich zunehmend, dass das Argument, man müsse nur andere Parteien an die Regierung bringen, und Probleme würden dann gelöst werden, immer weniger Gehör findet.

Das zeigt sich nunmehr auch in entsprechenden Umfragen. So wurde in einer Forsa-Umfrage Anfang des Jahres[1] gefragt, welcher Partei es zuzutrauen sei, mit den Problemen des Landes fertig zu werden. Der Union trauten es 27% zu, der SPD 8%. 12% der Befragten glaubten, dass eine andere Partei die Probleme am besten lösen könnte. Das Entscheidende im Rahmen der Umfrage war jedoch etwas anderes: Die Mehrheit der Befragten traute keiner der Parteien zu, »mit den Problemen des Landes« fertig zu werden, 53%. Vermutlich weitgehend unreflektiert tragen diese 53% der Befragten folgender Tatsache Rechnung: Regierungen sind immer weniger in der Lage und wohl auch nicht sonderlich gewillt, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die nicht nur dem Kapital Chancen eröffnen, sondern ein Stück weit auch jenen, die den Mehrwert erst erzeugen und auch jenen, die selbst aus diesem Ausbeutungsprozess noch ausgeschlossen sind. Das Kapital diktiert weitgehend, und jeder Geheimdienst hat wohl mehr Einflussmöglichkeiten als die gewählte Legislative und Exekutive. Außerdem verzeichnen wir möglicherweise den Beginn einer Ära, in der nicht unbedingt Politiker als Sachwalter der Kapitalinteressen eingesetzt werden, sondern gleich Milliardäre oder Multimillionäre an die Spitze von Regierungen gehievt werden, so Trump oder der sich in diesen Tagen ebenfalls als Kriegstreiber entlarvende Macron. Und für den Fall, dass sich die ohnehin schon sehr abgebaute bürgerliche Demokratie nicht mehr als geeignete Regierungsform erweisen sollte, weil das Chaos zu groß wird, entwickelt sich die faschistoide Rechte gegebenenfalls als Regierungsreserve. In dieser Situation verwischen die Grenzen zwischen den verschiedenen Kräften des bürgerlichen Lagers immer mehr. Die Unterschiede in puncto Sozialpolitik werden stetig geringer. Alle sehen militärische Lösungen für politische Probleme als legitim an. Umweltprobleme werden immer mehr zugunsten der Wirtschaft vernachlässigt. Im Umgang mit Flüchtlingen wird die Repression zunehmend akzeptiert, wenngleich hier noch sichtbare Unterschiede z.B. zwischen Grünen und CDU/CSU existieren. Zumindest solange die Grünen in der Opposition sind. Der Wähler hat kaum noch die Wahl zwischen unterscheidbaren Inhalten. Er wählt Personen, die ihm lieber sind als andere und denen er dennoch eher misstraut als traut. Oder – er bleibt eben zu Hause.

Für eine linke Partei kann es in einer solchen Situation nicht darum gehen, Erzählungen, ja Märchen über linke »Machtoptionen« zu verbreiten. In einer solchen Situation zu behaupten, man könne in Deutschland eine linke »Machtoption« herstellen und zu suggerieren, wenn Politiker verschiedener Parteien gemeinsam eine entsprechende Regierungspolitik durchführten, würden grundlegende Probleme gelöst, ist nicht verantwortungsvoll. Und es ist völlig gleichgültig, von wem die rot-rot-grünen Träumereien stammen.

Die Gefahr eines großen Krieges wächst

Es geht darum, dem Mainstream zu widerstehen, also aufzuklären. Und zumindest ein Teil jener 53%, die keiner Regierung zutrauen, die Probleme des Landes zu lösen, dürfte sich vernünftigen Argumenten nicht ganz verschließen. 1932 schrieb Brecht das »Lob der Dialektik«.[2] Darin heißt es:

Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.
Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.
Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es.
Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.
Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut:
Jetzt beginne ich erst.
Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:
Was wir wollen, geht niemals.
Wer noch lebt, sage nicht: niemals! […]
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?

Diese Zeilen klingen heutzutage noch utopischer als zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Und doch haben wir keine andere Wahl, als genau so zu denken und danach zu handeln. Ob wir letztlich Erfolg haben werden, können wir nicht wissen. Doch in Anbetracht dieser großen Unsicherheit nichts zu tun, wäre verantwortungslos.

Was heißt das praktisch? Das strategische Handeln jeglicher fortschrittlicher Bewegungen und Parteien – wo auch immer sie beheimatet sein mögen – muss darauf gerichtet sein, den großen Krieg zu verhindern, faschistoide Kräfte zurückzudrängen und natürlich letztlich den Kapitalismus zu überwinden. Davon muss abgeleitet werden, was im Alltag hier und heute zu tun ist. Der entsprechende Rahmen für das Handeln unserer Partei ist durch ihr Programm abgesteckt. Und von Parteitag zu Parteitag sind die Beschlüsse zu fassen und zu realisieren, die von dieser Programmatik abzuleiten sind – gemäß der konkreten Situation, in der wir wirken. Was charakterisiert diese Situation in besonderem Maße?

Die Gefahr eines großen Krieges wächst unaufhörlich. Wir erleben es gerade in diesen Tagen im geschundenen, leidgeprüften Syrien, dem nur eines zu wünschen ist: Frieden. Stattdessen bombardierten die USA, Großbritannien und Frankreich gestern in den frühen Morgenstunden das Land. Eine Ungeheuerlichkeit, ausgehend von Unbewiesenem. Es brachten die Kämpfer der »Armee des Islam« mit Berichten über einen – angeblich durch die Assad-Administration zu verantwortenden Giftgasangriff – die Region und die Welt an den Rand eines Dritten Weltkrieges. Der US-Präsident, irrsinnsgesteuert, wie das System, welches er repräsentiert, nahm deren Behauptungen zum Anlass, Russland mitzuteilen: »Bereite dich vor …, denn sie (die Raketen) werden kommen, hübsch und neu und smart.« Dieses Wahnsinnsspiel mit dem nuklearen Feuer war – zumindest hierzulande – selbst vielen Medienvertretern wohl zu viel. So bemerkte Dunja Hayali am 12. April 2018 im ZDF-Morgenmagazin im Interview mit dem früheren US-Botschafter in der BRD, John Kornblum, noch sei ja gar nicht ganz klar, wer für den Giftgasanschlag verantwortlich sei. Kornblum entgegnete, ohne jede Beweisführung: »Es ist ganz klar.« Am Schluss des Gesprächs legte Hayali noch einmal nach. Er, Kornblum habe gesagt, es sei völlig klar, wer dafür verantwortlich sei, aber mit Fakten belegen könnte er das nicht, nur vermuten. Kornblum daraufhin wörtlich: »Nein, natürlich nicht. Aber es ist genau, wie die Sache in Groß Britannien; 100%ig bewiesen worden ist das nicht. Aber es gibt Indizien, es gibt Erfahrungen, es gibt ein Motiv sozusagen. Man weiß ganz genau, dass Syrien auch Chemiewaffen, nicht nur diese Woche, sondern in den letzten Monaten auch angewendet hat. So genau muss man das nicht untersuchen.« Einfach unglaublich! So genau muss etwas nicht untersucht werden, was die Welt an den Abgrund bringt. Das ist eine Politik von unberechenbaren, verbrecherischen Abenteurern. Viele Menschen sehen das inzwischen so. Auch deshalb lehnten in aktuellen Umfragen 90 Prozent der deutschen Bevölkerung einen US-Raketenangriff gegen Syrien ab, und das wiederum dürfte ein Grund dafür sein, dass Frau Merkel erklärte, Deutschland werde sich nicht an einer militärischen Aktion beteiligen. Das war gut. Doch dass sie sich gestern an die Seite der Aggressionsmächte stellte, ist zutiefst beschämend.

Noch ein weiteres eklatantes Beispiel für die wachsende Gefährdung des Weltfriedens sei benannt: Anfang Februar verkündete das Pentagon eine neue US-Atomstrategie. Es sollen kleinere Atomwaffen hergestellt werden, damit potentielle Gegner nicht dem Glauben unterliegen, die Atomwaffen würden auf Grund ihrer immensen Zerstörungskraft ohnehin nicht eingesetzt. Man kann es so sagen: Das Gleichgewicht des Schreckens soll ersetzt werden durch den denkbar geringeren Schrecken einer kleineren Bombe. Als mögliche Gegner in einer atomaren Auseinandersetzung werden Russland und China benannt. In den kommenden 30 Jahren wollen die USA dafür 1.000 Milliarden Dollar ausgeben. Und Deutschland ist dabei. Zehn deutsche Finanzdienstleister haben »seit Januar 2014 insgesamt rund 10,37 Milliarden US-Dollar den Atomwaffenproduzenten zur Verfügung gestellt.«[3]

Mit der neuen US-Nuklearstrategie wird auch die bereits seit 2010 geplante Modernisierung der in Europa stationierten US-Kernwaffen bekräftigt. Auf dem Bundeswehrstützpunkt im rheinland-pfälzischen Büchel sollen gegenwärtig etwa 20 Bomben vom Typ B-61-4 lagern. Jede hat etwa die vierfache Sprengkraft derjenigen von Hiroshima. Sie sollen nun ab 2021 durch modernere B-61-12 ersetzt werden und deutsche Piloten in Bundeswehr-Tornado-Kampfjets würden sie im Ernstfall abwerfen.

Es gibt für DIE LINKE in dieser Zeit keine wichtigere Aufgabe als den Kampf um den Weltfrieden und wir begrüßen den jüngsten Aufruf des Parteivorstandes zu Antikriegsaktionen. Dieser Kampf ist einer gegen die NATO, gegen die Militarisierung der EU und gegen die zunehmende Aggressivität deutscher Militär- und Außenpolitik. Nach Angaben der Bundeswehr ist die deutsche Armee derzeit in 17 Missionen außerhalb der BRD involviert. Die Bundeswehr »wird sich 2018 mit dreimal so viel Soldaten an Militärmanövern zur Abschreckung Russlands beteiligen wie 2017«.[4] Dabei haben 91 Prozent der Deutschen keine Angst vor Russland, wie das von Forsa ermittelte RTL/n-tv-Trendbarometer[5] aussagte. Da kommt einem abgewandelt der Patriarch aus Lessings »Nathan der Weise« in den Sinn: »Tut nichts! der Russe wird verbrannt!« Tut auch nichts, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen die militärische Lösung von Problemen ist. DIE LINKE ist die einzige in den Parlamenten vertretene Partei, die dieser Mehrheitsstimmung eine Stimme gibt und entsprechend abstimmt, so gegen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Vergiftung des Denkens muss aufhören

Diese Position darf auch keinerlei Koalitionsbestrebungen geopfert werden. Erneut wenden wir uns dagegen, dass Funktionsträger unserer Partei zunehmend davon reden, dass DIE LINKE Kampfeinsätze der Bundeswehr ablehnt. Wir wissen: Im Parteiprogramm kommen beide Begriffe vor, also Auslandseinsätze und Kampfeinsätze. Diese Entscheidung des Erfurter Programmparteitages von 2010 war und bleibt idiotisch und wurde nur möglich, weil durch das Prinzip der Poolabstimmung jede Debatte darüber unterbunden wurde. Da es keine substantielle Trennung von Auslands- und Kampfeinsätzen gibt, sollten wir nicht den Eindruck erwecken, Auslandseinsätze letztlich respektabel zu finden. Wozu auch? Wir halten, jenseits aller Wahlarithmetik, aus prinzipiellen Gründen Beteiligung an einer Regierungskoalition im Bund für unmöglich, weil diese nur denkbar wäre, wenn unsere Partei den militärischen Bündnisverpflichtungen in NATO und EU gegebenenfalls zustimmen würde. Gegenwärtig ist das eine akademische Frage. Das macht es nicht unwichtiger, unsere friedenspolitischen Grundsätze jederzeit zu bewahren. Neben der Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und der Forderung, aus den militärischen Strukturen der NATO auszutreten, wenden wir uns gegen jegliche Rüstungsexporte und verlangen den Abzug der auf deutschem Territorium stationierten Atomwaffen. Es ist gut, dass es mehr als in den vergangenen Jahren waren, die während der diesjährigen Ostermärsche diese Forderungen artikulierten. Doch es müssen wesentlich mehr werden.

Zur Friedensbewahrung gehört auch der Kampf um die Wiederherstellung vernünftiger Beziehungen zu Russland. Wie weit die BRD von solchen vernünftigen und daher respektvollen Beziehungen entfernt ist, zeigte sich in den vergangenen Wochen nicht zuletzt im Umgang mit dem Giftgasanschlag im britischen Salisbury. Ohne Beweise beteiligte sich auch die Bundesregierung an der konzertierten Anti-Russland-Aktion von 14 EU-Staaten. Günter Verheugen, ehemaliger EU-Kommissar, kommentierte diesen Rückfall in den kalten Krieg mit den Worten, das Vorgehen käme einer Urteilsverkündung nach dem Motto gleich, die Tat sei dem Beschuldigten nicht nachzuweisen, aber sie sei ihm zuzutrauen. Und wörtlich: »Die Haltung, dass Putin und die Russen im Zweifel für alles verantwortlich sind, ist eine Vergiftung des Denkens, die aufhören muss.« Zum Glück gibt es diese Stimmen der Vernunft. Das Klima jedoch bestimmen andere. Das zeigte sich nicht zuletzt vor wenigen Wochen. Am 2. Februar gab der Militärhistoriker der Universität Potsdam, Prof. Sönke Neitzel, im ZDF-Morgenmagazin ein knapp achtminütiges Interview. Im Zusammenhang mit der Frage nach den Ursachen der Nichtteilnahme offizieller deutscher Vertreter am Gedenken in Wolgograd anlässlich des 75. Jahrestages des sowjetischen Sieges in Stalingrad antwortete er u.a.: »Als Hitlers 6. Armee schließlich am 2. Februar 1943 kapitulierte, waren dem Wahnsinn auf beiden Seiten fast 700.000 Menschen zum Opfer gefallen.« Wir, so Neitzel, hätten als Deutsche einen viel kritischeren Umgang mit Geschichte. Auch die Russen hätten aus Stalingrad vieles aus kritischer Perspektive zu berichten. Sie hätten dort zehntausende ihrer eigenen Deserteure an die Wand gestellt. Und dann folgt der unerhörte Satz: »Sie (die Russen) haben den deutschen Vormarsch im Blut der eigenen Leute ertränkt.« Diese Fragen, so Neitzel in Bezug auf Russland weiter, würden natürlich nicht gestellt. Unser Umgang mit Geschichte sei viel kritischer, weil unser Umgang mit Geschichte nicht dazu diene, so Neitzel nun wieder wörtlich, »dass wir besonders stolz sind auf unsere Geschichte, aus bekannten Gründen. Deswegen ist der Umgang ein völlig anderer und da (gemeint ist wieder Russland) sich nun einzufügen, kann ich schon verstehen, dass das von offizieller Seite, dass man dem nicht Vorschub leisten will.« Neitzel weiter, Putin instrumentalisiere die Geschichte des II. Weltkrieges zu einem nationalen, zu einem nationalistischen Geschichtsexkurs. Das mache für Putin Sinn. Wir (die Deutschen) hätten ein ganz anderes Verhältnis dazu, stellten ganz andere Fragen.

Einordnung der Wehrmachtsverbrechen einzelfallbezogen?

Diese wenigen Sätze sind eine Aneinanderreihung von Ungeheuerlichkeiten. Stalingrad – ein Wahnsinn auf beiden Seiten, wo der deutsche Vormarsch im Blut der eigenen Leute ertränkt wurde? Hätte die Sowjetunion kapitulieren sollen, am besten schon vor Moskau? Oder im eingeschlossenen Leningrad oder eben in Stalingrad? Hätte die Losung nicht ausgegeben werden dürfen: Hinter der Wolga gibt es kein Land? Hätte die Sowjetunion die Wege frei machen sollen zu den Ölfeldern Bakus, jenem Öl, welches die Wehrmacht so dringend benötigte? Man wirft der Sowjetunion die 27 Millionen Opfer vor. Sie hätten ihre Leute nicht geschont. Über 600 Dörfer wurden allein in Belorussland dem Erdboden gleichgemacht. YouTube ermöglicht, sich den Spielfilm »Geh und Sieh« anzuschauen. Der vermittelt eine Vorstellung darüber, wie barbarisch die Deutschen wüteten. Ihre Vernichtungsaktionen wurden mit Partisanenaktivitäten begründet. Muss man nun die Legitimität des sowjetischen Partisanenkrieges in Frage stellen? Nein: Die 27 Millionen sowjetischer Opfer hat der deutsche Faschismus zu verantworten. Diese Toten zeugen davon, wie ernst es den Faschisten war, als sie von einem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion sprachen. Sie führten ihn. Denken wir nur an den Kommissar-Befehl, an das planmäßige Aushungern der Zivilbevölkerung, an die Strategie der verbrannten Erde. All das erwähnen wir hier nicht, weil wir meinen, im Rahmen der sowjetischen Kriegsführung habe es keine Probleme gegeben. Aber – es steht uns einfach nicht zu, uns hier in Besserwisserei zu üben. Und Sönke Neitzel steht es nicht zu, den Russen einen kritikwürdigen Umgang mit der Geschichte vorzuwerfen und den eigenen Leuten zu bescheinigen, sie würden sich in dieser Frage ganz anders verhalten. Und ausgerechnet mit dem sogenannten politisch korrekten Umgang Deutschlands mit der Geschichte und dem ach so anderen Verhalten der Russen rechtfertigt er, dass keine offiziellen Vertreter der BRD in Wolgograd dabei waren. Die Deutschen würden dem russischen Umgang mit der Geschichte nicht Vorschub leisten wollen. Diese Demagogie ist ebenso unfassbar wie der Umgang der Bundesregierung mit einer Anfrage zum gleichen Thema durch Sevim Dağdelen.

Als Sevim sich in einer kleinen Anfrage vergewissern wollte, ob der Überfall auf die Sowjetunion aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich ein verbrecherischer Angriffskrieg bleibt, den Nazideutschland ohne jede Not eröffnet und von vornherein als rassenideologischen Vernichtungskrieg geplant hatte, wird ihr geantwortet: »Die Einordnung damaliger militärischer Handlungen der Wehrmacht als verbrecherisch im strafrechtlichen Sinne ist einzelfallbezogen vorzunehmen. Als verbrecherisch können Handlungen konkreter Täter einzustufen sein, die gegen anwendbares Recht verstießen, insbesondere Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.«

Diese Antwort der Bundesregierung, die öffentlich nahezu unbekannt geblieben ist, ist in einem Maße geschichtsrevisionistisch, welches seinesgleichen sucht. Sie ist vergleichbar nur mit einem: Bis zum Demjanjuk-Prozess musste jedem SS-Mörder aus einem Konzentrationslager nachgewiesen werden, dass er persönlich Menschen umgebracht hatte. Allerdings: Die Zeugen lebten in der Regel nicht mehr. Das Prinzip der Einzelfallprüfung konnte im Zusammenhang mit dem Ermorden von 11 Millionen KZ-Häftlingen daher nur als zynisch bezeichnet werden. Erstmalig 2011 wurde mit dem Demjanjuk-Urteil dieser für schuldig befunden, Teil der Mordmaschinerie gewesen zu sein. 65 Jahre nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus. Nun soll für den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wiederum die Einzelfallbezogenheit gelten. 27 Millionen Tote sind nicht ein einziges, großes Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern: »Die Einordnung damaliger militärischer Handlungen der Wehrmacht als verbrecherisch im strafrechtlichen Sinne ist einzelfallbezogen vorzunehmen.« Das ist unfassbar.

Keine Skrupel mehr im Umgang mit Russland

Die Worte von Prof. Neitzel und die Antwort der Bundesregierung werfen die Frage auf, warum sich Leute bzw. Institutionen dieses Schlages eigentlich so erregen, wenn ein Herr Gauland ähnliches sagt und dann nur einen Schritt weiter geht. »Kein Volk hat so gründlich mit seiner falschen Vergangenheit aufgeräumt wie das Deutsche«, sagt er. »Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.« In diesem Kontext fordert er eine Neubewertung der Taten deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen. Wenn Franzosen und Briten stolz auf ihren Kaiser oder den Kriegspremier Winston Churchill seien, »haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.«[6]

Es ist eindeutig: Es geht nicht um die Neubewertung jener Leistungen deutscher Soldaten, auf die wir stolz sein sollen. Es geht um eine ideologische Brücke hin zu einer Neubewertung der beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts – im Sinne von: Es war nicht nur Unrecht, es war auch Legitimes. Nichts anderes besagt auch die Antwort der Bundesregierung auf Sevims Frage, die Einordnung damaliger militärischer Handlungen der Wehrmacht als verbrecherisch im strafrechtlichen Sinne sei einzelfallbezogen vorzunehmen. Mit anderen Worten heißt das, es habe auch so etwas wie eine nichtverbrecherische Kriegsführung gegeben. Und das – zumindest im Osten – gegen einen Kriegsgegner, der, so Neitzel, den Vormarsch der ritterlichen Wehrmacht im Blut der eigenen Leute ertränkte. Die einen relativieren, damit die anderen auf dieser Basis einen Schlussstrich ziehen können. Das ist der rote Faden bürgerlicher Geschichtsschreibung, um zu legitimieren, dass es im heutigen offiziellen Deutschland keinerlei Skrupel im Umgang mit Russland mehr zu geben braucht. Und morgen vielleicht schon wird es heißen, der Krieg gegen die Sowjetunion sei nicht ohne historische Legitimation gewesen. Es sei schließlich gegen die Bolschewisten gegangen.

Gauland, der sich aus taktischen Gründen heute als eine Art Russlandversteher gibt, hat die Worte, wir sollten uns nicht nur das Land, sondern die Vergangenheit zurückholen, im September 2017 auf einem Kyffhäusertreffen gesprochen. Dort, wo der Sage nach Barbarossa mit seinen Getreuen schläft, um eines Tages aufzuwachen und das Reich zu retten und es wieder zu neuer Herrlichkeit zu führen. Ein wenig von dieser neuen deutschen Herrlichkeit gibt es ja schon wieder. Oft wird uns gesagt, wir sollten nicht so viel über die Vergangenheit reden. Viel wichtiger sei die Gegenwart. Wie sehr beides zusammenhängt, ist vielleicht gerade im Zusammenhang mit dem 75. Jahrestag des Endes der Stalingrader Schlacht deutlich geworden. Wir danken an dieser Stelle Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke für ihre Initiative, dieses Ereignis in Berlin würdig zu begehen, dankbar auch dafür, an der Vorbereitung der Veranstaltung »Das Fanal von Stalingrad: Befreiung statt Vernichtungskrieg – gute Nachbarschaft zu Russland statt Feindschaft« aktiv mitwirken zu dürfen. Und wir danken unserer Bundestagsfraktion für ihre Gedenkveranstaltung. Die KPF wird ihrem Grundsatz treu bleiben, gerade in puncto Geschichte keinerlei opportunistische Zugeständnisse zu machen. Denn diese Zugeständnisse, auch von so manchen Linken, erhöhen ungewollt die Chance für Rechtsentwicklungen, die nicht nur hierzulande ein erschreckendes Ausmaß angenommen haben.

Ein Wust von voluntaristischen Vorstellungen

In diesem Zusammenhang – und auch das charakterisiert maßgeblich die Situation, in der DIE LINKE agiert – steht ebenso unser politisches Verhalten in der sogenannten Asyl- und Flüchtlingsfrage. Wir haben uns dazu mehrfach geäußert. So am 15. Oktober 2017 unter der Überschrift »Wir müssen aufklären«. Und nicht zuletzt bezogen wir Stellung zu einer von den Ostlandtagsfraktionen unserer Partei in Auftrag gegebenen »Konzeption einer linken Flüchtlings- und Einwanderungsgesetzgebung«. Hoff und Fischer äußern hierzu in ihrem bereits erwähnten nd-Artikel: »Dass Regulierung von Zuwanderung progressiv denkbar ist, haben die Landtagsfraktion mit einem Konzept für ein Einwanderungsgesetz dokumentiert.« Die von der KPF am 7. Dezember 2017 öffentlich gemachte Erklärung »Parteiprogramm muss unangetastet bleiben« stellt genau diese Behauptung infrage. Nicht nur einmal hielt man uns vor, wir würden aus Prinzip einen Vorschlag ablehnen, der äußerst human sei und ungeahnte Möglichkeiten für die Einwanderung eröffnen könnte. Die Schlauheit der konzeptionellen Vorstellungen bestünde darin, dass eigentlich jeder kommen könne und trotzdem ein Regelwerk angeboten würde. Und genau diese Schlauheit zeugt von Verlogenheit. Unter einem Wust von voluntaristischen Vorschlägen, die – käme es darüber zu Verhandlungen mit Sozialdemokraten oder Grünen – allesamt geopfert würden, weil reines Wunschdenken selten Gesetzescharakter annimmt; unter diesem Wust verbergen sich einige wenige sogenannte realpolitische Ansätze, die mit der Programmatik der LINKEN nichts mehr zu tun haben. Es darf abgeschoben werden. Dublin 3 wird akzeptiert. Und: die Gesellschaft soll für Einwanderungsbewegungen so offen wie möglich gehalten werden. So offen wie möglich, das ist die Umschreibung einer Obergrenze, die wir nicht festlegen. Mit der Akzeptanz des Prinzips der sicheren Herkunftsstaaten wird der Status quo heutiger Asyl- und Flüchtlingspolitik festgeschrieben und mit der Anerkennung des Rechts auf Abschiebung wird ein Tabu linker Politik gebrochen. Das ist der rationale Kern des Konzepts. Wenige Sätze im Rahmen von 32 Seiten Märchenstunde. Es wird bewusst in die Irre geführt, und da dieses Papier kaum jemand lesen wird – dazu ist das Juristendeutsch auch nicht sehr geeignet – könnte dies auch klappen.

Der faschistische Ruf »Deutschland erwache« wurde lokalisiert

Wir wenden uns gegen jeden Versuch, sozialpolitische Bedürfnisse der hiesigen Bevölkerung gegen jene von Asylbewerbern und Geflüchteten auszuspielen, gegen jegliche Bestrebungen, die Schuld für Verunsicherung und Ängste in der Gesellschaft Migranten in die Schuhe zu schieben. Ja, es stimmt: Existierende soziale Probleme, denken wir nur an Wohnungsmangel oder Bildungsdefizite, werden nicht geringer, wenn die Ausgaben für Integrationsleistungen steigen. Zu sagen, diese Probleme gäbe es auch ohne die Geflüchteten, ist ebenso richtig, wie es eine Vereinfachung ist. Und Vereinfachungen überzeugen nicht. Überzeugen muss letztlich eine andere Sozialpolitik. Das Geld dafür wäre vorhanden. Doch es wird eher für Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Verfügung gestellt, als für den sozialen Wohnungsbau, die Pflege oder Bildung. Gegen diese asoziale Politik müsste sich der Zorn der Bürger massenhaft richten und nicht gegen die Ärmsten der Armen. Davon sind wir weit entfernt. Zwingt uns das, Verständnis für die Wut jener Bürger aufzubringen, die – immerhin 12% der Bevölkerung – der rassistischen AfD ihre Stimme geben? Haben wir Empathie mit den zur Empathielosigkeit Neigenden? Müssen wir die haben? Wir müssen wissen, was sie so anfällig macht für rechte Demagogie. Wir dürfen die 12% AfD-Wähler nicht unterschiedslos abschreiben. Bedeutet das Nicht-Abschreiben dieser Leute, deren rassistischen Stimmungen hinterherzulaufen? Das darf es nicht bedeuten. In seinem Buch »Linkspopulär. Vorwärts handeln, statt rückwärts denken« empfiehlt der Autor Andreas Nölke, zumindest zum Teil die Motive der Bürger aufzunehmen, die die AfD gewählt haben. Der Buchrezensent Markus Bernhardt merkt dazu in der jw an, zwar sei es sicherlich zutreffend, dass nicht alle Personen, die der AfD bei Wahlen ihre Stimme gegeben haben, dies auf Grund eines rassistischen Weltbildes getan hätten. Dass sie jedoch nicht gewusst hätten, wie die AfD zu sogenannten Minderheiten steht und wie sich führende Funktionäre zum deutschen Faschismus positionieren, sei nicht der Fall.[7] Da hat er wohl Recht, und das ist ernst zu nehmen.

Welche Lüge ist es, die bei so vielen Menschen, die weder als Rassisten geboren wurden, noch fanatische Rassisten sind, dennoch so wirkungsvoll funktioniert. Wir finden sie in beinahe reiner Form in Äußerungen des Chefs der faschistischen Lega-Nord Salvini, der behauptet, die wahre Verantwortung für die Ereignisse von Macerata, wo ein Mann zwei Stunden lang gezielt auf schwarze Menschen schoss und sechs von ihnen verletzte, trage nicht etwa der geständige Täter, sondern »massenhafte« Einwanderung und diejenigen Politiker, die sie zuließen. Wörtlich: »… diejenigen, die das Land mit illegalen Einwanderern gefüllt haben, sind verantwortlich für jede Episode von Gewalt, die in Italien passiert.«

Ganz in diesem Ungeist agierte am 4. Februar 2018 in der von Anne Will moderierten ARD-Sendung die AfD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Alice Weidel: »Mein erster Gruß«, so begann sie ihren Diskussionsbeitrag, »geht an die Menschen in Cottbus, die Bürger, die auf die Straße gehen, die sich wehren, dass messerstechende Migranten auf unseren Straßen herumlaufen.« Auf der von Weidel mit so viel Sympathie begleiteten Kundgebung in Cottbus ertönte immer wieder: »Abschieben, abschieben«. Auf Transparenten wurden die Toten alliierter Bombenangriffe mit den Betroffenen von Gewalttaten durch Geflüchtete in Zusammenhang gebracht. Der faschistische Ruf »Deutschland erwache« wurde lokalisiert durch den Spruch »Cottbus, Berlin, aufwachen oder untergehen!« Das alles ist grauenerregend und gerade deshalb ist es schlimm, dass Genossen auf einer Veranstaltung in Cottbus darüber berichteten, dass sie seit geraumer Zeit auf die in der Stadt schwelenden sozialen Probleme aufmerksam gemacht hätten und viel zu spät ein staatliches Echo erfuhren. Faschistoide Ideologie ist unentschuldbar. Unentschuldbar ist es aber ebenso, Bedingungen zu vernachlässigen, die dieser Ideologie die Steilvorlagen liefern.

Wieder verstärkt als antikapitalistische Oppositionskraft profilieren

Die Rechten – das kann man nunmehr in jeder Bundestagssitzung beobachten – führen jegliches Problem auf die Existenz von Flüchtlingen und Migranten zurück. Sie haben dieses faschistisch geprägte, paranoide Raster wieder aufgenommen, durch das sie alle Probleme betrachten und interpretieren. Und die Rechten können sich fest darauf verlassen, dass die Medienwelt Stimmungen manipuliert, die sie bedienen können, und damit vertiefen. Ebenso verlässlich agiert nicht nur die CSU. Nichts, was wir als Linke tun, darf sich in dieses Muster einordnen. Wir ringen darum, Menschen aus dem braunen Einflussbereich zu ziehen, aber nicht, indem wir uns rassistischen Positionen auch nur zwischen den Zeilen annähern. Denjenigen, für die diese Position etwas Dogmatisches an sich hat, sagen wir: Dann wollen wir in diesem Punkt eben Dogmatiker sein. DIE LINKE muss ihr antifaschistisches Profil entwickeln und sich besonders gegen das Hauptkennzeichen rechter Demagogie wenden: Den Rassismus. Sie verurteilt Abschiebungen ebenso, wie sie die Erarbeitung von Konzepten ablehnt, in denen letztlich festgelegt werden soll, wer kommen und bleiben darf und wer gehen muss. Ambivalente Äußerungen zu Geflüchteten und Asylbewerbern verurteilen wir ebenfalls. Unsere direkte Unterstützung gehört den Flüchtlingsinitiativen, Flüchtlingsräten und antirassistischen sowie antifaschistischen Gruppierungen und Bündnissen.

Das Wichtigste aber ist, dass sich DIE LINKE wieder stärker als antikapitalistische Oppositionskraft profiliert. Das ist ihre wirkungsvollste Gestaltungsmöglichkeit. Sie kann dem demagogischen Anti-Establishment-Gerede der AfD nur unter zwei Voraussetzungen wirkungsvoller begegnen: Mit einer Politik, die sich an den Problemen und Sorgen der Bevölkerungsmehrheit orientiert und die dabei keinen Bogen um die Notwendigkeit macht, den Kampf um die Verbesserung der sozialen Lebensverhältnisse im weitesten Sinne – dazu gehören z.B. Friedenspolitik, Umweltfragen und auch die Lage in Ostdeutschland – mit der antikapitalistischen Entlarvung des Systems zu verbinden, welches die Welt aus den Fugen geraten lässt. Wir wollen in diesem Bericht nicht im Einzelnen z.B. auf Probleme in Ostdeutschland zu sprechen kommen. Am 26. Februar 2018 haben wir uns zu einem wiederum von den linken Ostlandtagsfraktionen initiierten Papier »Der LINKE Aktionsplan Ost 2017/18« geäußert. Unsere Erklärung, auf die von allen angeschriebenen Fraktions- und Vorstandsmitgliedern auf Bundes- und Landesebene nur Dietmar Bartsch reagierte, heißt »Der Osten – im Prekären eingerichtet? Zum Aktionsplan Ost«. Wir haben die Erklärung in den April-Mitteilungen dokumentiert. Eines sei hier aus aktuellem Anlass angemerkt: Ein Flirt mit der CDU wird mit Sicherheit nicht dazu beitragen, die Probleme im Osten besser zu lösen. Das sollte auch die Brandenburger Ministerin Diana Golze wissen, wenn sie es begrüßt, dass der CDU-Landeschef Senftleben mit der LINKEN sprechen will. »Ich schließe nichts von vornherein aus«, antwortet sie auf die Frage von BILD, ob man auch miteinander regieren könne. Die Ministerin sollte das aber ausschließen.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir kommen hier auch nicht im Einzelnen auf notwendige sozialpolitische Forderungen zu sprechen. Die sind in unserer Partei gut formuliert. Falsch ist es, den Eindruck zu erwecken, in einer Bundesregierung könnten wir unsere Forderungen auch nur annähernd durchsetzen. Vielmehr müssen wir darum kämpfen, durch antikapitalistische Aufklärung jene Momente »der Fragmentarisierung, Spaltung und Separierung« zurückzudrängen, »die eine Einsicht in gemeinsame Interessen erschweren.«[8] Damit ist die Solidarität von Stammbelegschaften mit Leiharbeitern ebenso gemeint wie die zwischen Berufstätigen und Hartz-IV-Empfängern, aber ebenso zum Beispiel die zwischen Hiesigen und Geflüchteten. Unmöglich? Auf jeden Fall extrem schwer. Aber wenn wir darum zu kämpfen nicht bereit sind, können wir auch aufgeben.

Ein letzter Punkt, der die Lage charakterisiert, in der DIE LINKE wirkt, sei hier kurz skizziert. Die Militarisierung der Innenpolitik schreitet auch in der Bundesrepublik schnell voran. Einher geht sie mit einer ausufernden Überwachung breiter Teile der Bevölkerung. Denken wir nur an neue Software zur Gesichtserkennung oder den verstärkten Einsatz von Drohnen. Wir können Ulla Jelpke in ihrer am 5. Februar 2018 geäußerten Position nur unterstützen: »Offensichtlich sind manche Personenkreise in Polizei- und Geheimdienstbehörden mittlerweile der Überzeugung, sich für einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung rüsten zu müssen.« Dass Hartmut Dudde, Leiter des polizeilichen Vorbereitungsstabs zum G-20-Treffen in Hamburg, auf dem Anfang Februar in Berlin stattgefundenen 21. Europäischen Polizeikongress auftreten konnte, lässt befürchten, so Andrej Hunko, dass Duddes »quasimilitärischer G-20-Einsatz bundesweit Schule machen soll«. Denken wir nur an das Polizeiaufgabengesetz im Freistaat Bayern oder die folgenschweren Änderungen der Polizeigesetze in NRW und Bremen, die zu deutlichen Beschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte der Bürger führen werden. Bis zur Totalüberwachung ist es nicht mehr weit. Denn diese Polizeigesetzgebung macht die Grenze zwischen dem Charakter der Polizei und dem Geheimdienst faktisch fließend. Auch der Entlarvung dieser gefährlichen Entwicklung, die übrigens ebenso wie die AfD Teil der Rechtstendenzen ist, muss unsere Partei bedeutend mehr Aufmerksamkeit schenken.

Vor dem Leipziger Parteitag

Noch acht Wochen trennen uns vom kommenden Parteitag. Und die Lage ist nicht gerade beruhigend. Schon auf der KPF-Bundeskonferenz im Dezember 2017 hatten wir gesagt: »Wir brauchen kein zweites Göttingen, wo die Züge aufeinander zurasen und der Crash immer wahrscheinlicher wird. In Göttingen ist es noch einmal gut gegangen.«

Welches sind die Hauptkonfliktpunkte vor dem Leipziger Parteitag?

1. iniges spricht für die Absicht, hinsichtlich der Konzeption über eine linke Einwanderungsgesetzgebung auf dem Parteitag eine Entscheidung herbeizuführen. Es sei wiederholt: Wir meinen, dass DIE LINKE ein solches Konzept überhaupt nicht vorlegen sollte. Wir fordern, auf dem Parteitag keinen Beschluss über das Konzept zu fassen. Auch nicht indirekt, durch Erwähnung desselben im Leitantrag.

2. Ebenso destruktiv sind die Bestrebungen, einen Mitgliederentscheid zum Bedingungslosen Grundeinkommen durchzuführen. Wir teilen die vom Beschluss des Bielefelder Parteitages ausgehende Mehrheitsposition des Parteivorstandes vom 15. Oktober 2017. Darin heißt es u.a. »Parteigliederungen sollten sich im Sinne des Grundsatzprogramms bei ihren Diskussionen die Beschränkung auferlegen, die Position zum Bedingungslosen Grundeinkommen nicht entscheiden zu wollen. Ebenso gebietet es der Respekt der Mitglieder untereinander, die jeweilige Position jedes einzelnen Mitgliedes in dieser Frage zu achten und jede Form der Ausgrenzung zu unterlassen. Jede Form von Entscheidung in dieser Frage durch Parteitagsmehrheiten in der einen oder anderen Richtung würde jeweils Teile der Partei und ihrer sozialen Basis von der LINKEN abstoßen. … Im Sinne der bisherigen Beschlusslage unserer Partei empfiehlt der Parteivorstand, von einem Mitgliederentscheid Abstand zu nehmen und stattdessen die Diskussion um das Pro und Contra sowie um mögliche Anforderungen an ein emanzipatorisches BGE kontrovers weiterzuführen.« Unseren Anteil an dieser Debatte haben wir in den Mitteilungen vom Februar und April 2018 geleistet.

Alles für eine starke LINKE

Sowohl die Bestrebungen, eine positive Entscheidung zum Bedingungslosen Grundeinkommen herbeizuführen als auch die Bemühungen, einen Parteitagsbeschluss zur »Konzeption einer linken Flüchtlings- und Einwanderungsgesetzgebung« zu erwirken, werden von Genossin Kipping maßgeblich gestützt. Dass die sechs linken Ost-Landtagsfraktionen die vier Fraktionen aus den alten Bundesländern bei der Konzeptionserarbeitung »vergaßen«, vertieft Gräben, die ohnehin völlig unnötig ausgehoben werden. Wir sagen das hier so direkt, weil wir alles ablehnen, was die Partei Zerreißproben unterwirft. Ja, wir halten die Erzeugung solcher Zerreißproben für unverantwortlich. Und daher wären wir unredlich, würden wir heute nicht auch über unsere Bedenken hinsichtlich einer linken Sammlungsbewegung sprechen.

Es gibt inzwischen eine Reihe von Artikeln, Interviews und anderen Veröffentlichungen über die Idee einer Sammlungsbewegung – so von Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht oder Andreas Wehr – denen eine Merkwürdigkeit gemeinsam ist. Weder wird direkt gesagt, etwas Neues anstelle der LINKEN sei gewollt, noch findet sich das Gegenteil davon. Mit anderen Worten: Die entsprechenden Äußerungen sind nicht nur ambivalent. Sie sind unklar in der Ausdrucksweise und Darstellung. Sie sind daher schwer zu deuten und bereiten dem Verständnis Schwierigkeiten. In aller Kürze: Sie sind kryptisch. Nehmen wir Sahras Interview »Ich wünsche mir eine linke Volkspartei« aus dem SPIEGEL vom 13. Januar 2018. Solange bestimmte Forderungen (z.B. Höherer Mindestlohn, Vermögenssteuer) nur von der Linken vertreten würden, so Sahra, könne daraus keine Regierungspolitik werden. »Deshalb wäre es gut, wenn Politiker unterschiedlicher Parteien, die für ein solches Programm stehen, sich zusammenschließen.« Alleine diese zwei Sätze werfen eine Vielzahl an Fragen auf: Sollen solche Politiker sich in der Linken zusammenschließen, oder sollen sie etwas Neues kreieren? Und wer sollen diese Politiker sein? Wie müsste denn eine Struktur aussehen, aus denen Regierungspolitik werden soll? Und überhaupt: Wollen wir neuerdings in die Bundesregierung? Und sollten wir in eine Koalition im Bund wollen, was wird dann mit unserem Verhältnis zur Staatsräson, also z.B. zur NATO und zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr?

Eine weitere Formulierung im besagten Interview lautet: »In dem Augenblick, wo etwas Neues entsteht, wachsen die Chancen auf neue Mehrheiten.« Wir fragen: Auch, wenn es eine – bei allen Problemen – intakte linke Partei gibt? Und wie soll das Neue aussehen? Reicht es, zu antworten: Siehe oben. Oben steht doch auch nichts Genaueres. Dann folgt die erste Aussage zur LINKEN. »Um eine linke Volkspartei zu werden, müssten wir noch viel an Breite und Akzeptanz gewinnen. Das wäre auch ein Weg, aber er würde länger dauern.« Woher kommt das Wissen, welcher Weg länger dauern würde? Und – wichtiger noch: Also doch eine Absage an DIE LINKE zugunsten von etwas inhaltlich und strukturell nicht näher definiertem Neuem? Und was wird dann aus der LINKEN? Egal? Wir haben am 14. Januar 2018 in der Erklärung »Die Mühen der Ebenen« speziell zu dieser Aussage unsere Position dargestellt.

Auf die Frage, wie sich Sahra eine linke Sammlungsbewegung vorstellt, erfolgt die Antwort: »Natürlich wünsche ich mir eine starke linke Volkspartei. Am Ende kann es nur funktionieren, wenn prominente Persönlichkeiten mitmachen, die den Menschen die Hoffnung zurückgeben, dass sich politisch etwas in ihrem Sinne bewegt. Wir müssen das weiterdenken und dafür werben. Es muss ein Funke überspringen. Wir haben doch eine Krise der Demokratie, weil viele von der Politik gar nichts mehr erwarten. Manche kreuzen dann aus Wut AfD an.« Ist das eine Antwort auf die Frage, wie man sich eine linke Sammlungsbewegung vorstellt? Doch wohl kaum. Es ist eher eine Aufforderung, man möge Persönlichkeiten glauben, die uns Hoffnung geben, ohne dass wir sie schon kennen. Das klingt beinahe etwas religiös. Und dazu, die 12% der AfD bei den Bundestagswahlen nur auf die Wut der Leute zurückzuführen, haben wir uns heute an anderer Stelle schon geäußert.

Nicht nur nach dem Lesen dieses Interviews stellen sich Irritationen ein. Wir sagen noch einmal ganz deutlich: »Wir sind dafür, alles für eine starke LINKE zu tun, gerade in Anbetracht der rechten Gefahr. Stark ist DIE LINKE nicht durch die Anzahl ihrer Minister in Landesregierungen oder gar durch eine Mitwirkung in einer Koalition im Bund. Gerade auch die jüngsten Wahlerfahrungen – besonders im Osten – besagen: Wenn wir als etablierte Partei wahrgenommen werden, schwächt uns das eher. Stark sind wir, wenn wir unverwechselbar gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und gegen die Schaffung einer EU-Armee ebenso stehen, wie gegen die NATO. Stark sind wir, wenn wir uns für die sozialen Belange all jener einsetzen, die zu den Benachteiligten dieser Gesellschaft gehören oder morgen dazu gehören könnten. Stark sind wir mit klarem antifaschistischem, antirassistischem, internationalistischem Profil – der Solidarität verpflichtet. Stark sind wir, wenn wir unsere Geschichte nicht verleugnen – kurz gesagt: Stark sind wir, wenn wir als linke, sozialistische Kraft kenntlich sind und zugleich im Alltag als Kümmerer-Partei wahrgenommen werden – besonders in den Kommunen.«[9]

Wir werden nichts unterstützen, was DIE LINKE schwächer macht: Also weder das schon irrationale Bemühen – siehe z.B. Hoff und Fischer – in eine rot-rot-grüne Regierung zu gelangen, noch irgendwelche Bestrebungen, die objektiv – also unabhängig vom Willen und entsprechenden Erklärungen – Spaltungsgefahren in sich bergen. Dass Oskar Lafontaine öffentlich alle zu Trotteln erklärte, die Sammeln und Spalten nicht auseinanderhalten können, ist kein sehr überzeugendes Argument. Überzeugend wäre eine nicht-ambivalente, nicht-kryptische Erklärung, um was für ein konkretes Projekt es sich bei einer linken Sammlungsbewegung eigentlich handeln soll. Eine solche Erklärung gibt es bis heute nicht, auch nicht im Interview mit Sahra im nd vom 21. März 2018. Wir jedenfalls werden alles mit tragen, was die LINKE stärkt und nichts, was das Gegenteil bewirken kann.

Nicht moralisieren, analysieren!

In den verbleibenden Wochen bis zum Parteitag müssen wir unseren Beitrag leisten, damit nicht jene Fragen im Mittelpunkt der Vorbereitung stehen, die u.E. destruktiven Charakter haben, sondern jene im Bericht schon aufgezeigten, die das Leben dringend stellt. Innerparteiliche Auseinandersetzungen hierzu sind zunächst einmal nichts Ungewöhnliches. Doch es gilt, bessere Wege zu finden, notwendige innerparteiliche Auseinandersetzungen in sachlicher Weise zu führen, ohne Denunziationen, Mobbing und Durchstechen an die bürgerlichen Medien. Die Auseinandersetzungen müssen der Findung bester gemeinsamer Inhalte und nicht der Unterwerfung dienen. Die Kommunistische Plattform ist um einen solchen kulturvollen Stil der Auseinandersetzung bemüht. Davon zeugen nicht zuletzt Monat für Monat unsere Mitteilungen. In dieser schwierigen Lage, in der sich unsere Partei befindet, ist eine Stärkung der KPF dringender geboten denn je. Wir überschätzen unsere Möglichkeiten nicht. Aber wir wissen dennoch, dass es wichtig ist, ein Zusammenschluss zu sein, der berechenbar ist und sich nicht vorrangig an tagespolitischen Interessen orientiert. Der Kern unserer Berechenbarkeit ist die Verlässlichkeit in unseren inhaltlichen Schwerpunkten, basierend auf unserem Parteiprogramm und gerichtet auf die Stärkung der LINKEN als antikapitalistische Kraft. Wir legen euch heute einen Beschlussentwurf vor, der direkt auf die bis zum Leipziger Parteitag vor uns liegenden Aufgaben orientiert und bitten hierfür um eure Zustimmung ebenso, wie für den Beschluss in Vorbereitung der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung am 13. Januar 2019.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben euch heute ein weiteres Papier zur Beschlussfassung vorgelegt, dem wir besondere Bedeutung beimessen. Deshalb abschließend dazu einige Bemerkungen. Wie im Bericht bereits erwähnt, finden in unserer Partei teils kontrovers ausgetragene Debatten über Ursachen der wachsenden Rechtsentwicklung und daraus resultierende Schlussfolgerungen für linke Politik statt. Diese Debatten gehen viel zu selten an die Wurzeln des Problems. Das Verhältnis zu Menschen in Not, gleich welcher Nationalität, ist natürlich untrennbar mit moralischen Maßstäben verbunden. Moralisieren allerdings, also Moral zu predigen, ohne selbige im Zusammenhang mit den herrschenden Verhältnissen zu analysieren, ist etwas anderes und bringt keine Erkenntnisse. Wir halten es mit Ronald M. Schernikau: »Einen Vorgang zu moralisieren heißt, ihm seinen Inhalt zu nehmen.« Unsere »Überlegungen zu Ursachen der Rechtsentwicklung und daraus resultierende Schlussfolgerungen für linke Politik« sind ein Versuch, der Partei ein Diskussionsangebot zu unterbreiten, das auf die Inhalte aktueller Vorgänge zielt. Wir wünschen uns eine breite Debatte mit dialektischem Anspruch, ohne gegenseitige Denunziationen und ohne Verbeugungen vor dem Zeitgeist. Das Papier erhebt nicht den Anspruch, die ganze Komplexität des Problems der Rechtsentwicklung und deren Folgen zu erfassen. Wir sollten auch hier und heute nicht den Ehrgeiz haben, eine annähernd perfekte Analyse zu verabschieden. Wir sollten uns auf ein – auch hinsichtlich seiner Länge – lesbares Papier verständigen, welches die aus unserer Sicht notwendigen Diskussionsschwerpunkte für eine Debatte in der Gesamtpartei enthält. Wir wollen dann dieses auf der heutigen Konferenz verabschiedete Diskussionsmaterial dem Leipziger Parteitag vorlegen mit der Bitte, zu beschließen, dass sowohl im Parteivorstand und im Bundesausschuss als auch in den Gliederungen und Zusammenschlüssen der LINKEN darüber debattiert wird und die Ergebnisse dieser Debatte analysiert werden, um zu einem Leitfaden zum Umgang mit rechten Tendenzen, nicht zuletzt für die bevorstehenden Wahlkämpfe, zu gelangen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Papier. Danke für die Aufmerksamkeit.

 

Anmerkungen:

[1] Forsa, 21. Januar 2018
[2] Bertolt Brecht, »Hundert Gedichte«, Bibliothek Fortschrittlicher Deutscher Schriftsteller, 1951
[3] junge welt, 9. März 2018, »Profite mit Atombomben«
[4] neues deutschland, 21. März 2018, René Heilig: »Wer strickt warme Socken für Soldaten?«
[5] neues deutschland, 20. März 2018, Klaus Joachim Herrmann: »Keine Angst vor Russland«
[6] FAZ, abgerufen am 14. September 2017
[7] junge welt, 5. Februar2018, Markus Bernhardt: »Nicht nur Protestwähler«
[8] junge welt, 5. Februar 2018, Werner Seppmann: »Der verkannte Machtfaktor«
[9] Referat auf der 1. Tagung der 19. Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform, 3. Dezember 2017

 

Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«: 

2018-05: Unerträglich ist die deutsche Politik

2018-03: »Meinst Du, die Russen wollen Krieg?«

2018-03: Die LINKE ersetzen oder stärken?