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Probleme und Aufgaben der Friedensbewegung

Lühr Henken, Berlin, Redebeitrag auf der 2. Tagung der 19. Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform

 

Die völkerrechtswidrigen Angriffe auf Syrien, die auf Russland zielen, und die Verschärfung von US-Sanktionen gegen russische Firmen machen in diesen Tagen deutlich, dass die Konfrontation gegen Russland, die mit dem Amtsantritt George W. Bushs begann, immer härter wird. Wie besorgniserregend sie ist, zeigt sich für mich in dem sehr bemerkenswer­ten Gastbeitrag in der FAZ vom 12. April, der, verfasst unter anderem von Edmund Stoiber, Horst Teltschik, Günter Verheugen und Antje Vollmer, unter der Überschrift »Dialog statt Eskalation« folgende gute Gedanken enthält: »Das Versprechen vom Ende des Kalten Krie­ges aus der Charta von Paris (1990) wurde nie eingelöst. Stattdessen wird mit dem Be­schwören einer russischen Bedrohung eine neue Aufrüstungsoffensive in Gang gesetzt. Die Spirale aus Maßnahmen und Gegenmaßnahmen löst sich zunehmend von den realen Gründen und Anlässen«. Der Beitrag endet mit folgenden Empfehlungen: »Worauf es in er­ster Linie ankommt, ist die Überwindung der Sprachlosigkeit. Über alle Konfliktpunkte und Streitpunkte mit Russland muss offen geredet werden, ohne Vorbedingungen und Drohun­gen. Wir sollten eine Politik entwickeln, die sich ausschließlich am internationalen Recht und an der gemeinsamen Verantwortung für das Schicksal der gesamten Menschheit aus­richtet. Deutschland und die EU sollten dazu die Initiative ergreifen. Die Idee einer gesamt­europäischen Partnerschaft ist zwar nicht neu, aber wartet auf Verwirklichung. Das ist das richtige und große außenpolitische Thema dieser Legislaturperiode. Wer das nicht sehen will, ist blind für die Gefahr eines dritten und letzten Weltkrieges.« [1]

Damit ist der Rahmen abgesteckt. Ich will im Folgenden kurz die NATO-Aufrüstungspolitik gegen Russland beschreiben, die deutschen Aufrüstungsplanungen und die EU-Militarisie­rung darstellen, die Rüstungsexportpolitik und die Drohnenbeschaffung skizzieren sowie wichtige Aktivitäten der Friedensbewegung ansprechen.

Russland muss sich bedroht fühlen

Was uns Sorgen macht, ist die Aufrüstungspolitik der NATO. Ihr Beschluss vom September 2014, die Militärausgaben ihrer europäischen Mitglieder binnen 10 Jahren möglichst auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung anzuheben, ist gegen Russland gerichtet. Russlands Reaktion auf den Rechtsputsch in der Ukraine wertet die NATO als Aggression. Die euro­päischen NATO-Militärhaushalte würden 2024 um rund 90 Mrd. auf jährlich 340 Mrd. Dol­lar wachsen, [2] wenn die Planung umgesetzt würde. Zum Vergleich: der russische Militär­haushalt lag laut SIPRI 2016 bei 69 Mrd. Dollar.

Behauptet wird, die NATO-Aufrüstung solle Russland abschrecken, sei für die Stärkung der Landes- und Bündnisverteidigung. Es fragt sich, wozu angesichts der realen Kräfteverhält­nisse zwischen NATO und Russland da noch abgeschreckt werden soll? Ein Vergleich der konventionellen Bewaffnung, den die Deutsche Welle im Februar veröffent­lichte, macht die drückende NATO-Überlegenheit deutlich: Die NATO verfügt mit knapp 3,5 Mio. Soldaten über das 4,4-fache Russlands, die NATO hat 25 Prozent mehr Kampfpanzer, sie hat das 2,8-fache an Kampfhubschraubern, das Vierfache an Erdkampf- und Kampf­flugzeugen, das 2,7-fache an Zerstörern, Fregatten und Korvetten, das 2,6-fache an U-Boo­ten. Während die NATO-Staaten 27 Flugzeugträger nutzen, hat Russland nur einen. Bei den Militärausgaben ist die NATO-Übermacht am deutlichsten: mit 881 Mrd. US-Dollar gibt sie das 13-fache aus wie Russland. Nur in einem einzigen Rüstungsbereich hat Russland mehr als die NATO: Es hat 8 Prozent mehr Artilleriesysteme. [3] Russland muss sich angesichts dieser Übermacht bedroht fühlen und versucht diese konventionelle Unterlegenheit mit taktischen Atomwaf­fen auszugleichen, sagt Hans Kristensen von der Federation of the American Scientists. [4] Davon hat Russland etwa 2.000 in ihrem europäischen Teil gelagert. Darüber gibt es mit dem Westen kein Abkommen. Russland bangt um seine strategische nukleare Zweit­schlagsfähigkeit, seit George W. Bush 2001 den Vertrag über die Begren­zung der Raketen­abwehr gekündigt hat und die US-Regierungen an einem umfassenden Raketenabwehrsys­tem, das auch gegen Russland gerichtet ist, arbeiten. Hinzu kommt das US-Bestreben, bis 2020 eine »Full Spectrum Dominance«, also eine umfassende Überle­genheit an Land, un­ter und auf dem Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Cyberspace zu erlangen. Seit 2006 arbeiten die USA an der Fähigkeit des »Prompt Global Strike«, das meint, binnen ei­ner Stunde jeden Ort der Welt mittels Interkontinentalraketen, Hyper­schall-Flugzeugen, Marschflugkörpern und Kampfdrohnen angreifen zu können. Hinzu kommt das von Obama aufgelegte Modernisierungsprogramm für Atomwaffen und ihrer Trägersysteme, das in den kommenden 30 Jahren 1.000 Milliarden Dollar verschlingen soll. Es beinhaltet auch die Er­höhung der Treffgenauigkeit und die Variabilität der Spreng­kraft, so dass diese Waffen über ihre Abschreckungsfunktion hinaus tatsächlich im Ge­fecht eingesetzt werden können. Diese Fähigkeiten sollen die 20 Wasserstoffbomben, die ab 2020 in Büchel stationiert wer­den sollen, haben. Verkleinerte Atomsprengköpfe wollen die USA auf U-Booten stationie­ren. Und die Abschussrampen der US-Raketenabwehrsyste­me sind für atomare Mittelstre­ckenraketen verwendbar. All das zwingt die russische Seite zu militärischen Gegenmaß­nahmen und löst ein Wettrüsten aus, dessen Worst-Case-Sze­nario – sprich Atomkrieg – hier in Europa stattfinden würde. Erschreckend ist nicht nur das Schweigen der Bundes­regierung zum US- und NATO-Aufrüstungskurs und der Raketenab­wehrplanung der USA, sondern ihre aktive Teilnahme.

»Es war die Bundesregierung, die im Nato-Rat mehrere Vorschläge machte, um die Mitglie­der zu höheren Militärausgaben zu animieren,« [5] war dem SPIEGEL über die Beratun­gen im NATO-Rat 2014 zu entnehmen. Insbesondere die Unionsparteien machen sich stark für die Umsetzung des Zwei-Prozent-Ziels. Es würde 2024 bedeuten, dass die Ausga­ben für die Bundeswehr auf bis zu 80 Mrd. Euro verdoppelt würden. Auf diese Zahl kommt man, wenn man die Wachstumsprognosen der alten Groko für das BIP bis 2021 von 3,25 Prozent jähr­lich bis 2024 fortschreibt. Das BIP betrüge dann 4.000 Mrd. Euro. Zwei Pro­zent davon sind 80 Milliarden Euro. Wofür soll das viele Geld verwendet werden? Dazu hat Ursula von der Leyen vor drei Jahren schon gesagt, dass sie bis 2030 allein 130 Mrd. Euro für neue Waf­fen und Ausrüstungen benötige. Konkreter wurde der Chef des Planungsstabs im Verteidi­gungsministerium, Generalleutnant Erhard Bühler, vor einem Jahr. Man habe den Fokus bisher zu sehr auf Auslandseinsätze allein gelegt, angesichts der Gefahr durch Russland müsse die »Bündnisverteidigung« gleichwertig im künftigen Fähigkeitsprofil be­rücksichtigt werden, hieß es. Bühler spricht von einer fundamentalen Änderung des Maß­stabes. Das bedeutet, bis 2031 soll die Bundeswehr so aufgerüstet werden, dass sie in we­niger als drei Monaten fähig ist, an Land, zu Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Cy­berraum einsatz­bereit zu sein. Das bedeutet konkret für das Heer, zehn statt sieben voll ausgerüstete Bri­gaden, d.h. 27 Bataillone mehr. Für die deutsche Artillerie bedeutet das 14 statt 3 Bataillo­ne. Es bedeutet fünfmal so viele Radpanzer für die Infanterie, mehr Kampfpanzer und mehr Schützenpanzer. Es sollen auch mehr Military Airbusse und – das ist völlig neu - 45 bis 60 schwere Transporthelikopter [6] angeschafft werden. Zudem soll Seekrieg aus der Luft wie­der möglich gemacht werden.

»Außerdem«, so ist der Presse zu entnehmen, »ist Deutschland der NATO gegenüber Ver­pflichtungen eingegangen: Ab 2027 muss die Bundeswehr eine voll einsatzbereite Division für die Landes- und Bündnisverteidigung vorhalten, die aus drei Brigaden mit je 4.000 bis 5.000 Soldaten besteht. Ab 2032 hat Deutschland der NATO dann sogar drei voll einsatz­bereite Divisionen zugesagt.« [7] Das heißt, hier sind gegenüber den NATO-Mitgliedern Zusa­gen gemacht worden, die während der nächsten 15 Jahre als bindende Vorgaben für die Bundeswehrausrüstung und –ausrichtung dienen.

EU gibt ihren zivilen Charakter auf

Diese Zusagen wurden parlamentarisch oder öffentlich nie diskutiert, sondern vor der Öffentlichkeit verborgen vorgenommen und werden argumentativ hervorgeholt, um ein groß dimensioniertes Bundeswehraufrüstungs­programm zu begründen. Was hat das mit Demokratie zu tun?

Beunruhigend ist auch die Militarisierung der EU: Im Juni 2017 sagte dazu der Vizepräsi­dent der EU-Kommission, der Finne Jyrki Katainen: »Wir sind in den letzten sechs Monaten viel weiter gekommen als in den sechzig Jahren zuvor.« [8] Dabei übertreibt Katainen nicht einmal. Was ist passiert? Seit der Brexit-Entscheidung im Juni 2016 wird die EU-Militarisie­rung von deutscher und französischer Seite beschleunigt. Das zeigt sich unter anderem an der Eingliederung anderer Armeen in Bundeswehrstrukturen. Je eine tschechische und eine rumänische Brigade ordnen sich deutschen Divisionskommandos zu, üben gemein­sam, um die Kampfkraft zu steigern. Mit den Niederländern ist das ohnehin schon der Fall, denn zwei Drittel der holländischen Heeresverbände sind den deutschen Kommandostruk­turen unterstellt. Deutschland und Frankreich stellen zusammen eine Luft­transportstaffel auf. Eine Luftbetankungsflotte mit vier weiteren EU-Mitgliedern ist beab­sichtigt. Ein EU-Hauptquartier wurde ins Leben gerufen, um den Armeeaufbau der fünf Länder der Sahel-Zone unter deutsch-französischer Führung in Angriff zu nehmen. All das dient der Vorbe­reitung auf eine Europäische Armee. Macron und Merkel vereinbarten, ge­meinsam neue Generationen von Kampfpanzern, Kampfjets und Artilleriesystemen zu ent­wickeln.

Die EU gibt ihren zivilen Charakter komplett auf. Sie legt sich eine Kriegskasse, Verteidi­gungsfonds genannt, zu, aus der pro Jahr 1,5 Milliarden Euro für Forschung, Entwicklung und Beschaffung verwendet werden sollen. So soll grenzübergreifende Rüstungsprodukti­on und die Fusion von Rüstungsbetrieben gefördert werden. Die Subvention beträgt 20 Prozent der Projektkosten. Steuergeld.

Mitte Dezember wurde mit PESCO eine ständige militärische Zusammenarbeit zwischen 25 EU-Staaten vereinbart. Voraussetzung ist: Sie müssen an den Battlegroups und an der Europäischen Verteidigungsagentur teilnehmen. Die Einstimmigkeit der Beschlüsse, damit also das Veto-Recht, wird abgeschafft. In puncto Rüstungsausgaben, Rüstungsentwicklung und Beschaffung und dem Verlegen von Truppen ist dann Kooperation erlaubt. Hier wird ein militärisches Kerneuropa allmählich Wirklichkeit, weil die Großen, insbesondere Deutschland und Frankreich bestimmen, wo es lang geht.

Wer bestimmt? Deutschland oder Frankreich? Sicher ist, beide treiben die EU-Militarisie­rung voran, wer führt, hängt vom Budget ab. Der französische Präsident hat 2 Prozent als Ziel Frankreichs für 2025 vorgegeben. Das wären dann etwa 52 Mrd. Euro. Verglichen mit den deutschen 80 Mrd. Euro wird klar, wer in der EU die größte Militärmacht würde: Deutschland.

Waffenexporte verbieten – Konversion fördern

Deshalb kommt die bundesweite Kampagne der Friedensbewegung »Abrüsten statt Aufrüs­ten!« zur rechten Zeit. Darunter werden Unterschriften gesammelt. Bisher sind es über 35.000. Es müssen noch bedeutend mehr werden. Das ist der übergreifende Schwerpunkt der Friedensbewegung mit gewerkschaftlicher Unterstützung. Der Kampf um atomare Ab­rüstung muss eine sehr viel höhere Aufmerksamkeit bekommen. Die Aktionen am Statio­nierungsort in Büchel bedürfen mehr Unterstützung. Deutschland muss atomwaffenfrei werden, und die Bundesregierung muss sichtbar aufgefordert werden, den Atomwaffenver­botsvertrag der UN-Generalversammlung zu unterschreiben.

Nach Berechnungen von SIPRI belegte Deutschland 2016 bei der Ausfuhr schwerer Rüs­tungsgüter Platz 3 in der Welt und damit Platz 1 in der EU. 2017 ist es um einen Platz ab­gerutscht. Es musste Frankreich den Vortritt in dieser Hitparade des Todes lassen. Aber das ist kein Grund zur Entwarnung. Die Bundesregierung hat noch keine Zahlen über die tatsächliche Kriegswaffenausfuhr 2017 veröffentlicht, aber die bekanntgegebenen Geneh­migungswerte für 2017, die erst später realisiert werden, sind nach wie vor auf sehr ho­hem Niveau. Das gilt insbesondere für Drittländer – also solche außerhalb von NATO und EU. Sie betragen 60 Prozent aller Genehmigungen. Dabei wird vor Kriegs- und Krisengebie­ten kein Halt gemacht. Algerien ist auf Platz 1, gefolgt von Ägypten. Saudi-Arabien belegt Platz 6, Südkorea Platz 7, die Emirate auf Platz 8. Im 1. Quartal 2018 ist Saudi-Arabien so­gar auf Platz 1 von allen Empfängerländern [9]. Dass mit deutschen Waffenausfuhren tat­sächlich Krieg geführt wird, wurde spätestens ab dem 20. Januar klar, als die türkische Ar­mee mit von der Bundeswehr gelieferten Leopard-2-Kampfpanzern völkerrechtswidrig in Nord-Syrien einfiel. Saudi-Arabien und andere arabische Staaten bombardieren mit US-Unterstützung Jemen und Saudi-Arabien blockiert dort Seehäfen. Deutschland lieferte u.a. Kampfflug­zeugteile und sechs von insgesamt 100 Patrouillenbooten an Saudi-Arabien aus.

Die Richt­linien für Rüstungsexporte sehen Lieferungen in Drittländer nur in Ausnahmefäl­len vor, die Menschenrechts­lage vor Ort muss in Ordnung sein und die Exporte sollen »re­striktiv« gehandhabt werden. Nichts davon wird einge­halten. Die Genehmigungswerte für Gewehr- und Pistolenmunition haben 2016 jegliches Maß gesprengt. Es waren mehr als alle Kleinwaffenmunitionsexporte der fünf Jahre zuvor zusam­men. Der Löwenanteil ging in die krieg­führenden USA.

Der Bundesausschuss fordert das gesetzliche Verbot von Waffenexporten. Zuallererst müssen Lieferungen an kriegführende Parteien gestoppt werden. Das schließt die Türkei ein. Ein Export­verbot für Klein­waffen samt Munition – nicht nur an Dritt­länder – und Waf­fenfabriken ist ein weiteres Zwischenziel auf dem Weg zu einem um­fassenden Verbot.

Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen deutscher Rüstungskonzerne dürfen deutsche Exportrichtlinien nicht umgehen. Generell muss es strikte Endverbleibskontrollen, keine Hermesbürgschaften und die Abschaffung der Militärattachés an deutschen Bot­schaften geben.

Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produkte (Konversion) muss mit Steuer­geldern gefördert werden. Der von der Friedensbewegung vom 21. Mai bis 2. Juni organi­sierte Staffellauf »Frieden geht!« gegen Rüstungsexporte von Oberndorf über Kassel nach Berlin bietet eine gute Gelegenheit, für eine friedliche Welt zu demonstrieren.

2019 will die Bundesregierung einen Vertrag mit den USA über vier Großdrohnen (TRITON/PEGASUS) zur elektroni­schen Kampfführung abschließen. Damit sollen weltweit ausländische Regierungen und ihre militärischen Komman­do­zentralen ausspioniert wer­den, um sie abzuschöpfen oder auszuschalten. Zudem beteiligt sich die Bundeswehr am Großdrohnenprojekt AGS der NATO zur Zielerfassung am Boden, will aber auch rein natio­nal genutzte Großdrohnen anschaffen. Beide Großdrohnentypen sollen in Jagel bei Schles­wig stationiert werden.

Schon Mitte Mai könnte im Bundestag die Entscheidung anstehen, sieben bewaffnungsfä­hige Drohnen für die Bundeswehr in Israel zu leasen. Kostenpunkt 1 Milliarde Euro. Über ihre Bewaffnung selbst soll später entschieden werden. Darüber hinaus hat sich die Groko im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine europäische Kampfdrohne entwickeln zu lassen, die 2025 in Serie produziert werden soll. Sie soll auch im europäischen Luftraum fliegen dürfen. [10]

Die USA nutzen ihren Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz unbehelligt als Relaisstation für ihre weltweiten Drohnen-Tötungen, obwohl es genügend Anhaltspunkte für völker­rechtswidrige Einsätze gibt. Im US-Kommando AFRICOM in Stuttgart werden Kampfdroh­neneinsätze in Afrika geplant.

Die Bundesregierung soll sich für die weltweite Ächtung von Kampfdrohnen einsetzen und auf die Anschaffung von Großdrohnen zur Zielerfassung und elektro­nischen Kriegführung verzichten. Die Bundesregierung muss ihrer Kontrollfunktion nachkommen und bei Verlet­zung der Rechtmäßigkeit die Genehmigung für die US-Stütz­punkte und die Relaisstation entziehen. Kalkar/Uedem darf nicht zur Kampfdrohnenkommandozentrale der Bundes­wehr, Jagel nicht zum Drohnen-Stationierungsort werden!

Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr!

Nun noch zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Durch die letzte Reform ist die Bundeswehr nunmehr fähig, zeitgleich und auf Dauer 11.000 Soldat*innen im Einsatz zu haben. Das Volumen schöpft sie nicht aus. Zurzeit sind es etwa 4.500, wobei die geostra­tegischen Interessen in Afghanistan, Mali, Litauen, Syrien/Irak und Libyen im Mittelpunkt stehen. Dort sind die höchsten Bundeswehrkontingente. Hier wird getreu der Interessen­definition gehandelt, die treffend Stefan Kornelius, Außenpolitikchef der Süddeutschen Zei­tung, dem aktuellen Weißbuch der Bundeswehr entnahm. Er schrieb über die Reihenfolge der Interessen: »an dritter Stelle bereits stehen – Prosperität und ungehinderter Welthan­del«. »Will heißen«, so Kornelius: »Die Freiheit der Meere und die Versorgung mit Rohstof­fen stehen im Interessenkatalog ganz oben.« [11] Kornelius‘ Resümee: »Das neue Weißbuch ist – gemessen an seinen Vorgängern – von neuer Klarheit. Noch nie seit dem Zweiten Welt­krieg hat sich das Land so deutlich zu seiner führenden Rolle in der Welt bekannt und dar­aus auch eine sicherheitspolitische Verpflichtung abgeleitet.« [12]

Zum Schluss: Wir stehen an der Schwelle zu einer starken Steigerung der deutschen Mili­tärausgaben. Die EU-Militarisierung geschieht in nie dagewesener Rasanz. Die Aufrüstung ist gegen Russland gerichtet, treibt die Eskalation voran, und ermöglicht zugleich mehr deutsche Kriegseinsätze weltweit. Deutschland droht zur militärischen Führungsmacht der EU zu werden.

Dem setzen wir unseren Appell »Abrüsten statt Aufrüsten« entgegen, der eine Entspan­nungspolitik mit Russland fordert. Wir mobilisieren zu den vielen Orten hierzulande, an de­nen Krieg beginnt, seien es Militärstandorte oder Rüstungsbetriebe. Wir fordern das Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr und ein Exportstopp von Rüstungsgütern. Wir sind uns sicher, dass wir damit die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung vertreten. Denn erst im Januar hat das Institut Allensbach herausgefunden, dass, obwohl nur 22 Prozent der Bevöl­kerung die Bundeswehr für gut ausgestattet und einsatzfähig halten, nur 27 Prozent dafür sind, mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben. [13] Das heißt, die Mehrheit will keine Aufrüstung.

Der Autor ist einer der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (www.friedensratschlag.de).

 

Anmerkungen:

[1] FAZ, 12.2.2018, Helmut Schäfer (Staatsminister im Auswärtigen Amt 1987-1998), Edmund Stoiber (bayrischer Minister­präsident (1993-2007), Horst Teltschik (Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz 1999-2008), Günter Verheugen (EU-Kommissar 1999-2010), Antje Vollmer(Vizepräsidentin des Bundestages 1994-2005), Dialog statt Eskalation.

[2] Die NATO schätzt die Militärausgaben ihrer europäischen Mitglieder 2017 auf rund 250 Mrd. Dollar, was 1,45 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts bedeutet. Für einen Anstieg auf 2 Prozent errechnet sich ein Wert von 340 Mrd. US-Dollar. Defence expenditure of NATO Countries (2010-2017), NATO Press Release 15.3.2018. 15 Seiten, www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/pdf_2018_03/20180315_180315-pr2018-16-en.pdf.

[3] Welt am Abgrund? Der Münchner Sicherheitsbericht, Deutsche Welle, 8.2.2018, www.dw.com/de/welt-am-abgrund-der-münchner-sicherheitsbericht/a-42482455.

[4] Streitkräfte und Strategien, Jerry Sommer, Russlands Nuklearstrategie – neue Rolle für taktische Atomwaffen, NDR-Info.de, 5.9.2015, S. 9 bis 13, S. 10. www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript546.pdf. Präzisere Aufstellung: bos.sagepub.com/content/early/2015/04/13/

0096340215581363.full.pdf+html, S. 2. Kristensen und Norris gehen von etwa 2.000 taktischen Nuklearwaffen aus. Ihre Funktionen sind vielfältig: »425 Spreng­köpfe sind zum Beispiel vorgesehen, um Luft- und Raketenangriffe gegen Moskau abzuwehren. 140 Sprengköpfe sollen russischen Kurzstreckenraketen geringer Reichweite zugeordnet sein, 650 Sprengköpfe stünden für Kampfflugzeuge bereit und etwa 730 seien für U-Boote und Schiffe gedacht. Alle diese taktischen Atomwaffen befinden sich in Friedenszeiten in zentralen Depots – auch bei Militärübungen.« (a.a.O.)

[5] Vgl. DER SPIEGEL, 25.3.2017, S. 30.

[6] FAZ, 7.2.2018, Rheinmetall hofft auf Luftwaffe.

[7] n-tv.de, Neuer Bundeswehr-Panzer zu alt – »Puma«-Aufrüstung kostet 500 Millionen, 25.1.2018, www.n-tv.de/politik/Puma-Aufruestung-kostet-500-Millionen-article20251868.html.

[8] Neue Zürcher Zeitung, 10.6.2017.

[9] Wirtschaftswoche, 12.4.2018, www.wiwo.de/politik/deutschland/waffenlieferungen-bundesregierung-erteilt-deutlich-weniger-ruestungsexport-genehmigungen/21168748.html.

[10] Der Einsatz von Kampfdrohnen senkt die Schwelle zum Gewalteinsatz, entgrenzt den Krieg und fördert das Wettrüsten. Experten warnen davor, dass damit die Entwicklung zu Kampf­robotern vorangetrieben wird, die im autonomen Einsatz tödlicher Mittel endet.

[11] Zuerst stehen: (1) Schutz der Bürger und des Landes, (2) Schutz der Verbündeten.

[12] Süddeutsche Zeitung, 13.6.2016.

[13] Welt.de, 14.2.2018, www.welt.de/politik/deutschland/article173588914/Allensbach-Sicherheitsreport-2018-Ansehen-der-Bundeswehr-sinkt.html.