Keine spürbare Verbesserung für unser Hauptklientel erreicht
Bodo Hinkel, Falkensee, Diskussionsbeitrag
Liebe Genossinnen und Genossen, die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Regierungsbeteiligung der Partei DIE LINKE in einigen Bundesländern nicht nur eine Frage erfolgreicher Wahlkämpfe ist.
Bisher vorliegende Analysen machen deutlich, dass mit linker RegierungsbeteiIigung selektiv einzelne Verbesserungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, z.B. im Bildungssystem, bei der Kinderbetreuung, teilweise für Flüchtlinge und Asylbewerber, im Verbraucherschutz, punktuell im Umweltschutz, im Gesundheitswesen und beim Vorrang für erneuerbare Energien erreicht worden sind.
Zunehmend wurden jedoch auch mit linker Regierungsbeteiligung öffentliche Mittel in Größenordnungen für die Aufrechterhaltung privater Wirtschaftsstandorte ausgegeben, ohne sie an gemeinwohlorientierte Kriterien wie Sicherung von Arbeitsplätzen, Tarifbezahlung, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, mehr Mitbestimmung etc. zu binden. lnsgesamt konnten durch Mitregieren der Linken auf Landesebene die negativen Bundestrends und spezifische Nachteile für Erwerbsabhängige in den für sie wichtigsten Lebensbereichen auch in Brandenburg nicht aufgehalten werden. Es gab kaum strukturelle Eingriffe, die zu besseren Ausgangsbedingungen für künftige Entwicklungen, weg vom Neoliberalismus, beigetragen hätten.
Regierungsbeteiligungen haben nirgendwo, und das gilt eben auch für Brandenburg, dazu geführt, dass Rechtsextremismus, entsprechende Gewalt und neofaschistisches Gedankengut in der Gesellschaft zurückgedrängt werden konnten. Wo es solche Zurückdrängung gab, erfolgte sie nicht im parlamentarischen Raum, sondern auf der Straße durch die Aktivität der Antifaschisten. Als besonders nachteilig erweist es sich, wenn Polizei und andere Staatsorgane in einem von SPD und Linker regierten Land Naziaufmärsche schützen und zugleich gegen antifaschistischen Widerstand eingesetzt werden.
Eine in der Präambel des Brandenburger Koalitionsvertrags von 2010 und bei allen möglichen Gelegenheiten wiederholte Reduzierung der DDR auf Unrecht, auf »Stasitätigkeit« und »Stalinismus« sowie pauschale Verurteilung und Distanzierung wurden als Ritual fürs Mitregierendürfen in Brandenburg verlangt und geübt.
Die Folgen einer derartigen linken Regierungsbeteiligung mussten wir in Brandenburg anlässlich der Landtagswahlen vom 14.09.2014 mit erheblichen Stimmenverlusten erfahren.
Wir Brandenburger Kommunistinnen und Kommunisten hatten uns gegenüber unserem Landesvorstand und der Landtagsfraktion zu diesem Wahlergebnis geäußert und diese Stellungnahme in unserem 10. lnformationsblatt veröffentlicht.
Die Wahlauswertung aus den Kreisen und Zusammenschlüssen, so hoben wir darin hervor, konnte in wenigen Stichpunkten zusammengefasst werden: DIE LINKE.Brandenburg hatte es nicht vermocht, die tatsächlich erzielten Erfolge linker Regierungstätigkeit den Wählern und ihren Mitgliedern zu vermitteln. Kaum wahrzunehmende außerparlamentarische Aktivitäten, fehlende wahrnehmbare Unterstützung von Bürgerinitiativen sowie Ämter-, Funktionen- und Mandatshäufung wurden in der Parteibasis kritisch registriert. Es zeigte sich, dass die systemkritische LINKE in Regierungsverantwortung zur systemtragenden Partei wird. Für unser Hauptklientel, Arbeitslose, sozial Benachteiligte, prekär Beschäftigte, Rentner, Jugend und Familien konnten keine spürbaren Verbesserungen erreicht werden.
Seit 2009 hat die KPF Brandenburg die Arbeit des Landesvorstands, unserer Ministerin und Minister sowie der Fraktion im Landtag nicht nur konstruktiv begleitet, sondern sich, ausgehend von den Erfahrungen aus der Arbeit an der Parteibasis, kritisch eingebracht und ggf. auf Veränderung gedrängt, so u.a. auch beispielsweise mit unseren Forderungen gegen den Missbrauch der ILA als Militärschau, gegen das Auftreten der Bundeswehr in Schulen und anderen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, gegen Rüstungsproduktion im Land Brandenburg. Reaktionen aus Landesvorstand und Fraktion auf unsere Stellungnahmen zur Regierungsbeteiligung unserer Partei erfolgten jedoch äußerst unbefriedigend oder gar nicht.
ln der Zwischenzeit wurde in Brandenburg nach der Landtagswahl vom September 2014 ein neuer Koalitionsvertrag ausgehandelt. Dieser Koalitionsvertrag stellt u.a. ein Loblied auf den Verfassungsschutz dar, beinhaltet die Gleichsetzung von Nazi-Verbrechen mit dem in der DDR begangenen Unrecht und fußt nicht zuletzt auf einer Präambel, die zwar nicht »Unrechtsstaat« sagt, jedoch genau diesen Begriff mit anderen Worten in Bezug auf die DDR umschreibt.
Bei der Frage nach Sinn und Notwendigkeit der Regierungsteilhabe ist von Zweck und Zielstellung der Partei, aktuell von ihrem geltenden Programm, auszugehen. Zur Realisierung ihrer Aufgabenstellungen sind Mittel und Wege den Zielen unterzuordnen. Dabei geht es um die Verbesserung der gegenwärtigen Lebenslage der Erwerbsabhängigen, der Arbeitslosen, prekär Beschäftigten, der meisten Rentner und eines Großteils der Mittelschichten.
Das ist mit dem Einsatz für grundlegende Veränderungen der Gesellschaft zu verbinden. Dadurch würden aktuelle Besserungen dauerhaft gemacht werden können, und es würden zugleich Ausgangspositionen für Schritte hin zu einer sozialistischen Gesellschaft verbessert werden. Es geht also auch bei der Frage des Mitregierens darum, die Grundrichtung linker Politik zu verfolgen entsprechend dem in unserem Parteiprogramm in der Präambel benannten »Richtungswechsel der Politik, der den Weg zu einer grundlegenden Umgestaltung der Gesellschaft öffnet, die den Kapitalismus überwindet.« (Präambel, S. 5)
Unverzichtbar sollte die Linke eine Friedenspartei bleiben, die jegliche militärische Einsätze der BRD im Ausland ablehnt und für die Einschränkung der Rüstungsindustrie und die Verhinderung ihrer Exporte eintritt. Ebenso gehört internationale Solidarität mit allen Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Erde zu den Grundsätzen der Partei, das schließt den Einsatz gegen deutsches Großmachtstreben in Wirtschaft und Politik zulasten anderer Völker ein.
Regierungsteilhabe ist demnach kein »Wert an sich«. Die Entscheidung darüber ist auch nicht vor allem nach rechnerischen Möglichkeiten, nach Wahlen gemäß dem bürgerlichen Parlamentarismus und dem üblichen Verhalten anderer Parteien zu treffen. Eben deshalb gibt es das Einverständnis im Programm über »sinnvolle«, »anzustrebende« und »auszuschließende« Regierungsbeteiligungen. (S. 74/75) Sie seien anzustreben, wenn dadurch die Lebenslage der Menschen verbessert werden kann, heißt es im Programm.
Und weiter aus dem Parteiprogramm: Die Linke wird sich nicht an einer Regierung beteiligen, die Kriege führt, Kampfeinsätze der Bundeswehr zulässt, Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt ... (ebenda, S. 75).
Bei allen Debatten zur Regierungsfrage, die in der internationalen Arbeiterbewegung seit über 100 Jahren und auch von Anbeginn in der PDS und in unserer Partei kontrovers geführt werden, scheinen uns die im Parteiprogramm gefundenen Positionen und die in Magdeburg präzisierten Prinzipien eine gute Grundlage zu sein.
Und wenn wir mit dem Parteiprogramm eine Regierungsbeteiligung nur dann als sinnvoll ansehen, wenn sie eine »Abkehr vom neoliberalen Politikmodell durchsetzen sowie einen sozial-ökologischen Richtungswechsel einleiten« kann, liegt auf der Hand, dass in Brandenburg gegenwärtig dafür die Voraussetzungen fehlen. Das wäre der mit dem Eintritt der Linken in die Regierung in Brandenburg versprochene oder verbal angestrebte, aber objektiv noch nicht erreichbare »Politikwechsel«.
Gehen wir also davon aus, dass die Option von Tolerieren oder Mitregieren insoweit vor, Landesverbänden der Partei, vor allem im Osten, stehen kann, als sie damit zwar keinen Politikwechsel, wohl aber eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen im Rahmen der Gesamtstrategie der Partei anstreben würden. Vor allem unter diesem Gesichtspunkt wären bisherige gute und schlechte Erfahrungen aufzuarbeiten und künftig zu berücksichtigen.
Bei der u.a. von der KPF und dem Ältestenrat in der Partei DIE LINKE immer wieder geforderten innerparteilichen Diskussion bisheriger Erfahrungen in Regierungsbeteiligung geht es nicht um Glaubensbekenntnisse, Schuldzuweisungen, Fehlerdebatten und Rechthaberei, sondern um produktive Analysen, die im Interesse der Mehrheit in der Gesellschaft und im lnteresse der Partei gebraucht werden.