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In Regierungskoalition sanken unsere Wahlerfolge

Waltraud Tegge, Neustrelitz, Diskussionsbeitrag

Liebe Genossinnen und Genossen, Mecklenburg-Vorpommern hat am 4. September einen neuen Landtag gewählt. Das Ergebnis war für unsere Partei schockierend. Gewinnerin der Wahl war die AfD. Sie schaffte, aus dem Stand zweitstärkste Kraft mit 20,8 Prozent im Land zu werden.  Die SPD verlor 5 Prozent, blieb aber mit 30,6 Prozent stärkste Kraft. Die CDU verlor 4 Prozent, und blieb mit 19 Prozent noch drittstärkste Kraft vor der Partei DIE LINKE. Die LINKE verfehlte ihre Wahlziele und erreichte mit 5,2 Prozent Verlust nur 13,2 Prozent. Damit erreichte sie ihr bisher schlechtestes Ergebnis seit 1990.

Damals erreichte sie unter schwierigen politischen Bedingungen noch als PDS immerhin 15,7 Prozent. Heute sind es sogar noch 33.000 Zweitstimmen weniger, aber dazwischen liegt eine Zeit mit einem unserer besten Wahlergebnisse. Das hatten wir 1998 mit 24,4 Prozent.

Dann gingen wir in Regierungskoalition mit der SPD. Und damit sanken unsere Wahlerfolge. Seit 1998 verlor die Partei kontinuierlich an Wählerstimmen. Jetzt beträgt der Verlust trotz 10-prozentiger Steigerung der Wahlbeteiligung immerhin 158.000 seit 1998.

Dieser Trend konnte nicht gestoppt werden. Umso unerklärlicher ist, dass noch am Wahlabend Teile der neugewählten Fraktion mit diesem Wahlergebnis einen Regierungsauftrag für Rot-Rot sahen.

Wo liegen die Ursachen für den Abwärtstrend unserer Partei? Die Partei wird nicht mehr als Protestpartei wahrgenommen. Das Streben nach Regierungsbeteiligung machte sie als linke Kraft unglaubwürdig. Eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis ohne rote Haltelinien wird von vielen nicht gewollt. Hat doch die jahrelange Mitwirkung unserer Minister keinen grundlegenden Wandel gebracht.

Unser Wahlprogramm war ein Regierungsprogramm. 40 Seiten waren für viele eine Zumutung. Als wichtigster subjektiver Faktor wird von vielen Genossen die große Distanz unseres Landesvorstandes und der meisten führenden Funktionäre zu den Genossen an der Basis gesehen, die zu erheblichen Realitätsverlusten geführt hat.

Der Landesvorstand hat die politische Lage nicht richtig eingeschätzt. Die Gefahr, die von der zunehmenden Zustimmung für die AfD ausgeht, hat er nicht deutlich genug gemacht. Innerparteiliche Querelen verstärken die Trennung, wodurch die Motivierung nicht aller Funktionsträger, Abgeordneten und einfachen Genossen gelang.

Ein Großteil der Mitglieder hielt die Forderung des Genossen Peter Ritter, die Genossin Sahra Wagenknecht nicht einzuladen, für unverschämt und parteischädigend, da sie nicht von Demokratieverständnis zeugt und die Missstimmung unter Sympathisanten verstärkte. Das Nichtreagieren auf die Äußerung des Genossen Bodo Ramelow zur Bundesregierungsbeteiligung 2017 unter Außerachtlassung der NATO stieß nicht nur bei Genossen auf Widerspruch. Linksorientierte Wähler gaben dann lieber der DKP ihre Stimme, oder vielleicht wählten sie auch gar nicht.

Die Organisierung des Wahlkampfes im ländlichen Raum scheint dem Vorstand unbekannt zu sein. Davon zeugt Genossen Helmut Holters Meinung, dass die Basis nicht ausreichend gekämpft hat. Zukunftsprojekte waren nur ungenügend bekannt. Flyer gab es nicht, soweit sie an der Basis nicht selbst hergestellt wurden. Die Plakate hatten keinen linken Erkennungswert. Sie waren farblich schlecht, nämlich schwarz, mit banalen Slogans versehen. Dadurch fehlten im Wahlkampf unsere linken Themen wie soziale Gerechtigkeit, Frieden, Kriegsbeteiligung, Waffenhandel, Solidarität, TTIP und CETA, mangelnde Auseinandersetzung mit den Regierungsparteien.

Der außerordentliche Parteitag am 24. September in Güstrow ließ dann schon kritische Worte der Landesvorsitzenden hören. Dies war nach den vielen Wortmeldungen von der Basis nach der Wahl auch nicht anders zu erwarten, da diese kein »Weiter so« und eine Erneuerung nur ohne Genossen Helmut Holter und die Landesvorsitzende Heidrun Blum forderte.

In Güstrow wurde eine Neuausrichtung des Landesverbandes nach tiefgründiger Analyse beschlossen. Diese Analyse soll von einer Strategiewerkstatt erarbeitet werden und Ende April 2017 vorliegen. Danach soll festgelegt werden, wie die Partei weiter agieren wird. Die dazugehörigen Regionalkonferenzen sollen erst im März 2017 stattfinden. Dann steht aber bereits der Bundestagswahlkampf an. Zurzeit laufen landesweit Diskussionen.

Hier noch einige Meinungen von der Basis, die von einem Neuausrichtungswillen zeugen:

  • Politische Meinungsbildung muss vor Aktionismus stehen.
  • Parlamentarische und außerparlamentarische Arbeit müssen als Einheit geführt werden.
  • Großkreisbildung hat nicht nur auf staatlicher Ebene Bürgerferne gebracht, sondern in der Partei ähnliche Effekte ausgelöst, daher sind andere Organisationsformen notwendig.
  • Diese Partei braucht endlich wieder ein öffentlichkeitswirksames eigenständiges Profil, welches sich aus dem Streiten für unser Programm ergibt und nicht immer darauf Rücksicht nimmt, ob man nicht den zukünftigen Koalitionspartner zu sehr verärgert.

Ob uns nach diesen Auseinandersetzungen die Veränderungen gelingen und wir einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf führen können, werden wir nur gemeinsam herausfinden.