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2. Tagung der 21. Bundeskonferenz

Spaltungstendenzen sind Teil der Krise, nicht ihre Lösung

Bericht des Bundessprecherrates von Bodo Hinkel, Bundessprecher der KPF

Liebe Genossinnen und Genossen,

am 30. April 2022 fand unsere jüngste Bundeskonferenz statt. Der Krieg in der Ukraine lief gerade gut zwei Monate. Kurz zuvor hatten noch Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine stattgefunden und ein unterschriftsreifes Dokument lag vor. Doch die USA wünschten wohl kein Ende des Blutvergießens und schickten am 9. April 2022 Boris Johnson nach Kiew. Der verlangte die Fortsetzung des Krieges und wir erleben: Russland verschleißt sich, die EU treibt sich selbst durch ihr Vasallenverhalten in den wirtschaftlichen und sozialen Ruin; etwas Besseres kann dem US-Imperium kaum passieren. Und die Milliarden und Aber-Milliarden Dollar, für die die Ukraine Waffen erhält, erbringen die Superprofite vor allem für die US-Rüstungskonzerne; und nicht weniger bezahlt macht sich die irrsinnige Aufrüstung der NATO und deren Verbündeten. Der Dollar ist stark, der Euro schwächelt, und im Falle eines atomaren Konfliktes muss Europa daran glauben. Biden ist ein in der Sache atomar zündelnder Abenteurer, der heuchlerisch vor einem Armageddon warnt. Das Imperium war und ist allerdings nicht erst seit Joe Biden bereit, die 1997 veröffentlichte, von Brzeziński konzipierte Strategie »Die einzige Weltmacht«[1] in hohem Tempo weiter umzusetzen. Der Hauptfeind für die USA bleibt dabei die VR China. Darauf hier weiter einzugehen, würde den Rahmen sprengen, und wir verweisen stattdessen auf entsprechende Artikel in unseren Mitteilungen. Einige wenige Bemerkungen zu China dennoch: Dass Caren Lay im Rahmen einer Bundestagsdelegation Taiwan besuchte, bleibt unerträglich. Admiral Charles A. Richard, Kommandeur des U.S. Strategic Command und als solcher zuständig für die US-Nuklearstreitkräfte, äußerte Anfang November 2022: »Das große Ding« – gemeint ist der Konflikt zwischen den USA und China –, das komme mittlerweile näher, und es werde wohl nur noch kurze Zeit verstreichen, »bis wir vor Prüfungen stehen, vor denen wir lange nicht mehr gestanden haben«.[2] Wie irre müssen all diejenigen sein, die – ungeachtet der Ein-China-Resolution der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 1971 – die Volksrepublik in der Taiwan-Frage wieder und wieder provozieren. Können sie den Dritten Weltkrieg nicht erwarten?

In seiner Widersprüchlichkeit von Tragik gekennzeichnete Situation

Der Krieg in der Ukraine scheint die Weltmacht-Strategie des US-Imperialismus – zumindest gegenwärtig – nicht einzudämmen. Unsere Befürchtungen im Rahmen der Diskussion auf der Sitzung des Bundeskoordinierungsrates am 5. März 2022 haben sich als nicht unberechtigt erwiesen. Im Ergebnis der Diskussion formulierten wir wenige Tage nach Kriegsbeginn unter anderem:

»Wir haben es mit einer, in seiner Widersprüchlichkeit von Tragik gekennzeichneten Situation zu tun. Einerseits stellt die Operation der russischen Streitkräfte in der Ukraine einen Bruch des Völkerrechts dar. Andererseits liegen wesentliche Ursachen für diesen Schritt nicht primär in Russland, sondern in der aggressiven Politik des Westens. Wir übersehen dabei nicht, dass auch in Russland die Interessen des großen Kapitals Einfluss auf politische Entscheidungen haben. […]

Auch mit solchen Widersprüchen müssen wir zurechtkommen und uns gleichzeitig gegen die unerträgliche Hetze stellen, deren Kern darin besteht, Russland zum Alleinverantwortlichen für die entstandene Lage zu machen und die NATO zu einem die Demokratie verteidigenden Bündnis …«[3]

»Es kommen härtere Jahre …«

Inzwischen sind mehr als acht Monate vergangen. Was leider mit Sicherheit festgestellt werden kann, ist, dass unter der Überschrift einer sogenannten Zeitenwende auch hierzulande weitere Kriegsvorbereitungen in erheblichem Umfang laufen. Die Bundeswehr müsse, so Olaf Scholz auf der Bundeswehrtagung am 15. und 16. September, »zur am besten ausgestatteten Streitkraft in Europa werden«. Die Truppe müsse sich auf die »Landes- und Bündnisverteidigung« zurückbesinnen und diesem Ziel alles andere unterordnen. Dies sei der Kernauftrag der Bundeswehr und nicht etwa »Brunnen bohren, humanitäre Hilfe absichern, Fluten eindämmen, [und] in Pandemiezeiten beim Impfen helfen.«[4]

Die Rede des Bundespräsidenten Steinmeier am 28. Oktober 2022 in Schloss Bellevue vertieft diesen Kurs. »Es kommen härtere Jahre, raue Jahre auf uns zu«, sagte er. Für Deutschland beginne »eine Epoche im Gegenwind«. Deshalb gelte: »Alles stärken, was uns verbindet«.[5] So bereitet man die »Volksgemeinschaft« auf den Krieg vor. Wir werden sehen, wie das bei den Noch-Verkäuferinnen und Verkäufern von Galeria Karstadt Kaufhof funktioniert, wenn mindestens ein Drittel der verbliebenen Warenhäuser geschlossen sein werden. Sie seien stellvertretend für viele genannt, denen der soziale Abstieg droht. »Etwa zwei Drittel der [in einer Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes] Befragten verzichten in ihrem Alltagsleben auf früher übliche Ausgaben. Mehr als die Hälfte will sich weiter einschränken«.[6]

DIE LINKE muss schnell die Frage beantworten, ob sie ihr soziales Agieren mit der Aufklärung über die komplexen Ursachen für die sich abzeichnenden sozialen Verwerfungen verbinden will, oder ob sie – aus Angst, als »Putinversteher« denunziert zu werden – die Vasallenpolitik der Ampel ungeschoren lässt. Ist es zu viel verlangt, wenn wir erwarten, dass eine linke Partei nicht hinter dem zurückbleibt, was eine Demokratin wie Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz in ihrem Vortrag an der VHS Reutlingen[7] analysierte? Verzichtet unsere Partei weiter darauf, die Politik des US-Imperiums und der NATO zu entlarven, so überlässt sie die Interpretationshoheit der AfD. Doch wie auch immer sich die Politik der LINKEN in naher Zukunft entwickeln wird – für die Herrschenden bleibt sie ein nicht bis zu Ende berechenbarer Faktor, allein schon ihrer Basis wegen.

Wo Krieg vorbereitet wird, muss jede Kraft weg, die sich dem in den Weg stellt, und sei es zeitweilig auch nur potenziell. Dass führende Genossinnen und Genossen der Partei DIE LINKE Friedenspolitik zunehmend halbherzig betreiben, wissen wir alle. Und doch ist sie die einzige noch in Parlamenten vertretene Partei, die letztlich antimilitaristisch agiert. Wir halten es nicht für einen Zufall, dass gerade gegenwärtig massive Prozesse der Spaltung der LINKEN laufen. Wenngleich es den Anschein erweckt, diese Entwicklungen seien hausgemacht, sind wir überzeugt, dass es um mehr geht.

Geht man, wenn das gewünscht ist?

Wir wollen an dieser Stelle nichts von dem wiederholen, was wir in unserer Einschätzung des Parteitages vom 24. bis 26. Juni 2022[8] feststellten, sondern uns vielmehr dazu äußern, was seither geschehen ist und aktuell geschieht. Zunächst aber eine unsere Partei nicht direkt betreffende Bemerkung:

Am 25. und 26. September 2022 wurde in Italien ein neues Parlament gewählt. Gewinnerin wurde Giorgia Meloni, Vorsitzende der faschistischen Fratelli d’Italia im Bündnis mit der Lega von Matteo Salvini und Silvio Berlusconis Forza Italia. »Ich habe ein unbeschwertes Verhältnis zum Faschismus« – diese ungeheuerliche Feststellung stammt aus einem Interview mit ihr vom 7. Dezember 2006[9]. Doch Faschisten haben nicht nur in Italien zunehmend freie Bahn. Bereits die Umfragen hatten darauf hingedeutet, dass die zutiefst und seit langem gespaltene italienische Linke chancenlos sein würde. Wer den italienischen Weg der Linken geht, verschwindet – wo auch immer – im Regelfall in der Bedeutungslosigkeit.

Aus diesem Grund hat die KPF in ihrer Erklärung vom 11. September 2022[10] die Mitglieder unserer Partei und vor allem deren Protagonisten dazu aufgerufen, eine Spaltung der LINKEN nicht zuzulassen. Wir taten das in dem Wissen, dass es führende Kräfte in der Partei gibt, die die Illusion haben, wenn Sahra Wagenknecht und mit ihr deren Anhänger die Partei verließen, würde der innerparteiliche Streit aufhören und die LINKE erholte sich dann nach einiger Zeit. Die jüngste diesbezügliche Aktion der spalterischen sogenannten Progressiven LINKEN zeugt davon, dass aus dieser Illusion organisatorische Vorschläge werden. Wer allerdings denkt, mit einem Weggang von Sahra würden sich innerparteiliche Probleme erledigen, hat sich von jeglichem Realismus verabschiedet. Die so herangehen, unterschätzen die Popularität Sahras total und ignorieren, dass grundlegende inhaltliche Differenzen nicht zugleich verschwinden werden. Oder glauben sie zum Beispiel tatsächlich, dass alle Parteimitglieder, die die LINKE nicht verlassen werden, weil sie grundsätzlich gegen eine Spaltung sind, nun plötzlich dafür sein werden, dass die Partei die zerstörerische Sanktionspolitik der Ampel weiter mitträgt? Diejenigen, die alles tun, damit sich der Eindruck verfestigt, Sahra solle um jeden Preis aus der Partei gemobbt werden, wissen entweder nicht, was sie tun, oder – auch die gibt es sicher – sie wissen es auftragsgemäß sehr genau.

Es ergibt sich allerdings die Frage: Geht man, wenn die Absicht auf der Hand liegt, dass eben das gewünscht ist, oder bleibt man gerade dann? Nach den unerträglichen, zutiefst verkommenen Anwürfen von Bodo Ramelow, der Sahra mit dem Faschisten Höcke verglich und kryptische Empfehlungen aussprach, »sich mit dem 1939 geschlossenen Hitler-Stalin-Pakt sowie dem geheimen Zusatzprotokoll zu beschäftigen«, äußerte sie: »Natürlich kann man das alles widerspruchslos hinnehmen. Man darf sich dann nur nicht beschweren, wenn zumindest ich mit diesem Laden nichts mehr zu tun haben will.«

Doch, wir beschweren uns. Denn wir nehmen das alles nicht widerspruchslos hin und haben – über drei Jahrzehnte – so gut wie immer, und zwar öffentlich, Solidarität mit Sahra geübt, wenn sie angegriffen wurde. War das in seltenen Fällen nicht der Fall, so teilten wir ihre Positionen nicht. Doch zu keinem Zeitpunkt hat die KPF sich an öffentlichen Angriffen auf Sahra beteiligt, und auch Meinungsverschiedenheiten mit ihr, zum Beispiel in der Zuwanderungsfrage oder der Einschätzung der DDR, haben das solidarische Handeln unseres Zusammenschlusses mit Sahra nie beeinflusst. Deshalb nehmen wir uns das Recht, zu sagen: Spaltung ist keine Alternative. Und – Schritte dorthin gibt es nicht erst seit den unsäglichen Äußerungen von Herrn Ramelow. Und sie enden nicht mit Ramelows Provokationen. Denken wir nur an den Offenen Brief von Henriette Quade, Katharina König-Preuss und Juliane Nagel vom 9. September 2022[11], in dem der Ausschluss von Sahra aus der Partei und der Rücktritt des Fraktionsvorstandes gefordert werden. Aktuell bereitet eine sich als Progressive Linke bezeichnende Gruppierung für den 3. Dezember 2022 ein Vernetzungstreffen und einen sogenannten Ratschlag vor. Blicken wir auf die Initiatorinnen und Initiatoren, so erwarten wir von diesem geplanten Treffen weder gute, geschweige denn progressive Ratschläge. Das Ausschlussverfahren gegen Diether Dehm weist in die gewollte Richtung. Der Bundessprecherrat hat am 17. November 2022 eine Erklärung hierzu veröffentlicht.[12]

Parteispaltung verhindern

Sollte es zur Spaltung kommen, so würde es DIE LINKE nicht überleben, und die wie auch immer sich bezeichnende Abspaltung würde vermutlich das gleiche Schicksal erleiden wie »Aufstehen«. Brutal formuliert: DIE LINKE könnte ohne Sahra nicht existieren und Sahra würde ohne die Partei wohl bei weitem nicht mehr die derzeitige Rolle spielen. Auch letzteres könnten wir detaillierter begründen, und irrten wir uns, so wäre das der Beweis dafür, dass alle im Kontext mit »Aufstehen« gemachten Fehler analysiert wurden und die durchweg richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen wurden.

Wir fordern von unserer Konferenz den Parteivorstand, den Bundesausschuss und die Bundestagsfraktion auf, ihrer jeweiligen Verantwortung gerecht zu werden und endlich alle innerparteilichen Kontrahenten an einen Tisch zu bringen, um sich zu verständigen – im Interesse unserer Mitglieder und Wähler.

An dieser Stelle einige wenige Bemerkungen zum Euch vorliegenden Beschlussentwurf: Darin geht es nicht darum, die inhaltlichen Positionen noch einmal kurz zu skizzieren, auf die wir uns in Vorbereitung des Juni-Parteitages 2023 vorrangig konzentrieren wollen. Die benennen wir gerade in unserem Referat. Es geht auch nicht darum, noch einmal zu konkreten Zielen in puncto Mitgliedergewinnung oder Mitteilungsverbreitung Stellung zu nehmen. Es geht uns ausschließlich um die momentan entscheidende Frage: Uns kurz und prägnant gegen eine Spaltung der Partei zu wenden. Das soll die entscheidende Botschaft sein, die von unserer Konferenz ausgeht.

Und was erreicht ihr überall dort?

In diesem Jahr sind 55 Genossinnen und Genossen in die KPF eingetreten und etwa genauso viele KPF-Mitglieder haben die LINKE verlassen, meist aus Unzufriedenheit mit der politischen Linie des Parteivorstandes. Die meisten, die diesen Schritt taten, bekundeten zugleich ihre Solidarität mit der KPF. Wir wissen: Das ist absolut ehrlich gemeint, es schwächt aber dennoch unsere Position in der LINKEN, politisch und auch materiell. Häufig wird uns von aus der Partei Ausgetretenen gesagt, es ginge ihnen nun besser, da sie für die politische Linie des Vorstandes nicht mehr in Mithaftung genommen werden könnten. Das kann man so sehen. Allerdings möchte der Bundessprecherrat hier erklären: Auch wir lassen uns, ausgehend vom Parteiprogramm, nicht in Mithaftung nehmen für all die inhaltlichen Positionen, die nicht die unseren sind und mit denen wir uns offen und öffentlich auseinandersetzen; ob an der Parteibasis, in unseren Bezirken bzw. Kreisen, in den Ländern oder auf Bundesparteitagen, in den Parteizusammenschlüssen – kurzum in allen Strukturen und Gremien, die die Linie der Linken mitprägen. Und – was erreicht ihr überall dort, so lautet die nicht selten an uns gestellte Frage, zum Beispiel auch im Kontext mit den Abstimmungsergebnissen über das Bedingungslose Grundeinkommen? Die Frage ist leider berechtigt. Ebenso berechtigt ist jedoch auch unsere Antwort. Hätten über die Jahre nicht so viele von uns resigniert, so könnte es besser aussehen. Doch es ist, wie es ist. Gerade deshalb ist es wichtig, nicht aufzugeben.

In Anbetracht der Lage erhebt sich doch letztlich die Frage: Würde sich das politische Klima hierzulande verbessern, wenn es die in vielerlei Hinsicht kritikwürdige Linke nicht mehr gäbe, oder ist es trotz alledem besser, es gibt diese Partei, schon alleine deshalb, damit sich die Rechte, insonderheit die AfD, nicht als einzige »Oppositionspartei« darstellen kann?

Wer Kommunist ist und wer nicht?

Wir meinen: Verschwände die Linke in der Bedeutungslosigkeit, so rückte das Land noch weiter nach rechts. Da wir das nicht wollen, kämpfen wir nicht zuletzt um die Existenz unserer Partei, unter einer Voraussetzung: DIE LINKE muss bei ihren friedenspolitischen Grundsätzen bleiben. Und der Kampf muss geführt werden, dass sie auch entsprechend handelt. Wir alle wissen: Programmatische Positionen bleiben nicht im Selbstlauf erhalten. Und noch mehr Kampf ist dahingehend erforderlich, dass sie auch eingehalten werden. Sollte DIE LINKE in friedenspolitischer Hinsicht irgendwann werden, wie die anderen etablierten Parteien es schon lange sind, so hätte ihre Existenz den Sinn verloren.

Diese unsere Position wird vor allem von sich links neben uns Wähnenden angegriffen, und die Steilvorlagen dafür bieten nicht zuletzt bürgerliche Klischees darüber, was Kommunistinnen und Kommunisten charakterisiert. Im nd vom 30./31. Juli 2022 schrieb Karsten Krampitz über einen Besuch in der von der KPÖ regierten Stadt Graz[13]. In seinem Artikel bezieht er sich auch auf Thomas Ebermann, der sagt, die Leute von der KPÖ seien liebenswert, erfolgreich und hinterwäldlerisch. Aber eines seien sie eben nicht: Kommunisten. Ebermann, so schreibt Krampitz, müsse es wissen, habe er sich doch in Deutschland viele Jahre beim Kommunistischen Bund (KB) engagiert. Nachfolgend geht es nicht um überzeugte Genossinnen oder Genossen, die damals in K-Gruppen organisiert waren – stellvertretend sei hier Genossin Ulla Jelpke genannt. Aber: Wer googelt und die Namen der Protagonisten des KB und auch des Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) findet, der darf doch daran zweifeln, dass diese teils obskuren Gründer im konkurrierenden Kontext mit der Konstituierung der DKP geeignet sind, festzustellen, wer Kommunist ist und wer nicht. Für den KBW seien genannt: Reinhard Bütikofer, Winfried Kretschmann und Ralf Fücks; für den KB: Angelika Beer, Jürgen Elsässer und Jürgen Trittin.

Kehren wir noch einmal zu Ebermann zurück: Kommunismus, sagt er, sei in der Gegenwart nur noch eine voluntaristische Position. »Das revolutionäre Subjekt ist abhandengekommen.« Die Geschichte verlaufe nicht mehr gesetzmäßig.

Antikapitalismus – unverwechselbares Grundelement kommunistischer Gesinnung

Letzteres war doch wohl schon nicht der Fall, als wir davon noch felsenfest überzeugt waren. Da hatten wohl schon jene Recht, die meinten, Geschichte sei nach vorne offen. Ob das revolutionäre Subjekt abhandengekommen ist, lässt sich womöglich in einer Periode tiefer kapitalistischer Restauration seit der eigentlichen Zeitenwende 1989/91 kaum abschließend beurteilen. Dass es aber voluntaristisch sein soll, hier und heute die Position zu unterstreichen »Sozialismus oder Barbarei«, das ist offenkundiger Blödsinn. So, wie sich die Welt heute darstellt, lässt sich wohl mit Sicherheit sagen, dass die Aufrechterhaltung des Profitmechanismus das Ende der Zivilisation bedeuten wird. Es gibt keine Gesetzmäßigkeit, die das verhindert. Das heißt jedoch nicht, dass der Untergang der Menschheit unausweichlich ist. Antikapitalismus ist in der Gegenwart das unverwechselbare Grundmoment kommunistischer Gesinnung. Man kann daran zweifeln, ob der Kapitalismus überwindbar ist. Man kann unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, wie eine solche Überwindung vonstattengehen sollte und wie lange das dauert, und man kann sehr unterschiedliche Vorstellungen haben, welche Schritte zum Ziel führen könnten; natürlich zunächst im Rahmen des kapitalistischen Systems. In diesem leben und wirken wir ja. Aber eins steht für uns außer Frage: Die Lösung der Eigentumsfrage ist Voraussetzung für die Weiterexistenz der Menschheit. Die Aufrechterhaltung der Rahmenbedingungen für die Profitmaximierung bedeutet deren Ende. Wer sich von diesen Grundüberzeugungen leiten lässt, illusionsfrei und mit der Bereitschaft, für die kleinsten Schritte in die notwendige Richtung hart zu arbeiten, dem ist eine kommunistische Gesinnung kaum abzusprechen.

Hin und wieder werden wir mit der Auffassung konfrontiert, Kommunistin oder Kommunist könne man nur sein, wenn man in einer Kommunistischen Partei organisiert sei. Die Mitglieder der KPF müssten also in die KPD, in die DKP oder in die MLPD übertreten? Und wir wären dann – sagen wir in der KPD – mehr Kommunist als in der KPF? Das kann so sehen, wer das möchte. Darüber werden wir auch mit niemandem streiten. Unser einziger Kommentar zu solcherart Debatten lautet: Niemand hat das Recht, uns unsere kommunistische Gesinnung abzusprechen, die wir in den Auseinandersetzungen in der LINKEN und darüber hinaus durch die Praxis beweisen. Davon zeugen auch unsere monatlich erscheinenden Mitteilungen der KPF, die wir durch ein hohes jährliches Spendenaufkommen wesentlich selbst finanzieren. Auch im kommenden Jahr soll unser Spendenaufkommen wieder 20.000 Euro betragen.

Noch sind die friedenspolitischen Grundsätze nicht entsorgt

Im Mittelpunkt unserer momentanen Praxis steht der Kampf um die Erhaltung unserer Partei. Dazu haben wir uns an anderer Stelle im Bundessprecherratsbericht bereits geäußert. Untrennbar damit verbunden ist das Ringen um den Erhalt der friedenspolitischen Grundsätze der LINKEN. Sie sind auf dem Erfurter Juniparteitag nicht zum ersten Mal angegriffen und verletzt worden. Und jedes Mal nach solchen Verletzungen konnten manche, die sich weit links von uns wähnen, nicht schnell und laut genug rufen: Jetzt ist es passiert. Jetzt muss es Konsequenzen geben. Irgendwie erinnert das an Leute, die in Anbetracht eines Leichenbegräbnisses ausrufen: »Möget ihr immerfort zu tragen haben.« Ausgehend von der aktuellen Lage möchten wir noch einmal unterstreichen: Ja, der Beschluss »Kriege und Aufrüstung stoppen. Schritte zur Abrüstung jetzt! Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität«[14], der auf dem Erfurter Parteitag gefasst wurde, stellt eine Verharmlosung der NATO sondergleichen dar. Nicht zuletzt deshalb, weil alle Ursachen, die zum Ukraine-Krieg führten, verschwiegen werden. Die Regie auf dem Parteitag hat alles befördert, was diese Verharmlosungstendenz verstärkte. Die faktische Befürwortung von Sanktionen gegen Russland war eine große politische Fehlleistung. Man muss sich das einmal überlegen: Ob PDS oder DIE LINKE – wir waren immer gegen Sanktionen. Die Angst vor den bürgerlichen Medien erwies sich als größer als die Angst davor, in absehbarer Zeit für nicht mehr bezahlbare Mieten in Mithaftung genommen zu werden. Und der Zusammenhang zwischen den irrsinnigen Energiepreisen und der Nichtinbetriebnahme von Nord Stream 2 – wenngleich nach den Sabotageakten nur noch begrenzt möglich - ist wohl nicht von der Hand zu weisen. Es ist gut, dass die Co-Vorsitzende unserer Bundestagsfraktion, Amira Mohamed Ali, nun den weiteren Import von Erdgas über Pipelines aus Russland fordert.

Und noch etwas: Es gibt in der LINKEN Leute wie z.B. die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert, die – als hätte der Parteitag nicht das Gegenteil beschlossen – unmittelbar danach erneut für deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine plädierten. Jüngst sprach sich auch Bodo Ramelow erneut dafür aus. Niemand von denen musste sich vor einer Schiedskommission rechtfertigen. So etwas wird behandelt wie ein Kavaliersdelikt. Auch deshalb werden wir nicht dazu schweigen, dass die Sanktionen vor allem den Menschen hierzulande massiv schaden. Das ist kein nationalistisches Gehabe, sondern Empathie für all diejenigen, die mit dem wenigen, das sie haben, gezwungen werden sollen, für einen Krieg zu zahlen, der nicht der ihrige ist. Es ist aber auch Empathie mit all den anderen durch Sanktionen geschundenen Völkern, denken wir nur an Kuba. Der britische Guardian schrieb im Juli über die westlichen Sanktionen: »Sie basieren auf der neoimperialistischen Annahme, dass westliche Staaten berechtigt seien, die Welt zu ordnen, wie sie wollen.«[15] Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kehren wir noch einmal zu unserer unmittelbar nach dem Parteitag zusammenfassend getroffenen Einschätzung zurück:

»Der Parteitag war alles andere als ein Erfolg der Anti-NATO-Kräfte in der LINKEN; aber er war auch nicht der von den NATO-Verharmlosern angestrebte Richtungswechsel. Es wäre eine positive Übertreibung, zu behaupten, die Situation sei offen. Aber der Parteitagsverlauf berechtigt auch nicht zu der Aussage, das Ende der Fahnenstange sei nun erreicht. Noch sind die friedenspolitischen Grundsätze unserer Partei nicht entsorgt. Noch kann und muss gekämpft werden – gerade in Anbetracht des den Weltfrieden zunehmend gefährdenden, äußerst aggressiven neuen strategischen NATO-Konzepts. Und auf dem Parteitag wurde gekämpft, durch zahlreiche Genossinnen und Genossen; darunter auch wir. Vor Erfurt waren sich viele in der KPF einig: Gibt es auf dem Parteitag spürbaren Widerstand gegen die NATO-Verharmlosungspolitik, so lohnt es sich, in der LINKEN weiterzukämpfen. Gibt es einen Richtungswechsel ohne nennenswerte Gegenwehr, so lohnt es wohl kaum.«[16]

Müssen wir uns Querfrontvorwürfen stellen?

Es ist die vielleicht wichtigste Frage auf unserer heutigen Konferenz, wie wir diesbezüglich die aktuelle innerparteiliche Situation bewerten, und sicher wird das in unserer heutigen Debatte eine maßgebliche Rolle spielen. Eine andere wichtige Frage ist die, ob wir uns irgendwelchen Querfrontvorwürfen stellen müssen. Damit wollen und müssen wir uns auf der heutigen Konferenz etwas ausführlicher befassen.

Es war bereits im Sommer unverkennbar, dass sich – im Zusammenhang mit den steigenden Energiepreisen, der Inflation und dem nicht enden wollenden Mietenwahnsinn – unter den Herrschenden die Angst vor einem heißen Herbst breitmachte. Nehmen wir einmal an, die hätten darüber nachgedacht, wie man soziale Proteste am besten in Misskredit bringen kann. Und nehmen wir einmal an, die hätten ein entsprechendes Konzept entwickelt. Wie könnte das aussehen? Die bürgerlichen Medien würden natürlich alle Proteste, die unter rechter Flagge liefen, diskreditieren. Zu Recht, wenngleich scheinheilig. Das würde den Rechten weiteren Zulauf bescheren, weil Menschen, die sich entscheiden müssen, ob sie heizen oder am Essen sparen und trotzdem finanziell nicht hinkommen, trotzig reagieren, wenn sie für ihre Empörung über die herrschenden Zustände auch noch pauschal als Nazis bezeichnet werden. Darüber, dass sie von den Rechten instrumentalisiert werden, weil denen die sozialen Probleme derer, die auf die Straße gehen, ziemlich gleichgültig sind, denken wohl die wenigsten von ihnen nach. Diese Gesellschaft lehrt sie ja auch nicht, politisch zu denken, also nach Interessen und Zusammenhängen zu fragen. Im Gegenteil.

Knapp 100 Jahre, nachdem Hitler sein Hetz-Werk »Mein Kampf« geschrieben hat, kämpfen Rechte auch heute um die Straße, wie es Hitler zu einem seiner zentralen Ziele erklärt hatte. Um die Straße kann erfolgreich kämpfen, wer real für die Interessen derer eintritt, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen oder nicht einmal das mehr können. Um die Straße kann aber auch erfolgreich kämpfen, wer vorgibt, dies zu tun. Vielen Menschen bleibt der Widerspruch zwischen ihren eigenen, legitimen Interessen und den tatsächlichen Interessen der Rechten verborgen, nicht zuletzt deshalb, weil viele Linke, die diesen Widerspruch entlarven müssten, genau das unterlassen.

Mehr noch: Die politische Linie der Partei DIE LINKE verunmöglicht es gegenwärtig, sich an die Spitze sozialer Proteste zu stellen. Wer einen elementaren Krebsschaden der aktuellen Wirtschaftsentwicklung hierzulande – die gegen Russland gerichteten Sanktionen – mehr befürwortet als ablehnt, der beraubt sich weitgehend der Möglichkeit, über Zusammenhänge zwischen diesen und den wachsenden sozialen Verwerfungen aufzuklären. Und aus welchem Grund? Damit nur niemand den Vorwurf erheben kann, die Linken gehörten zu den »Putin-Verstehern«. Es gibt einen von der veröffentlichten Meinung permanent gepredigten Automatismus, den unsere Parteiführung offenkundig unreflektiert übernimmt: Den Krieg Russlands in der Ukraine als völkerrechtswidrig zu betrachten, sei gleichbedeutend damit, Sanktionen als notwendig zu erachten. Wer traut sich in Anbetracht dieser angeblichen Notwendigkeit noch einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Tatsache, dass 2020 1,1 Millionen Menschen gezwungen waren, die Tafeln aufzusuchen und dass es in diesem Jahr schon 2 Millionen sind. Die 960 Tafeln kommen nicht mehr nach, rund ein Drittel der Tafeln sind so überlastet, dass sie Aufnahmestopps verhängen mussten.[17] Und noch etwas: Zu wenige aus der Spitze der Partei – ob Vorstand oder Fraktion – wagen es, von der Bundesregierung zu verlangen, sich für einen sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand und Verhandlungen einzusetzen. Wenn Frau Merkel erklärt, Sicherheit in Europa sei ohne Russland nicht zu haben, und man müsse das Undenkbare denken, und Herr Lars Klingbeil erwidert faktisch kurz darauf, Sicherheit sei nicht mit Russland, sondern gegen Russland zu erzielen, dann ist die Angst, die SPD zu verprellen, offenkundig größer als jegliches Gebot der Vernunft. Und was folgt daraus in der Praxis? Wir überlassen es weitgehend der AfD, einen sofortigen Waffenstillstand, Verhandlungen und ein Ende der Sanktionen zu fordern. Stellt sich die Frage: Werden diese Forderungen falsch, weil die AfD sie erhebt? Auch richtige Forderungen ändern nichts am gefährlichen Charakter dieser Partei!

Es ist eine rechte Partei mit offener Flanke für Faschisten, deren Einfluss in der AfD stetig wächst. Der Faschist Höcke hielt am 3. Oktober 2022 vor 10.000 Teilnehmern in Gera eine Rede, in der er – anknüpfend an die Realitäten – scheinbar realistische Antworten gibt, wären da nicht unerträgliche Formulierungen, die nicht nur die gesamte Rede entwerten, sondern sie zu einer einzigen, gefährlichen Verlogenheit werden lassen.[18]

»Wir sind die Ersten von Morgen. Und ich bin stolz mit tausenden Bürger hier und heute in Gera ein Zeichen für die neue deutsche Freiheit setzen zu dürfen«, sagt Höcke zu Beginn seiner Rede. Bald darauf folgt sein Kurz-Trip in die Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen. Deutschland lebe und gedeihe nicht wegen seiner Rohstoffe, sondern weil unser Volk begabte Ingenieure, Techniker und Erfinder hervorgebracht habe. Bei uns sei fast alles gründlicher durchdacht und verbessert worden als anderswo auf der Welt.

Dann kommt er zum vermutlich mit weniger begabten Menschen ausgestatteten Russland. Der natürliche Partner unserer Arbeits- und Lebensweise wäre Russland, ein Land mit schier unerschöpflichen Rohstoffen. Hinzu käme, dass Deutsche und Russen eine ähnliche seelische Stimmung hätten. Und nun seien wir – die Deutschen – »zum dritten Mal seit Beginn des letzten Jahrhunderts gegen unsere Interessen und gegen die Vernunft gegen Russland aufgestellt, gegen ein Volk, mit dem wir vorzüglich auskommen, sobald Friede herrscht«. Man könnte fast meinen, Höcke habe »Mein Kampf« nicht gelesen und kennte Hitlers darin breit ausgeführte Absicht der Kolonialisierung der Sowjetunion nicht.

Nach seinen komplett geschichtsvergessenen Aussagen zum deutsch-russischen Verhältnis wendet er sich den USA zu. »Wir werden«, so Höcke, »von einer raumfremden Macht und einer fremdbestimmten Bundesregierung in einen Krieg hineingetrieben, der nicht der unsere ist«. Wüsste man nicht, dass Höcke explizit an das vom Nazi-Juristen Carl Schmitt geforderte »Interventionsverbot für raumfremde Mächte«[19] anknüpft, welches – so Höcke in seinem Buch »Nie zweimal in denselben Fluss«[20] – zu ergänzen sei um das »Investitionsverbot raumfremden Kapitals« und das »Migrationsverbot raumfremder Bevölkerungen«, man könnte der soeben zitierten Einschätzung des Faschisten Höcke kaum widersprechen. Die Nazi-Terminologie entlarvt ihn dann, wenn seine Zuhörerinnen und Zuhörer um diese Begriffe wissen. Wenn nicht, so bleibt ihnen sogar die Ungeheuerlichkeit verborgen, die er nach der Bemerkung, er wisse zwischen den USA und den US-Amerikanern zu unterscheiden, äußert. »Die USA«, so der Faschist, »sind es auf eine andere Art als wir, aber sie sind auch ein fremdbestimmtes Land.« Wer könnten denn diejenigen sein, die das immer noch mächtigste Imperium der Welt am Nasenring durch die Manege führen? Man weiß – seit den gefälschten Protokollen der Weisen von Zion – dass es da weltweit nur eine Kraft gibt, die so etwas vermag. Und dieser Kraft ist in Gestalt der USA, so Höcke, »nichts mehr heilig […]: nicht der gute Geschmack, nicht der Fleiß, nicht unser grandioses historisches Erbe, ja, noch nicht einmal unsere Kinder«.

Wir lassen uns nicht die geringste Nähe unterstellen

Das grandiose historische Erbe der Deutschen schließt die 27 Millionen ermordeter Sowjetmenschen ebenso ein wie sechs Millionen fabrikmäßig umgebrachter Jüdinnen und Juden. Die jüdischen Menschen, die übrig blieben bzw. deren Nachkommen, realisieren laut Höckes kryptischen und dennoch unmissverständlichen Äußerungen nun über Amerika das, was der Führer Adolf Hitler verhindern wollte. Bereits am 30. Januar 1939 sagte er in seiner Reichstagsrede: »Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.«[21] Höcke bringt die jüdische Weltverschwörung wieder ins Spiel; gepaart mit widerlichem Nationalismus. Um diesem endlich wieder Geltung zu verschaffen, möchte er gern mit den Russen zusammengehen. Die seelische Verwandtschaft mit diesen ist ja bereits zwischen dem 22. Juni 1941 und dem 8. Mai 1945 so prächtig zum Tragen gekommen.

Machen wir es kurz. Wer – weil der Faschist Höcke unter russlandfreundlicher Flagge auftritt und den US-Imperialismus ablehnt – von dessen Worten auch nur ein einziges glaubt unterstützen zu können, ist vollkommen geschichtsvergessen und bereit, eine Ideologie zu akzeptieren, in der die Klassenfrage im Interesse der herrschenden Klasse durch mörderischsten Rassismus ersetzt wird. Nichts, aber auch gar nichts haben Kommunistinnen und Kommunisten mit dieser Ideologie zu tun. Und wir lassen uns da auch nicht die geringste Nähe unterstellen, die angeblich zum Beispiel aus unserer Haltung zu den Sanktionen oder gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ableitbar sei. Darauf, programmatisch und politisch für ein vernünftiges, friedliches Verhältnis zu Russland einzutreten, werden wir nicht verzichten, weil Faschisten aus sehr pragmatischen Erwägungen dies auch gerade tun. Wir lassen uns weder von Höcke dazu treiben, unsere Überzeugungen zu verleugnen, noch von jenen – denken wir nur an Frau Baerbock und weitere bellizistische Grüne – die ihre historisch ebenfalls mörderische Russophobie unter dem Mantel des Antifaschismus zu verbergen suchen.

Wir wissen, dass Nazis, wenn es ihnen taktisch und gegebenenfalls sogar strategisch nutzt, sich auch solcher Losungen bedienen, die sozialen Bedürfnissen breiter Massen entsprechen. Wir wissen es aus der Geschichte und erleben es in der Gegenwart. Was sie sagen, ist das eine, was sie tun, etwas anderes. In einem Antrag der AfD vom 12. Oktober 2022 im Kontext mit der »Bürgergeld«-Debatte verlangt die AfD zum Beispiel, den Regelsatz um bis zu 30 Prozent zu kürzen, versäumt man Jobcenter-Termine. Ginge es nach dieser Partei, so würde der Leistungsbezug »nach einer Karenzzeit von sechs Monaten« an »Bürgerarbeit mit 15 Wochenstunden geknüpft werden« – ohne Aussage zur Bezahlung dieser »Bürgerarbeit«. Sollten sich Leistungsbeziehende dem widersetzen, sollen sie nach dem Willen der AfD nur noch Sachleistungen erhalten. Außerdem verlangt sie eine verschärfte Residenzpflicht für Leistungsbeziehende.[22] Asozialer geht es kaum noch. Und die Gemeinsamkeiten mit den Forderungen der CDU sind nicht zu übersehen.

Und dass die AfD sich heutzutage als Friedenspartei gibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie weder ein Problem mit der Bundeswehr noch mit der Geschichte des deutschen Militarismus hat. Sie hätte wohl auch kaum Probleme mit der NATO, wenn letztere deutsche und nicht amerikanische Interessen vertreten würde. Die NATO jedenfalls greifen sie nicht an, und das Bekenntnis zur Mitgliedschaft in diesem Aggressionsbündnis ist Programmposition, wie auch die eindeutig positive Haltung zur Bundeswehr. In der Septembersitzung des Verteidigungsausschusses forderte die AfD eine Aufstockung des Rüstungsetats um ganze 12,7 Milliarden Euro. »Unter ihren 18 Einzelanträgen sticht die geforderte Aufstellung einer regelrechten Drohnenflotte von 60 ›marktverfügbaren bewaffneten unbemannten Luftfahrzeugen‹ für sechs Milliarden Euro hervor«[23]. Derartige militaristische Forderungen entsprechen auch der AfD-Programmlage. Das Herangehen dieser weit nach rechts offenen Partei an Militärfragen hat durchaus historische Vorläufer. Die vor 70 Jahren vom Bundesverfassungsgericht verbotene neutralistisch orientierte, faschistische Sozialistische Reichspartei, deren Mitglieder fast ausschließlich langjährige Mitglieder der NSDAP und anderer Naziorganisationen waren, lehnte unter dem Slogan »Soldaten gegen Remilitaristen« »allerdings die von Adenauer vorangetriebene Aufstellung einer westdeutschen Armee ab, da diese unter Kontrolle der Besatzungsmächte gestanden hätte und sich noch Kriegsverbrecher in alliierter Gefangenschaft befunden hätten«[24].

Achtung schließt ein, Menschen nicht zu schmeicheln

Die KPF hat, unmittelbar nachdem die AfD 2016 ihr Programm beschlossen hatte, eine ausführliche Analyse desselben erarbeitet und öffentlich gemacht. Nach unserer Kenntnis wurden an diesen stockreaktionären programmatischen Inhalten inzwischen keinerlei Änderungen vorgenommen. Für den Charakter einer Partei sind das Programm und die Repräsentanten derselben entscheidend. Taktische Scheinabweichungen zum Zwecke der Einflusserhöhung können sich als nicht unerheblich erweisen, sind aber auf keinen Fall wesensverändernd. Wie aber ist es mit der Anhängerschaft der AfD? Wie gehen wir als Linke mit dieser um? Eingefleischte Rassisten werden uns sicherlich nicht zuhören. »Doch all denjenigen, die – wenn auch beeinflusst von rassistischen Klischees – keine Menschenfeinde sind, nicht frei von Empathie, müssen wir mit Achtung begegnen. Achtung schließt ein, ihnen nicht zu schmeicheln. Wir müssen schon auch aussprechen, dass sie Gefahr laufen, den Falschen zu folgen. Wir brauchen weder eine Verniedlichung faschistoider Denkansätze noch ein elitäres Verhalten denen gegenüber, die gerade auf die Nazi-Demagogie hereinfallen. Wir können diesbezüglich nur wirkungsvoll agieren, wenn wir die Programmatik der Rechten, allen voran der AfD, entlarven. Versuchen wir also, aufzuklären über die wahren Ursachen dafür, dass die Welt aus den Fugen gerät, jeden Tag ein wenig mehr. Bis in die Familien hinein. Das geht nicht ohne schonungslose Systemkritik«.[25] Dazu gehört heute nicht zuletzt, nachzuweisen, dass für die sich rapide entwickelnden sozialen Verwerfungen im Land weder der Krieg in der Ukraine noch Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund verantwortlich zu machen sind, sondern hemmungslos asoziale Politik im Interesse des Kapitals. Wer versucht, Menschen, die in der Wahl der AfD die mögliche Lösung ihrer sozialen Ängste und Probleme sehen, dadurch für humanistische linke Ansätze zurückzugewinnen, dass er sich in prinzipiellen Fragen AfD-Positionen annähert, der traut diesen Menschen nichts Vernünftiges mehr zu. Es sei hier wiederholt: Achtung (vor solchen Menschen) schließt ein, ihnen nicht zu schmeicheln. Das alles ist – um es angelehnt an Brecht zu sagen – das Einfache, das so schwer zu machen ist. Warum?

Hört man heute einen Tino Chrupalla oder eine Alice Weidel und weitere AfD-Protagonisten im Bundestag oder andernorts öffentlich reden über die Notwendigkeit, die Sanktionen nicht weiter aufrechtzuerhalten und Verhandlungen zu fordern, damit der Krieg, der wohl jederzeit in einem nuklearen Inferno enden kann, erst einmal durch einen Waffenstillstand unterbrochen wird, dann kann man sich nicht gegen diese Forderungen stellen, weil sie von der AfD kommen. Stellt sich die daraus resultierende Frage: Müssen wir unser Verhältnis zur AfD ändern, weil sie hinsichtlich des Ukraine Krieges Forderungen aufmacht, die die LINKE als Partei erheben müsste? Absolut nicht. Ansonsten hat sich unsere Partei schon für ein friedvolles Verhältnis zwischen Deutschland und Russland eingesetzt, als es die AfD noch gar nicht gab, und im Gegensatz zu dieser rechten Partei haben wir uns nie mit der Bundeswehr und der NATO gemein gemacht.

Das alles lässt sich erklären. Allerdings nur dann, wenn unsere Partei bereit ist, Klartext zu reden, statt sich zunehmend dem Mainstream anzupassen. Wer selbst am liebsten auf jegliche NATO-Kritik verzichten möchte und auf einem Parteitag den Eindruck erweckt, es gäbe heute auf der Welt keinen aggressiveren Staat als Russland, der kann zum Beispiel die AfD für ihre NATO- und Bundeswehr-Freundlichkeit nicht entlarven. Das ist unser eigentliches Problem, welches dazu führt, dass sich die AfD immer demagogischer als die einzige Oppositionspartei ausgeben kann.

Allerdings: Was wir soeben im Kontext mit Russland formuliert haben, gilt so nicht für andere Themen. Die Frage der Zuwanderung ist natürlich ein komplexes Problem, und wir können dazu heute nicht alles wiederholen, was wir besonders seit 2015 in regelmäßigen Abständen geäußert haben. Deshalb nur so viel: Wenn Linke sich zu diesem Thema äußern, darf es Rechten nie die Möglichkeit geben, sich darauf zu berufen. Jegliche Ambivalenz ist fehl am Platze. Niemals dürfen wir durch zitierfähige Sätze Rechten Auslegungsmöglichkeiten in Richtung Rassismus geben – egal, wie gerade Stimmungslagen in der Bevölkerung aussehen mögen. Niemals dürfen wir versuchen, auf Kosten derer Wählerstimmen einzufangen, die nicht weniger unserer Solidarität bedürfen als jene Menschen, denen eingeredet wird, Flüchtlinge; Asylbewerber und Menschen mit Migrationshintergrund seien schuld an ihren sozialen Problemen und wenn diesbezüglich die Politik zugunsten der deutschen Bevölkerung geändert würde, so sei das die Linderung aller Probleme. Es ist eine originär sozialistische Position: Wer zulässt, dass Fragen der Klassenauseinandersetzung durch rassistische Demagogie vernebelt werden, der ist zumindest auf bürgerlichem Wege. Deshalb – noch einmal! – darf es in dieser Frage keine Zweideutigkeiten geben.

Und noch eines: In den Jahren ab 2020 haben wir es tunlichst vermieden, uns an der Corona-Debatte zu beteiligen, und wir werden heute nicht damit beginnen. Aber eins muss gesagt werden. Alle, die jetzt behaupten, seit 2019 hätten die Linken die Hoheit auf der Straße den Rechten überlassen, irren zumindest. Spätestens seit PEGIDA, und das begann noch vor 2015/16, erweisen sich rechte Kräfte als mobilisierungsfähiger. Wer davor – sieht man von den sozialen Kämpfen gegen Hartz IV zu Beginn des Jahrhunderts ab – linke Massenbewegungen auf der Straße ausmachen kann, möge uns das mittteilen. Zwei Ausnahmen gibt es: 2018 hatten allein in Berlin über 200.000 Menschen unter dem Motto »Unteilbar – Solidarität statt Ausgrenzung« demonstriert. Es war eine in erster Linie antirassistische Manifestation – notwendig, gut, aber auch von jenen gewollt und vor allem mitorganisiert und -finanziert, deren Politik Rassismus befördernd wirkt. Es ging um das Ansehen Deutschlands, und alle bürgerlichen Kräfte – von den Nazis abgesehen – mobilisierten zur Teilnahme. Eine Ausnahme bildeten ebenso Massendemonstrationen gegen den Mietenwahnsinn. Die auch dadurch ermöglichten Berliner Abstimmungsergebnisse der Volksabstimmung »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« werden gerade verraten. Hier und in Ähnlichem liegen prinzipielle Gründe für den Glaubwürdigkeitsverlust unserer Partei, der den Rechten zugutekommt.

Zurück zur Ausgangsüberlegung: Wir lehnen es ab, pauschal jede und jeden als Nazis zu stigmatisieren, die die Absichten der AfD nicht durchschauen und sich zumindest zeitweilig missbrauchen lassen. Um all diejenigen muss gekämpft werden. Und eine der Schwächen der LINKEN besteht darin, dass sie – statt diesen Kampf um die Köpfe zu führen – sehr schnell ist mit der Nazi-Abstempelung. Zugleich lehnen wir es ab, nur weil viele von denen auch auf Demonstrationen sind, die die Rechten initiieren, in rechten Demos mitzumarschieren. Denn diejenigen, die die Linken durch Querfrontpolitik neutralisieren wollen, werden gestärkt – sowohl durch das bloße Stigmatisieren aller Teilnehmer als rechtsgerichtet, als auch durch die Vernachlässigung des Wesens von rechtslastigen Manifestationen. Wenn ein Prominenter wie der Vorsitzende des paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der kürzlich wegen der Rede von Sahra Wagenknecht im Bundestag vom 8. September 2022 aus der LINKEN austrat, und unmittelbar danach auf dem LINKEN-Landesparteitag in Berlin als dritter reden durfte, wenn also Herr Ulrich Schneider vor der Demonstration am 22. Oktober 2022 »Solidarisch aus der Krise – Echte Umverteilung jetzt!« erklärte, Menschen, die ein Ende der Sanktionen fordern, sollten gar nicht erst teilnehmen, dann gehen die eben a priori woanders hin. Diese Art Ausgrenzung ist nicht nur nicht antifaschistisch, sondern sie treibt Menschen förmlich in die falsche Richtung. Das geschieht auch sehr konkret: Während der linken Demonstration am 5. September 2022 in Leipzig hinderten Ordner ein Ehepaar – beide sind seit 50 Jahren Parteimitglieder – den Kundgebungsort zu betreten, weil der Mann ein Plakat trug mit der Aufschrift »Für Frieden. Gegen Waffenlieferungen und Sanktionen«. Und nicht nur das: Den beiden wurde angeraten, doch zu den Rechten zu gehen. Und da wundern sich führende LINKEN-Funktionäre, dass es noch nie so viele Parteiaustritte gab? Dieser zumindest extrem unsensible Umgang mit dem schlimmen Nazivorwurf – der muss aufhören. Etwas Schlimmeres kann man doch eigentlich niemandem vorwerfen. Nach Auschwitz! Einen ähnlichen Vorgang gab es auf der Berliner Großdemonstration am 12. November 2022. Uns seit Jahr und Tag bekannte Friedensaktivisten wollten mit einem Banner an das am 2. Mai 2014 von ukrainischen Faschisten verübte Massaker im Gewerkschaftshaus von Odessa erinnern und forderten ein Ende der NATO-Konfrontationspolitik. Sie wurden – so berichteten sie uns noch vor Ort – aus dem Antifa-Block heraus zum Verlassen der Demonstration aufgefordert, mit den Worten »Verpisst euch, ihr Schwurbler«. Das ist der blanke Irrsinn. Im Namen des Antifaschismus wird die Erinnerung an von Faschisten ermordete Linke denunziert und unterbunden. Und die NATO scheint für manche langsam zu einem Friedensengel zu mutieren.

Wer wird sich letztlich in der Partei durchsetzen?

Diesen Abschnitt abschließend, wollen wir auf ein Beispiel verweisen, welches belegt, dass ein vernünftiger Umgang mit der soeben behandelten Problematik möglich ist.

Zeitgleich mit den von der LINKEN organisierten Protesten in Leipzig fand am 5. September 2022 eine von einem linken Bündnis organisierte Auftaktkundgebung in Berlin statt, an der über tausend Menschen teilnahmen, darunter Mitglieder des Bundeskoordinierungsrates und des Bundessprecherrates der KPF. Wir haben dazu am 9. September 2022 die Erklärung »Für den heißen Herbst mobilisieren«[26] abgegeben und wollen die Kernüberlegungen daraus hier noch einmal benennen – weil sie sich auch im Verlaufe des letzten Vierteljahres als tragfähig erwiesen haben.

  1. Wenn der Aufruf zu einer Aktion einen klar antifaschistischen Charakter trägt, die Rednerinnen und Redner internationalistisch und solidarisch auftreten und es gelingt, auch Migrantinnen und Migranten zur Teilnahme zu mobilisieren, dann ist kein Platz für Nazitöne und -symbole. Der Verlauf der Kundgebung führte die gezielte Propaganda nicht nur des Verfassungsschutzes ad absurdum, hier fänden Querfrontaktionen statt. Wie auch, wenn der AfD-Vorsitzende Chrupalla im Kontext mit sogenannten Entlastungspaketen gerade zum Ausdruck gebracht hatte, seine Partei sei gegen eine Abschöpfung der »Übergewinnsteuer«, da sie gegen Eingriffe in den Markt sei. Niemanden, der das Parteiprogramm der AfD gelesen hat, konnte das überraschen. Es ist eben keine Partei der »kleinen Leute«, sondern die Kampfreserve des Kapitals für den Fall der Fälle.
  2. Linke verschiedener Couleur können miteinander demonstrieren, wenn sie Gemeinsamkeiten hervorheben und Trennendes hintenanstellen. Das ist notwendig, weil unsere Partei die Interessen all derer mit zum Ausdruck bringen muss, die unter der Politik der Sanktionen und Waffenlieferungen leiden, und weil selbstverständlich sich daher auch DIE LINKE gegen die Interessen einer mit gewaltiger direkter ökonomischer und indirekter politischer Macht ausgestatteter Minderheit wenden muss, die von Kriegen und deren Folgen profitiert.
  3. Es ist möglich, eine kämpferische und zugleich friedliche Veranstaltung durchzuführen, auf der im Verlauf einer Stunde alles Notwendige gesagt wird. Es ist daher möglich, dass am Ende einer Kundgebung noch genauso viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Platz sind wie zu Beginn.

An der Kundgebung am 5. September 2022 nahmen viele Mitglieder der Partei DIE LINKE teil. Unverändert steht auch heute die Frage: Setzen sich in der Partei diejenigen durch, die den Widerstand auf der Straße organisieren und in den Parlamenten artikulieren? Dann schärfte sich das Profil der LINKEN gemäß ihrer Programmatik. Dann hätte unsere Partei eine Chance, die tiefe Krise zu überwinden, in der sie sich derzeit befindet. Wer das nicht sieht, setzt die Partei mit ihren Ramelows und Lederers gleich. Es sind nicht nur die Regierungssozialisten, die sich um Stimmungen an der Parteibasis nicht scheren. Es kann auch eine Schwäche von Parteilinken sein, zu negieren, dass DIE LINKE mehr ist als die bereits stellvertretend oben Genannten, die um ihrer persönlichen Karriere willen eine politische Linie präferieren, die eine sich als sozialistisch verstehende Partei aufreiben muss. Summa summarum: Wir haben keine Illusionen über die Lage in der Partei und somit der Partei. Aber wir sind nicht bereit, zu kapitulieren und wiederholen ohne Wenn und Aber: Wir sind gegen die Spaltung der Partei und daher dafür, die notwendigen Auseinandersetzungen kulturvoll in der LINKEN zu führen.

Alles für die Mobilisierung zur LL-Demo

In knapp sieben Wochen findet unsere Demonstration im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung am 15. Januar 2023 statt. Der Bündnisaufruf[27] ist beschlossen und das Bündnis, in welchem Vertreterinnen und Vertreter der KPF seit nunmehr einem Vierteljahrhundert aktiv mitwirken, hat mit der Arbeit im September begonnen.

Von unserer heutigen Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform wenden wir uns an all unsere Genossinnen und Genossen in den Bundesländern, ihre Anstrengungen bei der Mobilisierung zur LL-Demonstration noch einmal zu erhöhen. Es gibt viele Gründe, zu demonstrieren. Doch von Jahr zu Jahr wächst die Notwendigkeit, für den Erhalt des Weltfriedens auf die Straße zu gehen – ganz im Sinne von Rosa und Karl.

Wenige Wochen vor Beginn des imperialistischen Ersten Weltkrieges schrieb Rosa Luxemburg: »Wir sind der Auffassung, dass Kriege nur dann und nur so lange geführt werden können, als die arbeitende Volksmasse sie entweder begeistert mitmacht, weil sie sie für eine gerechte und notwendige Sache hält, oder wenigstens duldend erträgt. Wenn hingegen die große Mehrheit des werktätigen Volkes zu der Überzeugung gelangt – und in ihr diese Überzeugung, dieses Bewusstsein zu wecken ist gerade die Aufgabe, die wir Sozialdemokraten uns stellen –, wenn, sage ich, die Mehrheit des Volkes zu der Überzeugung gelangt, dass Kriege eine barbarische, tief unsittliche, reaktionäre und volksfeindliche Erscheinung sind, dann sind die Kriege unmöglich geworden – und mag zunächst der Soldat noch den Befehlen der Obrigkeit Gehorsam leisten!«[28] Diese Überzeugung, dieses Bewusstsein zu wecken, sei die gestellte Aufgabe.

Wohl nie in der Geschichte war es so wichtig, das Bewusstsein zu wecken, dass ein Dritter weltumfassender Krieg verhindert werden muss. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind uns in diesem Kampf um das Überleben der Zivilisation unvergessene, großartige Vorbilder. Bereits in jungen Jahren bekämpften beide unerbittlich den deutschen Militarismus. Sie warnten zeitig vor der Gefahr eines großen Krieges. Krieg und Kapitalismus waren für Rosa und Karl untrennbar miteinander verbunden. Sie kämpften für eine ausbeutungsfreie, friedliche Gesellschaft. Für ihre Unbeugsamkeit im Denken und im Kampf wurden sie am 15. Januar 1919 von der Reaktion ermordet. Ihr Vermächtnis: Der Kapitalismus darf nicht das letzte Wort der Geschichte sein.

Die wachsende Gefahr einer atomaren Vernichtung, der Klimawandel und die Umweltzerstörung, die rapide um sich greifenden sozialen Verwerfungen in den Hauptländern des Kapitals und die absolute Verelendung in den vom Kapital besonders ausgepressten Weltgegenden, der weitere Niedergang zivilisatorischer Errungenschaften, so der stetige Abbau der bürgerlichen Demokratie und die damit einhergehenden Faschisierungstendenzen, all das ist dem Kapitalismus geschuldet, der auf ganzer Linie bekämpft werden muss. Dabei ist uns bewusst: Der Hauptfeind der Zivilisation ist der US-amerikanische Imperialismus mit der NATO und anderen Vasallenstaaten im Schlepptau. Die extremen Widersprüche im Rahmen der aktuellen internationalen Entwicklungen dürfen uns nicht dazu verführen, diese Tatsache zu relativieren. In diesem Sinne bleibt eine andere Welt unser Ziel – eine Welt des Friedens, der sozialen Gleichheit und der Völkerverständigung.

Mobilisieren wir dafür zur Demonstration im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung am 15. Januar 2023.


[1] Siehe Zbigniew Brzeziński: »Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft.«, Fischer-Verlag, ISBN 978-3596143580. 1. Auflage: 1997

[2] Siehe Jörg Kronauer: »Die Zeit läuft ab«, junge Welt, 9. November 2022

[3] »Die Zeitenwende begann nicht am 24. Februar 2022. Überlegungen aus der Diskussion in der Sitzung des KPF-Bundeskoordinierungsrates am 5. März 2022«, https://kpf.die-linke.de/erklaerungen

[4] Siehe Nick Brauns: »Keine oliven Brunnenbauer mehr«, junge Welt, 17. September 2022

[5] Siehe https://www.bundespraesident.de

[6] Siehe Hermannus Pfeiffer: »Arm, ärmer, am ärmsten«, nd, 2. November 2022

[7] Siehe https://www.youtube.com/watch?v=Gkozj8FWI1w

[8] »Wider die NATO – Das ist der mögliche und notwendige gemeinsame Nenner! Erklärung des Bundeskoordinierungsrates nach der 1. Tagung des 8. Parteitages«, Mitteilungen der KPF, Heft 8/2022

[9] Siehe http://interviste.sabellifioretti.it/?p=823

[10] »Auch wir finden die Rede von Sahra Wagenknecht gut. Erklärung des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform«, https://kpf.die-linke.de/erklaerungen

[11] Siehe https://www.es-reicht.org

[12] Siehe https://kpf.die-linke.de/erklaerungen/gegen-parteiausschluesse-und-spaltungstendenzen

[13] Karsten Krampitz: »Ist das noch Kommunismus?«, nd, 30. Juli 2022

[14] Siehe https://www.die-linke.de/fileadmin/user_upload/Beschluss_Parteitag_L03_final.pdf

[15] Siehe https://www.pressenza.com/de/2022/11/der-irrweg-der-sanktionen

[16] »Wider die NATO – Das ist der mögliche und notwendige gemeinsame Nenner! Erklärung des Bundeskoordinierungsrates nach der 1. Tagung des 8. Parteitages«, Mitteilungen der KPF, Heft 8/2022

[17] Siehe Elena Eggert: »Zahlreiche Aufnahmestopps – Zwei Millionen Menschen kommen aktuell zur Tafel Millionen in Not«, RP-Online, 6. November 2022

[18] Die Rede ist in einem rechten YouTube-Kanal von COMPACTTV verfügbar, die nachfolgenden Auszüge sind zitiert nach der rechten Internetseite https://www.pi-news.net

[19] Carl Schmitt: »Völkerrechtliche Großraumordnung und Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht.«,1939

[20] Sebastian Hennig und Björn Höcke: »Nie zweimal in denselben Fluss«, 2018

[21] Siehe https://ghdi.ghi-dc.org/pdf/deu/German35.pdf

[22] Vgl. Steve Hollasky: »Bürger-Hartz« noch zu viel, junge Welt, 1. November 2022

[23] Nick Brauns: »Nadelstiche gegen Paradigmenwechsel«, junge Welt, 19. Oktober 2022

[24] Nick Brauns: »Unbelehrbare Nazis«, junge Welt, 22. Oktober 2022

[25] Ellen Brombacher: »AfD: Ein Programm, offen für faschistoide Kräfte und Entwicklungen« in: Anton Latzo (Hrsg.): »Wehret den Anfängen! Die AfD, keine Alternative für Deutschland.« edition berolina, Berlin 2017, ISBN 978-3958410787

[26] »Für den heißen Herbst mobilisieren. Erklärung des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform«, https://kpf.die-linke.de/erklaerungen

[27] Siehe www.ll-demo.de

[28] Rosa Luxemburg: Verteidigungsrede am 20. Februar 1914 vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Main). In: Reden. Hrsg. Günter Radczun, Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1976