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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Anmerkungen zu einem Delegitimationspapier vom Juli 2001

Bundessprecherrat

Anlässlich des 40. Jahrestages der Errichtung der Mauer in Berlin hatte der Parteivorstand der PDS im »Entschuldigungssommer« des Jahres 2001 eine die DDR durch und durch diffamierende Erklärung veröffentlicht. Darauf reagierten wir am 7. Juli 2001 mit der Erklärung »Anmerkungen zu einem Delegitimationspapier«. Das Delegitimationspapier aus dem Jahr 2001 ist inzwischen von der Internetseiten der Partei verschwunden. Etwas geändert haben sich Stellungnahmen der PDS und später der Partei DIE LINKE zu diesem Thema. Uns kommt es anlässlich des nunmehr 60. Jahrestages der Errichtung der Berliner Mauer nicht darauf an, uns mit jeweils modifizierten Einschätzungen dieses historischen Ereignisses auseinanderzusetzen, sondern darauf, unsere Position erneut darzulegen. Da diese sich nicht geändert hat, dokumentieren wir nachfolgend die bereits erwähnte Erklärung des Bundeskoordinierungsrates der KPF vom 7. Juli 2001.

Dass die Mauer existierte, macht – geht es nach der Erklärung des PDS-Parteivorstandes zum 13. August 2001 - diejenigen, die sie auf sozialistischer Seite zu verantworten hatten, für alle Zeiten zu Geächteten und Verfemten. Die Verantwortung der Antisozialisten, besonders der Nato, ist kaum einer Erwähnung wert. Vergessen Ernst Reuters Parole: »Berlin ist die billigste Atombombe«.

Es ist politisch in Mode gekommen, Ereignisse der Vergangenheit von den historischen Bedingungen »abzutrennen«, unter denen sie stattfanden und sie dann ahistorisch-abstrakten Bewertungen zu unterziehen. Wer auf historische Zusammenhänge verweist, setzt sich sogleich dem Vorwurf aus, er wolle relativieren – nach dem Motto: wo gehobelt wird, fallen Späne. Unsere Philosophie ist das nicht. Auch wir bedauern jeden Toten an der Staatsgrenze der DDR, die ermordeten Grenzsoldaten eingeschlossen.

Doch für uns ergibt sich aus diesem Bedauern nicht, Zusammenhänge auszublenden. Die Errichtung der Mauer war von tiefer Tragik gezeichnet: einerseits konnte die DDR zunächst ohne sie nicht mehr existieren. Andererseits aber machte die Mauer die DDR durchaus auch instabiler, weil viele DDR-Bürger diese als einen Misstrauensbeweis empfanden. Es gab viele, bis heute umstrittene Gründe dafür, warum es die DDR nicht mehr gibt. Einer war sicherlich, dass wir die Mauer benötigten. Es ist – gelinde gesagt – unredlich, über die negativen Folgen der Mauer zu reden und zu verschweigen, wer die Situation maßgeblich mit herbeigeführt hat, die ihre Errichtung zu einer Existenzfrage für die DDR und für die Erhaltung des Friedens, zumindest in Europa, machte.

Die DDR blutete aus, nicht in erster Linie, weil es in ihr nicht auszuhalten war. War es denn in der damaligen Bundesrepublik so gut auszuhalten, in der die alten Nazis wieder zu Ehren und Funktionen gelangten und die KPD verboten wurde? Im gültigen Parteiprogramm heißt es: »Die antifaschistisch-demokratischen Veränderungen im Osten Deutschlands und später das Bestreben, eine sozialistische Gesellschaft zu gestalten, standen in berechtigtem Gegensatz zur Rettung des Kapitalismus in Westdeutschland, der durch die in der Menschheitsgeschichte unvergleichlichen Verbrechen des Faschismus geschwächt und diskreditiert war.« Wird das Parteiprogramm schon vor dem Dresdner Parteitag nicht mehr ernst genommen? Was stimmt denn nun? Die Formulierung des gültigen Programms oder jene in der Erklärung des Parteivorstandes: »Der Mauerbau war der in Beton gegossene Nachweis der Unterlegenheit des stalinistisch geprägten Sozialismustyp in der DDR gegenüber dem realen damaligen Kapitalismustyp in der Bundesrepublik.«

Sicherlich verließ so mancher die DDR, weil ihm Unrecht geschehen war oder weil ihn Kleinlichkeiten zermürbten. Zur historischen Wahrheit gehört auch, dass nicht wenige dem Osten bereits in den ersten Nachkriegsjahren den Rücken kehrten, weil sie sich als gewesene Nazijuristen oder SS-Leute in der Bundesrepublik sicherer fühlten. Die meisten, welche die DDR verließen, hofften nicht ohne Grund auf ein materiell besseres Leben im Westen. Die Reparationen an die Sowjetunion brachte der Osten auf, und der Westen erhielt Marshallplanhilfe. Unendlich viel ließe sich sagen – über Sabotage, Abwerbungen, Schmuggel, Grenzgänger und die, jede Wirtschaft kaputt machen-den Wechselkurse, über Westberlin als Spionagezentrale und Schaufenster des reicheren Kapitalismus. In dem Sinne waren wir wirklich unterlegen. All das wissen auch die Verfasser der Vorstandserklärung. Tut nichts. »Sozialismus gedeiht eben nicht als Befehlssystem, nicht unter Bajonetten, nicht im Schatten von Panzern, nicht hinter Mauern. Ein Staat, der sein Volk einsperrt, ist weder demokratisch noch sozialistisch.« Man könnte denken, von Pinochets Chile sei die Rede!

Worum geht es unserer Meinung nach? Nicht um Geschichte. Schon gar nicht um schmerzhafte Analyse. Es geht um etwas anderes: Die PDS wird salonfähig, wenn sie sich an der Delegitimierung der DDR beteiligt. Die Erklärung des Parteivorstandes zum 13. August 2001 ist ein Delegitimationspapier. Es ist ein offener Bruch mit dem geltenden Parteiprogramm und macht unverhohlen deutlich, wohin der programmatische Richtungswechsel gehen soll. Offenkundig ist es den Verfassern dieses Papiers gleichgültig, wie große Teile der Basis über die Erklärung denken. Müntefering jedenfalls hat sie gelobt. Das scheint wichtiger zu sein. Die Gründe für das Vorgehen der Vorstandsmehrheit liegen auf der Hand. Es geht um Wahltaktik, um Ankommen. Austritte werden – mindestens – billigend in Kauf genommen. Man kann die führenden Genossinnen und Genossen nur auffordern, einzuhalten. Dieser Kurs zerstört die Partei.