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Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE

Jetzt kommt alles auf einen aktiven Wahlkampf an

Erklärung der KPF zu Ergebnissen des Dresdner Parteitages

Unlängst führten die Grünen einen Mitgliederentscheid über ihre Schlüsselprojekte für die bevorstehenden Bundestagswahlen durch. Die rund 61.000 Mitglieder waren aufgerufen, aus den rund 50 Kernvorhaben des bereits beschlossenen Wahlprogramms die für sie wichtigsten auszuwählen. Die Wahlbeteiligung lag bei 26,7 Prozent. Knapp drei Viertel der Mitglieder blieben passiv. Man stelle sich vor, dies wäre der LINKEN widerfahren. Mit solch einem Reinfall kämen wir sofort in die Medien und die würden erneut von unserem absehbaren Ende sprechen. Bei den Grünen war der oben aufgeführte Tatbestand kaum irgendwo eine Meldung wert.

Unsere Hauptherausforderung im bevorstehenden Wahlkampf besteht darin, vor Ort einen Wahlkampf zu führen, der uns wahrnehmbar macht, auch wenn die meisten Medien genau dies nicht, oder aber zumindest nur verzerrt befördern wollen. Wer die Berichterstattung über unseren Wahlparteitag in Fernsehen und Rundfunk verfolgt hat, der konnte diesen Umgang mit der LINKEN erneut beobachten. Der Parteitag sei von Harmoniebestrebungen dominiert und daher beinahe langweilig gewesen und die Forderungen im Wahlprogramm seien unrealisierbar. So ist das eben: Gibt es in der LINKEN Auseinandersetzungen, dann ist sie heillos zerstritten und nicht handlungsfähig und geht es solidarisch zu, so ist sie langweilig und unseriös. Mit diesen Denunziationen, oft bis ins kleinste Detail, müssen wir leben und sie gerade deshalb thematisieren.

Eine in den Medien stetig wiederholte Aussage ist sehr ernst zu nehmen: Es wäre - so tönt es - auf dem Parteitag anders zugegangen, wenn diejenigen in der Partei, die sich eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene wünschen, 2013 eine Chance dafür gesehen hätten. Aber SPD und Grüne hätten einer solchen Option mehrfach eine klare Absage erteilt. Wir müssen diese Aussage ernst nehmen, weil sie einen rationalen Kern hat. Die vornehmlich aus dem Reformerlager kommenden Befürworter einer solchen Koalition – und zwar ohne dass sie Bedingungen dafür formulieren, denen SPD und Grüne nur gerecht werden könnten, wenn sie ihren Charakter grundsätzlich veränderten – sie haben ja ihre Vorstellungen mit Dresden nicht aufgegeben. Mit anderen Worten: Die Widersprüche bleiben und es wird – so wie gerade jetzt – Zeiten geben, in denen sie nicht betont werden und es wird Situationen geben, da sie im Leben der Partei wieder eine größere Rolle spielen. Wer vor dem Dresdner Parteitag – und auf ihm durch endlose Antragstellungen einzelner – meinte, man müsse im Bundeswahlkampf unbedingt die ideologischen Auseinandersetzungen betonen, weil gerade diese die Partei attraktiv machten, der hat noch gar nicht begriffen, um welche Beträge es geht. Die Partei muss jetzt aktiven Wahlkampf führen. Sie muss, mit bestmöglichen Ergebnissen, wieder in den Bundestag einziehen – schon wegen der Friedensfrage und einer redlichen sozialen Opposition. Würde dies nicht gelingen, dann könnten jene – und das betrifft manch marxistisch orientierte Mitglieder in der Partei ebenso wie Reformer – die manchmal politischen Kampf und theoretische Seminare zu nahe beieinander sehen, womöglich eines Tages in dieser Partei beides nicht mehr haben. Wohl auch das meinte Gregor Gysi, als er in seiner Rede sagte, dass beide Seiten begreifen müssen, dass sie nur miteinander zu existieren vermögen, weil sonst die Partei nicht existieren könne. Der »Rest« ist eine Frage der politischen Kultur, um die zu ringen es sich lohnt und die zu keinem Zeitpunkt ein für alle Mal hergestellt sein wird.

Auf dem Dresdner Parteitag jedenfalls stimmte sie im Großen und Ganzen und damit wurde dort eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf geschaffen. Die überzeugenden Reden von Bernd Riexinger und Katja Kipping und ebenso die von Gregor oder von Sahra waren eine klare Orientierung auf Oppositionswahlkampf. Sie alle, besonders Gregor Gysi, argumentierten prinzipiell im Rahmen der roten Haltelinien unseres Partei- und Wahlprogramms. Gregor fasste unsere Forderungen in zwanzig Punkten zusammen, die jeder Wahlkämpfer kennen sollte. Versuche, in punkto Koalitionsfragen Beliebigkeit herzustellen, scheiterten nicht zu knapp, so z.B. der nachfolgende Antrag aus Oldenburg: »Schon bisher haben wir mit unseren Alternativen Druck aus der Opposition heraus ausgeübt und damit auch die anderen Parteien gezwungen, ihre Positionen diesem Druck anzupassen. Für die nächste Legislaturperiode werden wir uns alle Optionen offenhalten. Wir werden insbesondere der SPD keinen Vorwand liefern, in eine Koalition mit der CDU/CSU zu flüchten, um ihre Wahlversprechungen nicht einhalten zu müssen.«

Ebenso scheiterten sämtliche Anträge – gestellt vorwiegend durch das fds – die objektiv auf die Beschädigung der programmatischen Friedensgrundsätze unserer Partei hinausliefen. Ohne Wenn und Aber bekannte sich auch der Parteivorstand zu den Friedenspositionen von Erfurt. Dieses Alleinstellungsmerkmal blieb auch in Dresden unangetastet.

Das am 16. Juni gegen 0:30 Uhr mit fünf Gegenstimmen beschlossene Wahlprogramm bietet eine solide Grundlage für unser Agieren als Wahlkämpferinnen und -kämpfer. Ob es die sozialen Forderungen sind, oder die Aussagen zu Bildung und Gesundheit, ob es die Solidarität mit Migrantinnen und Migranten oder Minderheiten betrifft – diesbezüglich und zu anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens finden sich Positionen und Forderungen unserer Partei, mit denen Wählerinnen und Wähler gewonnen werden können. Dann nämlich, wenn wir, die LINKEN-Wahlkämpfer, diese Inhalte – anknüpfend an die Fragen, Sorgen und Nöte der Menschen – glaubwürdig vermitteln. Der Vermittlung bedarf es zwingend. Denn ein um die hundert Seiten umfassendes Wahlprogramm wird nicht massenhaft direkt gelesen werden.

Die der Plattform angehörenden Delegierten des Parteitags haben dem Wahlprogramm ihre Zustimmung gegeben, wissend, dass die in ihm enthaltenen Formulierungen zur Geschichte für viele Mitglieder unserer Partei eine Zumutung sind. Deshalb hatten wir ja, gemeinsam mit Delegierten, die der Plattform nicht angehören, einen entsprechenden Änderungsantrag eingereicht. Apropos Änderungsanträge: Von den acht von uns initiierten wurden vom Parteivorstand zwei übernommen und zwei sinnwahrend teilübernommen. Der Änderungsantrag zur Geschichte gehörte – wie erwartet – zu den nicht übernommenen. Aber manchmal ist es besser, wissend einer Niederlage entgegen zu gehen, als zu schweigen. Behandelt wurde der Geschichtsantrag am 15. Juni um 23:30 Uhr. Mit folgender Begründung brachten wir ihn ein: »Gregor hat heute im Kontext mit seiner Kritik an der DDR zugleich das Selbstbewusstsein eingefordert, auf ihre Leistungen zu verweisen. Und eins geht nicht: Zu sagen, die Negativseiten der DDR waren systembedingt und die positiven Erfahrungen hatten mit dem sozialistischen Versuch nichts zu tun. Das Leben ist widersprüchlich. Dem wird die jetzige Formulierung im Wahlprogrammentwurf nicht gerecht. Die aus der DDR kommenden Mitglieder unserer Partei hätten die Erfahrungen vom Herbst 1989 eingebracht, ist formuliert. Davor haben sie wohl keine Erfahrungen gemacht? Und der Herbst 1989, so heißt es, richtete sich gegen einen repressiven Sozialismus. Als habe es anderes als Repression nicht gegeben. Und dann – damit meint man wohl, die Genossinnen und Genossen im Osten nicht zu beleidigen – sagt die jetzige Formulierung im Wahlprogramm faktisch aus: Ihr habt zwar einem ausschließlich repressiven System gedient, aber Eure persönlichen Leistungen sind natürlich zu respektieren. So einfach geht das nicht. Deshalb unser Antrag, der um eine differenzierte Sichtweise bemüht ist«. Obwohl wir scheiterten, machten Vorgänge vor der Antragsbehandlung deutlich, dass so mancher in der Parteiführung wohl bemerkt, dass diese Art von Umgang mit der Geschichte große Teile der Parteibasis – vor allem im Osten – abstößt. Die Auseinandersetzungen um die Geschichte werden weiter gehen. Es ist die Auseinandersetzung um die Frage, ob unsere Vergangenheit auch Bausteine für die Zukunft hervorgebracht hat, oder ob es diese Vergangenheit besser gar nicht gegeben hätte, weil sie so unendlich schlimm war, wie Hubertus Knabe sie beschreibt. Niemand, so wünschen sich die Herrschenden, soll noch einmal auf die Idee kommen, eine gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus auch nur in Erwägung zu ziehen. Wird dieses Interesse von manchen auch in unserer Partei nicht wahrgenommen?

Nach dem Abstimmungsmarathon zum Wahlprogramm folgte am Sonntag die Abstimmung über Satzungsänderungsvorschläge, die aus Zeitgründen bei weitem nicht alle behandelt wurden. Nicht behandelt wurden aus diesem Grund auch Anträge, so vom fds, die darauf zielten, den Zusammenschlüssen ihre Rechte auf Delegiertenmandate und auf Vertretung im Bundesausschuss zu nehmen. Die Vertreter der Mehrzahl der Zusammenschlüsse hatten sich gemeinsam gut auf diese Auseinandersetzung vorbereitet. Die Solidarität untereinander war groß und das wird wohl so bleiben, sollten die nicht behandelten Änderungsanträge wieder eingebracht werden. Auch sonst wurde Solidarität auf dem Parteitag groß geschrieben. Dafür stehen die vom Parteitag beschlossenen Resolutionen »Taksim ist überall! Solidarität mit der Bewegung in der Türkei«, »Solidarität mit den Beschäftigten der Rundfunkanstalten in Griechenland!«, »Protest gegen das von der Duma verabschiedete ›Gesetz gegen homosexuelle Propaganda‹«, aber auch die Solidaritätserklärung mit den vom Hochwasser Betroffenen und die Erklärung »Gerechtigkeit für Gustl Mollath!«. Ein Höhepunkt des Parteitages war die Rede von Genossin Marisa Matias vom Bloco de Esquerda aus Portugal und der anschließende gemeinsame Gesang von »Grândola, Vila Morena«.

Abschließend sei den Genossinnen und Genossen der KPF Sachsen sehr herzlich gedankt, die uns am Stand mit den »Mitteilungen« und anderen Publikationen über drei Tage repräsentierten.