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Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE

Die K-Frage der LINKEN

Erste Gedanken zum Magdeburger Parteitag - Von Ellen Brombacher

Am 28. und 29. Mai 2016 fand in Magdeburg die 1. Tagung des 5. Parteitages der Partei DIE LINKE statt. In dessen Mittelpunkt stand zum einen die Behandlung der drei vom Parteivorstand eingebrachten Anträge »Für Demokratie und Solidarität! Gegen den Rechtsruck.«, »Mehr für alle. Eine soziale Offensive für ein offenes Land!« und der Antrag »Für Frieden und eine gerechte Weltordnung - Linke Alternativen zum ›Krieg gegen den Terror‹ und zur Militarisierung der deutschen Außenpolitik.« Alle drei Anträge wurden nach ausführlichen Debatten angenommen und im Rahmen der Behandlung der Änderungsanträge wurde deren linker Charakter durchaus verstärkt.

Zum anderen wurde der neue Parteivorstand gewählt. Die Ergebnisse sind inzwischen bekannt. Gratuliert sei allen gewählten Genossinnen und Genossen, besonders aber Johanna Scheringer-Wright und Arne Brix. Wenngleich nicht alle Delegierten, die sich zur Diskussion gemeldet hatten, auch die Möglichkeit erhielten, zu sprechen, kann doch im Vergleich zum Bielefelder Parteitag gesagt werden, dass den Delegierten wesentlich mehr Zeit eingeräumt wurde, sich zu äußern. Ein Höhepunkt des Parteitages war Sahras Rede.

Es war ein Parteitag, auf dem sich die an der Basis der LINKEN vorhandenen Stimmungen und Meinungen ziemlich adäquat spiegelten. Auch das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Vor dem Magdeburger Parteitag hatte Gregor Gysi die Partei als »etwas saft- und kraftlos« bezeichnet. Im Osten sei sie nicht mehr die Protestpartei, eher im Westen, sagte er und meinte, dies sei vielleicht nicht so problematisch. Das Problem für Gysi besteht eher in folgendem: »Man spricht uns auch die Gestaltungskraft ab, weil wir auf Bundesebene den Eindruck vermitteln, nicht in die Regierung zu wollen.« Gysi bleibt bei seiner langjährig verfochtenen Linie, dass das Mitregieren im Bund ein erstrebenswertes Ziel sei. Was dann aus den friedenspolitischen Grundsätzen unserer Partei würde, scheint nicht von Belang zu sein. Nun könnte man sagen: Gysi ist nicht mehr Fraktionsvorsitzender. Was soll's? Aber - er ist mit seinen diesbezüglichen Bestrebungen nicht allein. Am 26. Mai äußerte der Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn im nd, die Debatte über Rot-Rot-Grün habe sich nicht erledigt. Und Bodo Ramelow teilte uns am 27. Mai ebenfalls im nd mit, DIE LINKE müsse die Machtfrage stellen. Mit wem soll sie da um die Macht ringen? Mit der Deutschen Bank oder Siemens, oder nur mit der Kanzlerin Merkel, auf die der weise Spruch Kurt Tucholskys ebenfalls zutrifft: »Sie dachten, sie seien an der Macht, dabei waren sie nur an der Regierung.«

Es ist nicht zu übersehen: Durchaus einflussreiche Funktionäre unserer Partei liebäugeln mit einer Koalitionsteilnahme im Ergebnis den Bundestagswahlen 2017. Da wirkt es nicht gerade überzeugend, wenn andere Protagonisten der LINKEN dies mit der Bemerkung herunterspielen, schon rein rechnerisch könne Rot-Rot-Grün gar nicht zustande kommen, und diejenigen, die vor diesen Farbenspielchen warnten, würden nur Pappkameraden errichten. Zugleich reden sie über einen notwendigen Wechsel und andere Mehrheiten, die es geben müsse - als sei mit dieser SPD und diesen Grünen ein Wechsel herbeizuführen. Wenn es um die K-Frage - die Koalitionsfrage - geht, wird es sehr kryptisch.

Es ist an der Zeit, deutlich zu artikulieren: Wer Rot-Rot-Grün nicht will, weil unsere Partei in der gegebenen und absehbaren Konstellation schon an der permanenten Äußerung des Wunsches nach Regierungsbeteiligung im Bund vor die Hunde gehen könnte, soll aufhören, diese Farbenlehre stetig neu ins Spiel zu bringen. Vielmehr muss es uns darum gehen, konsequente, antikapitalistisch geprägte Oppositionskraft zu sein.

Mit anderen Worten: Unsere Partei muss alles dafür tun, dass die Menschen uns nicht als Teil des Establishments empfinden, als Regierungspartei im Wartestand, sondern dass wir als klug agierende, konsequente Opposition wahrgenommen werden können.

Um diese für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf elementaren Fragen geht es. Welche Rolle spielte nun der gerade stattgefundene Parteitag in der Auseinandersetzung um den Kurs der LINKEN vor den im kommenden Jahr stattfindenden Bundestagswahlen und dies nach den jüngsten Wahlniederlagen besonders in Sachsen-Anhalt im Schatten der AfD-Erfolge?

  1. Eine fundierte Analyse über die Ursachen der bereits erwähnten Wahlniederlage wurde auf dem Parteitag nicht vorgenommen. Hans Modrow fand nicht nur dafür sehr deutliche Worte der Kritik. Wo die Analyse fehlt, sind auch praktikable Schlussfolgerungen schwer zu haben. Es reicht in Anbetracht der AfD-Erfolge weder aus, konsequent antirassistisch zu sein, noch dabei stehenzubleiben, dass der Hauptkampf gegen die Rechten auf sozialem Gebiet stattfinden muss. Beides ist zweifellos richtig und notwendig. Und die soziale Frage spielte auf dem Parteitag zu Recht eine außerordentliche Rolle. Ausgehend von der sozialen Situation geht es allerdings im Zusammenhang mit der Entwicklung der AfD um die Analyse komplexer Prozesse. Das Wesen dieser Prozesse besteht unserer Überzeugung nach darin, dass an einer eventuellen Option gearbeitet wird, für den Fall, dass die bürgerliche Demokratie die Rahmenbedingungen für die Erzeugung von Maximalprofit nicht mehr gewährleistet. Die ganze Gefährlichkeit der aktuellen Rechtsentwicklungen muss durch uns analysiert und entlarvt werden. Auf dem Parteitag spielte der Kampf gegen Rechtsentwicklung eine herausragende Rolle. Die Bereitschaft der Genossinnen und Genossen, sich mit ganzer Kraft antifaschistisch zu engagieren, ist unbedingt vorhanden. Davon zeugte auch die Debatte über die Anträge »Für Demokratie und Solidarität! Gegen den Rechtsruck« und » Mehr für alle. Eine soziale Offensive für ein offenes Land!«, an der sich 19 Genossinnen und Genossen beteiligten; etwa noch einmal so viele hatten sich zu dieser Problematik zu Wort gemeldet. Der Parteitag beschloss die Mobilisierung zur Großaktion »Aufstehen gegen Rassismus« am 3. September in Berlin und die Unterstützung der Blockupy Proteste am 2. September ebenfalls in der Hauptstadt.
  2. Kein Zweifel konnte über den Willen der übergroßen Mehrheit der Delegierten aufkommen, die friedenspolitischen Grundsätze der Partei zu bewahren. Davon zeugten Abstimmungsergebnisse ebenso wie die Diskussionsreden. Zum Antrag »Für Frieden und eine gerechte Weltordnung« sprachen 15 Genossinnen und Genossen. Davon zeugte aber auch der große Beifall für die entsprechenden Textpassagen zum Beispiel in den Reden von Kaja Kipping und Bernd Riexinger. Mit großer Mehrheit wurde der von Wolfgang Gehrcke und mir initiierte Antrag »Frieden mit Russland - Verständigung in Europa - Nein zu Faschismus und Krieg« angenommen. Dies ist, wenige Wochen vor dem 75. Jahrestag des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, eine deutliche Antwort auf alle Versuche in der LINKEN, die Äquidistanz zu einem Merkmal unserer Politik zu machen. In Bielefeld waren ein ähnlicher Antrag von Wolfgang Gehrcke und der Brief an M. S. Gorbatschow durch Nichtbehandlung de facto noch vom Tisch gewischt worden. Magdeburg hat das korrigiert.
  3. Eine herausragende Rolle spielten auf dem Magdeburger Parteitag der Gedanke der Solidarität und des Internationalismus. Die LINKE solidarisierte sich mit den streikenden Busfahrern in Pforzheim ebenso wie mit den Beschäftigten der Charité und des Gesundheitswesens. Der Parteitag zeigte sich solidarisch mit dem rebellischen Frankreich und den von Repressionen Gequälten in Ägypten. Er sprach sich gegen die Kriminalisierung der HDP und der Kurden und für die Unterstützung Rojavas aus. Und immer wieder wurde die Solidarität mit den kämpfenden Völkern Lateinamerikas zum Ausdruck gebracht.

In einem ersten Resümee lässt sich feststellen: Eine sehr große Anzahl der Delegierten hat durch das Abstimmungsverhalten, den Inhalt der Diskussionsbeiträge, aber auch der Vorstellungsreden im Rahmen der Wahl zum Parteivorstand deutlich gemacht, dass es weitgehende antikapitalistische Stimmungen gibt und es an der Zeit ist, diese Stimmung stärker im offiziellen Politikgeschehen der Partei zu verankern. Das würde unserer Rolle als Oppositionskraft wesentlich mehr Profil verleihen und somit den Notwendigkeiten entsprechen, denen wir im politischen Agieren Rechnung tragen müssen.

Abschließend sei vermerkt: Auf dem Magdeburger Parteitag gab es ein solidarisches Zusammenwirken der verschiedenen Zusammenschlüsse, die sich als linker Flügel der Partei verstehen. Ein besonderer Dank gilt Thomas Hecker für seine Arbeit in der Antragskommission und Friedrich Rabe für sein Wirken im Arbeitspräsidium des Parteitages.