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2. Tagung der 19. Bundeskonferenz

Überlegungen zu Ursachen der Rechtsentwicklung und daraus resultierende Schlussfolgerungen für linke Politik

Beschluss der 2. Tagung der 19. Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform

Nicht nur in Deutschland zeichnen sich ernst zu nehmende Tendenzen rechter Entwicklungen ab. Diese sind nicht von wachsenden sozialen Klüften zu trennen. Immer mehr Menschen leben unter prekären Bedingungen und unentwegt wachsen die Abstiegsängste all jener, deren Lebenssituation gegenwärtig noch nicht prekär ist, es aber morgen schon sein kann. Zugleich wächst der Reichtum einiger weniger ins Unermessliche. Die Ursachen für die stetig weiter auseinanderklaffende Schere zwischen den nicht oder wenig Begüterten einerseits und den Reichen andererseits werden unterschiedlich gesehen.

Linke benennen in der Regel die kapitalistischen Verhältnisse als entscheidende Ursache für die permanent wachsende soziale Ungleichheit. Und sie gehen davon aus, dass es diese kapitalistischen Verhältnisse sind, die die Umwelt zerstören und zunehmend imperiale Politik gebären; so die Kriege und deren in jeder Hinsicht verheerende Folgen.

Die Rechten ethnisieren jegliche Probleme, nicht zuletzt die sozialen. Diese Ethnisierung ist der Kern rechter Demagogie. Flüchtlinge und Asylbewerber, so wiederholen es z.B. AfD-Abgeordnete im Bundestag und in 14 Landtagen ununterbrochen, sind die Hauptursache für im Land ungelöste Probleme; ob sie nun z.B. soziale Verwerfungen, Sicherheitsfragen oder anderes betreffen. Ohne die Vielzahl der nach Deutschland Gekommenen würden die Ressourcen für die Deutschen schon ausreichen, wird suggeriert. Das wird teils pseudosachlich formuliert, teils mehr oder weniger offen völkisch-rassistisch. In der Sache bleibt es sich gleich.

Diese Demagogie traf besonders in den letzten zwei bis drei Jahren auf »günstige« Bedingungen. 2015 wurden die bis dahin schon sehr spürbaren sozialen Auswirkungen der Agenda 2010 vertieft, weil der massenhaften Aufnahme von Flüchtlingen – ein Gebot der Humanität – nicht das notwendige staatliche Management folgte, um die daraus resultierenden Probleme konstruktiv lösen zu können.

Dem »Wir schaffen das« von Frau Merkel folgte nicht das dazu notwendige komplexe, zentral gesteuerte Paket von Lösungsschritten, sondern die Kommunen wurden mit den Problemen allein gelassen. Nicht die zeitweise sprunghaft ansteigende Anzahl der Flüchtlinge stellte das eigentliche Problem dar, sondern die Tatsache, dass den daraus resultierenden vielfältigen Aufgaben – häufig materieller Natur – nicht adäquat Rechnung getragen wurde. So entstand und entsteht der materielle Nährboden für verstärkteres Konkurrenzdenken und Konkurrenzverhalten, als es dem kapitalistischen Wesen ohnehin entspricht. Was das wiederum für das politische Klima im Land bedeutet, erleben wir täglich.

Durch die so entstandene Lage, die teilweise chaotische Züge annahm, wurde der rechten Demagogie Tür und Tor geöffnet. Dieser Zustand dauert an, obwohl die Anzahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden beträchtlich zurückgegangen ist.

Den Rechten bekam und bekommt diese Situation wie eine Badekur. Sie erstarkten und dieser Prozess ist wohl kaum abgeschlossen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Medien begleitet diesen Prozess auf letztlich nicht aufklärerische, sondern eher populär machende Weise. Und bürgerliche Parteien der sogenannten Mitte neigen mehr und mehr dazu, den Rechten Stimmen abjagen zu wollen, indem sie de facto deren Losungen übernehmen und ihre praktische Politik entsprechend ausrichten. Gedacht sei zum Beispiel an die Obergrenzendebatte und die sogenannten Asylpakete. Auch die SPD-Politik wird in dieser Hinsicht zunehmend prinzipienloser. Schon in der Weimarer Republik hat solcherart Anpassung der bürgerlichen Parteien an Nazis nicht funktioniert. Gerade in Anbetracht geschichtlicher Erfahrungen ist es unbegreiflich, dass die durch das Agieren der AfD befeuerten Debatten im Bundestag sowohl von Medien als auch von Parteien der sogenannten Mitte als Zuwachs an Demokratie charakterisiert werden.

Die Linke darf sich unter den gegebenen Umständen nicht dazu verführen lassen, sich den rechten Interpretationsmustern auch nur im Geringsten anzupassen. Heißt das, dass die Probleme, die nicht durch Flüchtlinge verursacht wurden und werden, aber durch das beschriebene Versagen staatlichen Handelns teilweise verschärft spürbar werden, nicht benannt werden dürfen? Das wäre grundfalsch.

Probleme müssen benannt werden; und gerade deshalb – will man Lösungen erarbeiten – die realen Ursachen für deren Existenz. Und das ist letztlich die immer brutaler verlaufende Profitmaximierung und in diesem Kontext sind es nicht zuletzt Rüstung und Kriegsbeteiligung. Für die 134,2 Millionen Euro, die ein Eurofighter kostet, könnten ein Jahr lang 3.126 Menschen mit der Pflegestufe 3 vollstationär untergebracht werden. Für die 760 Millionen Euro, für die 2017 von der Bundeswehr 104 Leopard 2A7 bestellt wurden, könnte man 124.590 Kindergartenplätze ein Jahr lang bezahlen, 2.000 Plätze für einen Panzer! Wer diese Wahrheiten auszusprechen sich nicht scheut, kann kaum in die Lage kommen, mitzutun, wenn die unter den Zwängen der kapitalistischen Verhältnisse Leidenden gegeneinander ausgespielt werden. Wer dies ausspricht, wird weder Ressentiments noch staatlichen Rassismus bedienen. Die Folgen der Politik im Kapitalinteresse für die Armen in Deutschland dürfen nicht einmal ansatzweise den Flüchtlingen angelastet werden, z.B. durch Formulierungen, die Zuwanderung könne nicht auf Kosten der deutschen Bevölkerung erfolgen.

Und ebenso wenig dürfen Linke auf jene herabschauen, die Opfer der rechten Propaganda werden. Vielmehr müssen wir uns fragen, warum viele von ihnen die Antworten auf die sie im Alltag bewegenden Fragen nicht bei uns suchen und warum es den Rechten inzwischen so leicht fällt, sich als einzige Kraft gegen die Etablierten darzustellen. Dabei sind sie nur der extrem rechte, zunehmend in die Mitte wachsende Rand des Establishments.

Von uns müssen überzeugendere Antworten kommen, wo die Gründe liegen für fehlenden Wohnraum und unbezahlbare Mieten, für zu wenig Lehrer und kaputtgesparte Schulen, für anscheinend fehlende Gelder einerseits und andererseits die Zusage an die NATO, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben. Diese wenigen Beispiele sollen genügen. Dort, wo wir in Parlamenten sitzen oder in Kommunalverwaltungen, gilt es natürlich, um praktische Lösungen zu ringen. Und das ist vor allem auch der Anspruch dort, wo wir in Landesregierungen mitwirken. Was wir in diesen Koalitionen bewirken können und was nicht, bedarf der ehrlichen Analyse. Auf der Hand liegt: Besonders glaubwürdig wirken wir dann, wenn wir wahrnehmbar für die Rechte all jener eintreten, die keine Lobby haben, nicht zuletzt in außerparlamentarischen Bewegungen. Wir müssen sein, wo die sozialen Brennpunkte sind. Wir müssen stärker noch als bisher den inzwischen riesigen Niedriglohnsektor anprangern und nicht minder die Sanktionen durch die Jobcenter, die Leiharbeit, die drohende Altersarmut, den Pflegenotstand, die Bildungsschranken – diese und weitere Bestandteile einer asozialen Politik im Interesse der Profitmaximierung. Und wir müssen um breitestmögliche Bündnisse mit allen Humanisten im Kampf gegen diese Politik und um humane Konzepte ringen.

Unsere Antwort auf den sich zunehmend braun einfärbenden Neoliberalismus muss die Aufklärung sein, wer ursächlich für die stetig prekärer werdende Lage die Verantwortung trägt. Das schließt ein, wieder und wieder darauf zu verweisen, dass – würde Deutschland sich nicht an Kriegen beteiligen – sofort mehr Geld da wäre und zugleich weit weniger Menschen Veranlassung hätten, ihre Länder zu verlassen. Und: Wir müssen vor Ort wieder mehr zur Kümmererpartei werden und als außerparlamentarische Kraft wahrnehmbarer.