Der russophobe Schatten des Kalten Krieges überlebt in einer ZDF-Serie
Dr. Hartmut König, Panketal
Als ich in meiner FDJ-Zeit zum Kongress unseres der KP der USA nahestehenden Bruderverbandes YWLL reiste, wurde ich in New York vom Immigration Officer wie ein infektiöser Alien begrüßt: »Wo wollen Sie hin? Bund junger Arbeiter für die Befreiung – was für eine kommunistische Scheiße ist das denn?« Man ließ mich aber passieren. Eines späten Nachmittags ging ich ins Kino. Ich hatte noch nie einen James-Bond-Film gesehen und war neugierig, wie man westliche Überlegenheit im Kalten Krieg filmisch inszeniert. Anschaulicher ging´s nicht. Wenn ein Russe gekillt war, sprangen die Zuschauer auf die Klappstühle und applaudierten. Außer ich natürlich. Und weil man schon mit Fingern auf mich zeigte, machte ich am Ende der Vorstellung, dass ich um die Ecke kam.
Daran musste ich denken, als ich Ende Oktober 2020 im ZDF ein paar Folgen der Serie »Schatten der Mörder – Shadowplay« sah. Fast alle meine Freunde, die sich das antaten, schalteten ab. Ich nicht. Ich wollte bis zum Ende sehen, wie im neuen Kalten Krieg die uniformierte russische Bestie so bebildert wird, dass sich im Bewusstsein manipulierbarer Seelen das Klischee von der hässlichen Moskowitischen Fratze festfrisst. Dann ist es nicht weit zu der Überzeugung: Sie ist der genetische Born, der die Putins gebiert. Ich war derartig angewidert, dass ich dem ZDF eine Mail schickte:
»Sie senden zurzeit eine Serie, die sich ›Schatten der Mörder…‹ nennt. Über die Schatten der Mörder sähe man gern eine geschichtlich stimmige, dramatisch fesselnde antifaschistische Erzählung. Jeder Versuch, die Beräumung seelischer Trümmer in den zerbombten Sektoren Berlins filmisch zu verdichten, muss scheitern, wenn nach dem Willen der Filmemacher alles Streben nach Wiederbelebung von Humanität in den Stäben und Folterkellern der Roten Armee zerschlagen wird. Ein übleres antirussisches / antisowjetisches Elaborat ist mir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Bundesrepublik seit langem nicht vorgekommen. Man könnte ja abschalten, aber woher wüsste man dann, was heutige Sendekonzepte wieder für tolerabel halten? Angesichts der 27 Millionen Sowjetbürger, die im 2. Weltkrieg durch deutsche Schuld zu Tode kamen, angesichts der gleichen Tränen, die amerikanische Soldaten bei der Befreiung Buchenwalds und Soldaten der Roten Armee bei der Befreiung des KZ Auschwitz in den Augen standen, ist die russophobe Geschichtsklitterung des Streifens eine Schande.«
Das ZDF antwortete: »Wir bedauern, dass Ihnen unsere Serie ›Schatten der Mörder – Shadowplay‹ nicht gefallen hat. Ihre Kritik haben wir in unsere tagesaktuelle Auswertung der Zuschauerreaktionen aufgenommen. Diese wird der verantwortlichen Redaktion und einem weiteren Empfängerkreis in unserem Haus, inklusive der Geschäftsleitung, übermittelt und dort in der internen Auseinandersetzung mit dem Programmangebot berücksichtigt.«
Oder auch nicht.
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